Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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neutrale Privateigentum heißt Prise. Unter Prisen- 
recht im objektiven Sinn wird der Inbegriff aller 
jener Rechtsnormen verstanden, welche im Fall 
eines Seekriegs für die Wegnahme feindlichen und 
neutralen Privateigentums gelten. 
II. Gegenstand des Seebeuterechts sind die 
feindlichen Privatschiffe und die auf diesen befind- 
lichen feindlichen Güter (Schiffe, Ladung); das 
feindliche Staatseigentum ist Gegenstand der 
Kriegsbeute und nicht nach den Grundsätzen des 
Prisenrechts zu behandeln. Da, abgesehen von 
dem Prisenrecht gegen die Neutralen, nur feind- 
liches Privateigentum auf dem Meer weggenom- 
men werden kann, so ist für die Ausübung des 
Seebeuterechts die Frage, wodurch der feindliche 
Charakter eines Privatschiffs und der an Bord 
eines solchen befindlichen Güter begründet wird, 
von besonderer Wichtigkeit. Bei der Entscheidung 
dieser Frage ist sowohl auf den Charakter des 
Eigentümers als auch auf die Natur des Eigen- 
tums selbst Bedacht zu nehmen. Was zunächst die 
Entscheidung obiger Frage nach dem Charakter 
des Eigentümers anbelangt, so ist für die fran- 
zösischen Prisengerichte bislang nur die Staats- 
angehörigkeit des Eigentümers maßgebend: 
ein Angehöriger des feindlichen Staats ist und 
bleibt Feind, und sein Eigentum gilt als feind- 
liches Eigentum, gleichviel ob er im feindlichen 
Staatsgebiet oder in einem neutralen Staat 
wohnt, und von wo aus er seinen Handel betreibt; 
ein Angehöriger eines neutralen Staats bleibt wie 
sein Eigentum auch dann neutral, wenn er im 
feindlichen Staatsgebiet wohnt und von hier aus 
seinen Handel betreibt. Die englisch-amerikanische 
Völkerrechtsdoktrin verwirft dieses Prinzip und 
macht den dauernden Wohnsitz des Eigentümers 
zum Kriterium des feindlichen Charakters seines 
Eigentums, weil einerseits die in einem fremden 
Staat wohnenden Ausländer der fremden terri- 
torialen Staatsgewalt gegenüber als zeitweilige 
Untertanen (subdititemporarüh gelten und ander- 
seits niemand dauernd in zwei Ländern wohnen 
kann, und jeder dort, wo er wohnt, durch sein 
Vermögen und sein Gewerbe, insbesondere aber 
durch seine Steuerleistungen zum Wohlstand und 
somit auch zur Kriegsstärke des Aufenthaltsstaats 
selbst dann beiträgt, wenn er auch daselbst von 
militärischen Dienstleistungen befreit wäre. Der 
feindliche oder neutrale Charakter des Eigentümers 
hängt daher von dem Beweis des dauernden 
Wohnsitzes in dem feindlichen oder in einem neu- 
tralen Staat ab. Auch die Londoner Seekriegs- 
rechtskonferenz von 1908/09 konnte die Streit- 
frage, ob die Staatsangehörigkeit oder der Wohnsitz 
maßgebend sein soll, nicht lösen. Vgl. d. Art. 
Neutralität, Bd III, Sp. 1321. 
Da der Grund und Boden eines Landes mit 
diesem untrennbar verbunden ist, so gelten die 
Erzeugnisse des im feindlichen Gebiet gelegenen 
Grund und Bodens als feindlich, und zwar selbst 
dann, wenn deren Eigentümer ein Neutraler ist. 
Prise usw. 
  
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Als feindliches Gebiet gelten aber nicht nur die 
zum Gebiet des feindlichen Staats gehörigen Ter- 
ritorien, sondern auch diejenigen Ländergebiete, die 
der Feind erst erobert hat oder die diesem vom 
bisherigen Eigentümer stillschweigend überlassen 
worden sind. Dagegen sind nicht als feindlich zu 
betrachten die Gebiete, welche vom Feind nur 
vorübergehend militärisch besetzt, aber unter ihrer 
bisherigen neutralen Regierung geblieben sind, 
sowie die Gebiete, deren Abtretung an den feind- 
lichen Staat zwar bereits vertragsmäßig erfolgt 
ist, deren tatsächliche Besitzergreifung durch den 
Erwerber jedoch noch nicht stattgefunden hat. Was 
insbesondere die Schiffe betrifft, so wird deren 
Zugehörigkeit zu einem bestimmten Staat oder 
deren Nationalität durch die Schiffspapiere (ins- 
besondere durch das Register-Zertifikat und den 
Seebrief) bewiesen, welche sie nach den Gesetzen 
ihres Staats berechtigen, dessen Flagge als äußeres 
Kennzeichen ihrer Staatszugehörigkeit zu führen. 
Sind diese Papiere von Behörden eines feind- 
lichen Gebiets ausgestellt, so gilt das Schiff selbst 
dann als ein feindliches, wenn sein Eigentümer 
ein Neutraler wäre. Fehlen die genannten Papiere 
oder eines derselben, so darf das Schiff, wenn 
seine Zugehörigkeit zu einem neutralen Staat 
auf andere Weise nachgewiesen werden kann, nicht 
weggenommen werden. Kommen in den erwähnten 
Papieren Unregelmäßigkeiten vor, so wird hier- 
durch die Wegnahme des Schiffs gerechtfertigt. 
Werden die Schiffspapiere zwar in Ordnung be- 
sunden, ergibt sich jedoch der Verdacht eines Be- 
trugs, so muß dieser vom Nehmer des Schiffs 
bewiesen werden. Wie bei den Erzeugnissen des 
Grund und Bodens, so ist auch bei den Schiffen 
für ihren feindlichen Charakter im Krieg einzig 
und allein der Umstand maßgebend, daß das Land, 
welchem sie angehören bzw. dessen Flagge sie 
führen, sich zur Zeit ihrer Aufbringung im tat- 
sächlichen Besitz des Feinds befindet. Aus dem 
gleichen Grund werden auch ursprünglich feind- 
liche Häfen, welche der feindlichen Hoheit durch 
die Kriegsereignisse zeitweilig entzogen sind, nicht 
als feindlich betrachtet. 
Zu mannigfachen Streitigkeiten führte der Ver- 
kauf feindlicher Schiffe an Neutrale. Die Lon- 
doner Seekriegsrechtskonferenz hat nunmehr die 
Frage wie folgt geregelt: Der vor Beginn der 
Feindseligkeiten erfolgte Verkauf eines feindlichen 
Schiffes ist gültig, falls nicht bewiesen wird, daß 
dieser Verkauf nur herbeigeführt wurde, um den 
Folgen als feindliches Schiff zu entgehen. Dies 
wird vermutet, wenn sich die Ubertragungsurkunde 
nicht an Bord befindet und das Schiff die Na- 
tionalität des Kriegführenden weniger als 60 Tage 
vor Ausbruch der Feindseligkeiten verloren hat. 
Gegenbeweis ist zulässig. Ist dagegen der mehr 
als 30 Tage vor Kriegsbeginn erfolgte Ubergang 
unbedingt und vollständig, entspricht er der Ge- 
setzgebung der beiden Länder und ist die Ver- 
fügung über das Schiff nicht mehr in denselben
	        
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