Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

Privatbeamte. 
  
355 
Anzahl der bofragten Privat- 
ngestellten in nebenbezeichneten 
Einkommensstufen 
Einkommensstufen vovyoon c0 der 
überhaupt „ Ln ver 
männl. 1 weibl. 
männl. " weibl. 
Unter 1000 fl 4 ·’ 1 3.18 38.86 
1000 bis unter 1250 1 N35 1410 11.19 29.45 
1250 , „ 1500 „ 18 568 693 12,37 1,48 
1500 1800, 23 871 460 15,91 9.61 
1800 2100 24 410 202 106,27 4,22 
2100 2400 117155 61 11,43 1.27 
2400 2700 15 354 47 10,17 0.8 
2700 „ 3000 6239 1 4.16 0.02 
000 , „ 3600 10 016 16 6.67 0.33 
3600 M und darüber D 11.544 5 7.69 0.10 
Ohne Angahbe 987 32 060#66 0,68 
liche Einkommen betrug 2228,29 M. Dabei ist 
aber das zu beachten, was Karl Schlich in einem 
Ausfsatz über die wirtschaftliche Lage der technischen 
Privatangestellten betont, daß diese Ziffer nur 
deshalb einen sehr bedingten Wert hat, weil eine 
große Anzahl Auskunftgebender über ihre Ein- 
kommensverhältnisse keine Angaben gemacht haben, 
„diese unbekannten Fälle sind nach allen Kriterien 
unzweifelhaft den unteren Einkommensrubriken zu- 
zuzählen". Auf der andern Seite haben verschie- 
dene relativ größere Einkommen den Durchschnitt 
wesentlich in die Höhe getrieben. Die Statistik 
stellt Einkommen fest von 16 400, 13200, 
10 800 J, nicht weniger als 6 von 10 000 M 
usw. Das ist zugleich eine neue Bestätigung der 
Behauptung, daß die Lage der Privatangestellten 
sehr viel weniger gleichartig ist als die Lage der 
Arbeiter. Auf Grund einer von dem Deutschen 
Technikerverband 1907 veranstalteten Erhebung 
konnte festgestellt werden, daß fast die Hälfte der 
in der Erhebung mit einbezogenen Maschinen- 
und elektrotechnischen Beamten in den verschieden- 
sten Altern stehend auf ein gleiches oder gar ge- 
ringeres Einkommen angewiesen sind als die Me- 
tallarbeiter. 
Ein rein zahlenmäßiger Vergleich der Ein- 
kommensverhältnisse der Arbeiter einerseits und 
der Privatbeamten anderseits würde aber ein un- 
richtiges Bild geben, weil der „Mangel“ kein ab- 
soluter Begriff ist, sondern nach der gesamten so- 
zialen Lage, der Herkunft, der Bildung gemessen 
werden muß. Gebessert werden kann das ungün- 
stige Gesamturteil über die soziale Lage der Pri- 
vatbeamten nicht dadurch, daß man deren Aussich- 
ten, sich selbständig zu machen, in den Bereich der 
Erörterungen zieht. Ein Schriftsteller, Johannes 
Buschmann, hat 1906 den Versuch gemacht, durch 
eine Umfrage bei den Organisationen der Hand- 
lungsgehilfen festzustellen, wie groß der Prozent- 
satz der kaufmännischen Angestellten ist, die sich 
selbständig gemacht haben. Am aussichtslosesten 
ist die Lage der Bankangestellten. Nur einige 
wenige Personen gelangen zur Selbständigkeit, da 
infolge der andauernden Bankkonzentrationen die 
Zahl der selbständigen Existenzen im Bankgewerbe 
immer mehr reduziert wird. Aber auch sonst ist 
im eigentlichen Handelsgewerbe der Prozentsatz 
  
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derjenigen, die sich selbständig machen, auffallend 
niedrig. Buschmann findet auf Grund der An- 
gaben des Deutsch-nationalen Handlungsgehilfen- 
verbands, des Vereins für Handlungskommis von 
1858 und des Verbands katholischer Vereini- 
gungen Deutschlands, daß im Durchschnitt nur 
4 % zur Selbständigkeit gelangen. Nach der Be- 
hauptung der Deutschen Industriebeamtenzeitung 
gelangt man nun aber, wenn man dieselbe Frage 
für die technischen Angestellten aufwirft, zu einem 
noch ungünstigeren Prozentsatz (Industriebeamten- 
zeitung 1907, S. 223). Relativ am günstigsten 
sind die Aussichten im Baugewerbe, zur Selb- 
ständigkeit zu gelangen; aber auch hier sollen nicht 
mehr als 5 % der Angestellten die erstrebte Selb- 
ständigkeit erreichen. Beim Maschinenbau und der 
Elektrotechnik handelt es sich um 1/2 %, und noch 
geringer ist der Prozentsatz bei den Grubenbeamten 
und den Chemikern. 
Schon sind die gewerkschaftlichen Organisa- 
tionen der Arbeiter überzeugt, daß über kurz oder 
lang auch die Privatbeamten in ihre Reihen ein- 
treten werden. Der 6. Kongreß der Gewerkschaf- 
ten Deutschlands in Hamburg 1908 faßte einen 
Beschluß zugunsten der Privatbeamtenbewegung, 
in dem es u. a. heißt: „... Der Kongreß macht 
darauf aufmerksam, daß die kaufmännischen und 
technischen Angestellten gleichermaßen zu den pro- 
letarischen Schichten der Bevölkerung gehören wie 
die Arbeiter, und sie, wie diese, von ihrer Hände 
oder ihres Kopfes Arbeit leben. Niedrige Ent- 
lohnung, lange Arbeitszeit und andere ungünstige 
Bedingungen sind heute nicht nur für das Arbeits- 
verhältnis der Arbeiter, sondern auch für den 
Dienstvertrag der Angestellten charakteristisch. An- 
gestellte und Arbeiter haben also gleiche Interessen 
gegenüber dem Unternehmertum zu verfechten 
Der Kongreß erklärt daher, den im Sinn der 
modernen Gewerkschaftsbewegung gehaltenen For- 
derungen der kaufmännischen und technischen An- 
gestellten, die eine Verbesserung ihrer wirtschaft- 
lichen Lebenslage durch gewerkschaftliche und ge- 
setzliche Reglung bezwecken, ausdrücklich seine volle 
Sympathie. Je rascher die Arbeiterschaft in 
ihrem Kampf vor= und aufwärts schreitet, desto 
schneller werden die Angestellten nachfolgen können; 
anderseits wird auch die Bewegung der Angestell- 
ten zur Verbesserung ihrer Lohn= und Arbeits- 
bedingungen den Arbeitern ihren Kampf zu er- 
leichtern vermögen."“ 
III. Die Organisation der Privatbeamten. 
Tatsächlich sind und bleiben aber die Interessen 
der Privatbeamten in manchen Punkten anders 
geartet als die Interessen der Handarbeiter. Sie 
werden daher für absehbare Zeit ihre eignen 
Wege gehen. Dabei sind sie insofern ungünstiger 
gestellt als die Arbeiter, weil die einheitliche Or- 
ganisation der Angestellten noch wesentlich schwie- 
riger ist als die einheitliche Organisation der Ar- 
beiter. Das Klassenbewußtsein der Privatbeamten, 
so hat man gesagt, werde überwuchert von dem
	        
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