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höhtem Maß, Ausdehnung der Erhebungen der
Kommission für Arbeiterstatistik auf die Verhält-
nisse der Privatbeamten, Gewährung des Rechts
auf einen jährlichen Mindesturlaub. Manches von
diesen allgemeinen Forderungen ist bereits in
Osterreich durchgeführt auf Grund des dortigen
Angestelltengesetzes, dessen § 14 z. B. bestimmt:
„Falls der Dienstnehmer bei dem Dienstgeber
mindestens schon durch 6 Monate ununterbrochen
im Dienst steht, ist ihm in jedem Jahr ein un-
unterbrochener Urlaub in der Dauer von minde-
stens 10 Tagen zu gewähren.. Für Dienst-
nehmer, deren Dienstverhältnis mindestens 5 Jahre
oder mindestens 15 Jahre bei ein und demselben
Dienstgeber ununterbrochen gedauert hat, beträgt
der jährliche Urlaub mindestens 14, im letzt-
erwähnten Fall mindestens 21 Tage..
Die technischen Angestellten insbesondere fordern
rechtliche Gleichstellung mit den kaufmännischen
Angestellten in Bezug auf: a) die obligatorische
Zahlung des Gehalts am Monatsschluß, b) die
Fortzahlung des Gehalts bei militärischen Ubungen
bis zur Dauer von 8 Wochen, c) das Verbot der
Abzüge von Gehalt hinsichtlich der Beiträge aus
einer Kranken= und Unfallversicherung, d) Aus-
stellung des Dienstzeugnisses schon bei Kündigung
des Dienstverhältnisses, e) Konkurrenzklausel.
Ferner fordert eine Gruppe: Gesetzliche Sicher-
stellung des Eigentumsrechts der Angestellten an
den von ihnen herrührenden Erfindungen und
Gewährung eines angemessenen Anteils an dem
Nutzen der praktischen Verwertung der Patente;
Ausdehnung des Gewerbegerichtsverfahrens auf
alle technischen Angestellten bis zu 5000 M Jahres-
gehalt und Vereinigung der erweiterten Gewerbe-
gerichte mit den Kaufmannsgerichten zu Arbeits-
gerichten. Der „Bund technisch-industrieller Be-
amten“ legt entsprechend seinem gewerblichen
Charakter besonderes Gewicht auf den weiteren
Ausbau des Koalitionsrechts. Ausdrücklich hat
er in seinem Programm die „allgemeine Forde-
rung“ aufgenommen, daß die Verhinderung am
gesetzmäßigen Gebrauch der Koalitionsfreiheit
unter Strafe zu stellen sei, um die technischen An-
gestellten vor wirtschaftlichen Schädigungen wegen
der Wahrnehmung der Standesinteressen zu
schützen.
Am meisten Beachtung haben bei der sozialen
Reformarbeit bis jetzt unzweifelhaft die kaufmän-
nischen Angestellten erfahren, aber auch sie haben
noch weitere Wünsche; im Mittelpunkt der Dis-
kussionen steht zurzeit der Achtuhrladenschluß für
das Verkaufspersonal und die Reglung der Ar-
beitszeit in den nicht mit offenen Verkaufsstellen
verbundenen Kontoren, im Zusammenhang damit
steht die Forderung einer gesetzlich gewährleisteten
Sonntagsruhe bzw. eines wöchentlichen Ruhetags.
Die erste größere und durch Einflüsse der Or-
ganisation mit hervorgerufene Bewegung der Bu-
reauarbeiter auf Verbesserung der Arbeitsverhält-
nisse war die Bewegung der bei den Berliner
Privatbeamte.
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Rechtsanwälten, Notaren, Gerichtsvollziehern tä-
tigen Angestellten im Jahr 1896. Eine von vielen
Hunderten von Bureaubeamten besuchte Versamm-
lung beauftragte die Leitung des Zentralvereins
der Bureauangestellten mit der Ausarbeitung eines
„Regulativs“, das allen Arbeitgebern und auch
dem Vorstand der Anwaltskammer vorgelegt wer-
den sollte. In dem bald darauf vorgelegten „Re-
gulativ“, das auch heute noch in der Bewegung
der Bureauangestellten viel genannt wird, waren
die Hauptforderungen dieser Privatbeamten so
formuliert: Reglung des Lehrlingswesens: In
Bureaus bis zu 3 Angestellten sollte nicht mehr als
1 Lehrling beschäftigt werden dürfen, in Bureaus
mit 4 und mehr Angestellten nicht mehr als
2 Lehrlinge. Einführung der achtstündigen Ar-
beitszeit, Festsetzung eines Minimallohns: Dieser
sollte betragen für Kanzlisten die Höhe des orts-
üblichen Taglohns für ungelernte Arbeiter, für
Bureauvorsteher das 1½ fache des ortsüblichen
Lohns. Abschaffung der Sonntagsarbeit. Ab-
schaffung der Uberstunden. Gewährung von Ferien-
urlaub. Einrichtung hygienisch einwandfreier
Räumlichkeiten. Errichtung eines paritätischen Ar-
beitsnachweises. Seit Ende der 1890er Jahre
werden im deutschen Reichstag die Verhältnisse
der Bureauangestellten in jedem Jahr zur Sprache
gebracht. Einstimmig nahm bereits 1898 der
Reichstag eine Resolution an, nach welcher die
verbündeten Regierungen ersucht werden, „dem
Reichstag tunlichst bald einen Gesetzentwurf
vorzulegen, welcher bezüglich der Gehilfen der
Rechtsanwälte, Notare und Gerichtsvollzieher,
ferner der Beamten und Angestellten der Kranken-
kassen über die Arbeitszeit, die Kündigungsfristen,
die Sonntagsruhe, die berufliche Aus= und Fort-
bildung, die gleichen oder ähnlichen Schutzvor-
schriften vorsieht, wie sie das Handelsgesetzbuch
und die Gewerbeordnung hinsichtlich der Handels-
angestellten enthält“. Die Resolution blieb wir-
kungslos, trotzdem sie wiederholt erneuert wurde,
zuletzt bei der zweiten Beratung des Etats im
Febr. 1910. Die Bureauangestellten erreichten
nur, daß das Krankenversicherungsgesetz und das
Alters= und Invalidenversicherungsgesetz auf sie
ausgedehnt wurde.
V. Die Privatbeamtenversicherung. Das
Kernstück in dem sozialen Programm der Privat-
beamten ist heute unzweifelhaft die „Pensionsver-
sicherung“. Die Notwendigkeit einer Fürsorge-
einrichtung für Invalidität, Alter und Hinter-
bliebene der Privatbeamten wird heute nicht mehr
bestritten. Je mehr die Aussichten des einzelnen
gesunken sind auf Begründung einer selbständigen
Existenz für die Zeiten der Erwerbsunfähigkeit
und für die Hinterbliebenen zu sorgen, um so größer
ist die Notwendigkeit geworden, auf anderem Weg
das gleiche Ziel zu erreichen. Die Interessen von
Arbeitgebern und Arbeitnehmern sind dabei har-
monisch; die Art der Arbeit, die der Privatbeamte
meist zu leisten hat, bedingt es, daß Fernhalten