Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Zeit vereinbart sind — die petite femme der 
Pariser Studenten bleibt selten länger als ein 
Semester — oder deren Abbruch den Umständen 
überlassen ist, bilden eine Vorstufe der Prostitu- 
tion, indem die Unzucht zum Haupterwerbszweig 
gemacht wird. Zu den genannten Ursachen und 
Motiven der gewerbsmäßigen Prostitution kommt 
endlich die Tatsache, daß es dem weiblichen Ge- 
schlecht aus physiologischen und technologischen 
Gründen leicht möglich ist, aus der wiederholten 
Preisgebung an das männliche Geschlecht ein ein- 
trägliches Gewerbe zu machen. 
IV. Jormen. Die Prostitution ist entweder 
eine geheime (larvierte, klandestine), d. h. staat- 
lich oder polizeilich nicht anerkannte und geregelte, 
oder eine öffentliche (legale), d. h. staatlich regle- 
mentierte und ärztlich kontrollierte. Die Straßen- 
prostitution, die auf eigne Faust und Gefahr ihr 
Gewerbe treibt, rekrutiert sich aus Dirnen, die in 
Privathäusern zerstreut wohnend ihren Unter- 
halt ganz oder teilweise damit erwerben, daß sie 
sich für Geld den Männern preisgeben. Sie sind 
meistens darauf angewiesen, Männer anzulocken. 
In auffälliger Kleidung, mit frech herausfordern- 
den Blicken ziehen sie, besonders am Abend, durch 
die Straßen oder suchen sich in Wirtshäusern und 
Tanzlokalen ihre Kundschaft; in vielen Winkel- 
wirtschaften und Gasthöfen sind die Kellnerinnen 
Prostituierte und finden, weil sie bald bekannt 
sind oder bei Bedienung der Gäste darauf aus- 
gehen, reichlich Gelegenheit schmutzigen Neben- 
verdienstes. Oder die Mädchen wohnen zu mehreren 
bei Unternehmern (Kupplern, Kupplerinnen) in 
öffentlichen Häusern oder Bordellen, beziehen 
eine fest bestimmte Taxe, die z. B. in Italien für 
die einzelnen Klassen der Bordelle staatlich geregelt 
ist, erhalten reichliche Verpflegung und Kleidung, 
die ihnen aber zu sehr hohen Preisen angerechnet 
wird, so daß sie beim Bordellwirt fortwährend 
Schulden haben. Dadurch ist es ihnen unmög- 
lich gemacht, gegen den Willen des Unternehmers 
das Haus zu verlassen, weil sie sonst mittellos 
auf der Straße stehen. In Deutschland sind 
die Bordelle gesetzlich verboten, existieren aber 
trotzdem mit polizeilicher Genehmigung in vielen 
Städten. Verwandt mit dem Bordell ist das 
Kuppler= und Zuhälterwesen. Als Kuppler 
wird eine Person bezeichnet, die „gewohnheits- 
mäßig oder aus Eigennutz durch ihre Vermittlung 
oder durch Gewährung oder Verschaffung von 
Gelegenheit der Unzucht Vorschub leistet“ (St.G.B. 
§ 180). Nicht selten sind es Eltern, die ihre Kinder, 
Ehemänner, die ihre Frauen in dieser Weise miß- 
brauchen. Zuhälter (Louis) heißt der männliche 
Beschützer der Dirne, oft auch ihr Freund oder 
Geliebter, der ganz oder teilweise von ihrem Ver- 
dienst lebt; dafür hilft er Kundschaft suchen und 
schützt die Dirne bei Konflikten mit der Behörde 
oder ihren Kunden. 
V. FJolgen. Unbestreitbar lehrt die Erfahrung, 
daß die erwerbsmäßige Prostitution den unbeschol- 
Prostitution. 
  
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tenen Frauen und Mädchen einen gewissen Schutz 
gegen die Verführung gewährt. Denn so oft man die 
gewerbliche Unzucht mit Gewalt zu unterdrücken 
suchte, haben sowohl Ehebruch als auch Verführung 
unbescholtener Mädchen überhand genommen. In- 
dessen fällt dieser Vorteil der Prostitution nicht 
ins Gewicht gegen die Summe des sittlichen und 
sozialen Elends, das aus ihr für das Individuum 
und die Gesellschaft in einem solchen Grad er- 
wächst, daß man mit vollem Recht die gewerbs- 
mäßige Unzucht als die plaie sociale, bie sittliche 
und gesundheitliche Pestbeule im Leben der Völker 
bezeichnet. Eine Schädigung der Moral liegt 
schon in der bloßen Existenz der Prostitution, wie 
denn auch die gewerbliche Unzucht allgemein als 
unsittlich angesehen wird. Schädlich wirkt sodann 
das schlechte Beispiel, die direkte oder indirekte 
Verführung, insofern die Männerwelt zum un- 
erlaubten Geschlechtsgenuß leichter veranlaßt und 
die Frauenwelt zu dem scheinbar freudenvollen 
und genußreichen Lebenswandel der Freuden- 
mädchen ermutigt wird. Dazu kommt die ge- 
werbsmäßige Kuppelei, der Mädchenhandel und 
die nicht selten enge Verbindung der Prostitution 
mit dem Verbrechertum (Diebstahl, Betrug, Er- 
pressung, Fruchtabtreibung, Kindsmord). Sodann 
gefährdet die gewerbsmäßige Unzucht in hohem 
Maß die Gesundheit des einzelnen und damit die 
der ganzen Gesellschaft. Die Prostitution ist zwar 
nicht die einzige Ursache oder Quelle der Ge- 
schlechtskrankheiten, aber ihre Hauptursache. Im 
Interesse der öffentlichen Sittlichkeit und Gesund- 
heit hat somit die Gesellschaft die Pflicht, gegen 
die Prostitution und ihre schädlichen Folgen an- 
zukämpfen. 
VI. Bekämpfung. Die Geschichte der Pro- 
stitution lehrt, daß im Lauf der Zeiten schon alles 
Erdenkliche versucht worden ist, um sie zu besei- 
tigen, daß aber jeder Versuch, sie radikal, d. h. 
durch einfache Ausrottung zu bekämpfen, miß- 
lungen ist, ja noch größere Nachteile zur Folge. 
gehabt hat. Bekannt ist der Ausspruch des hl. Au- 
gustinus (De ordine I. 2, c. 4, n. 12): „Wenn 
man die Prostitution unterdrückt, so wird alle 
Ordnung durch die Heftigkeit der Leidenschaften 
zerstört“" (Migne, P. lat. XXXII 1000). Mag 
indessen die gewerbliche Unzucht sowohl in der 
Natur des Menschen als auch in den kulturellen 
und sozialen Verhältnissen noch so tief begründet 
sein und ihre völlige Unterdrückung als unmöglich 
erscheinen, so darf die Gesellschaft doch die Pro- 
stitution mit ihren moralischen und gesundheit- 
lichen Schäden sich nicht ruhig weiter ausbreiten 
lassen. Die Kirche, die das Laster niemals und in 
keiner Form gebilligt, sondern allzeit verdammt 
hat, muß durch Predigt und Unterricht und die 
ganze pastorelle Tätigkeit für die Pflege und Er- 
haltung reiner Sitten Sorge tragen. Der Staat 
hat solche Maßregeln zu ergreifen, die wenigstens 
zur Sicherung der Allgemeinheit und des einzelnen 
gegen die Folgen des Übels beitragen können. Die
	        
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