Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Protestantismus — Proudhon. 
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Frankreich seine Stellung als Protektor der Chri= Abhängigkeitsverhältnisse unter den modernen 
stenheit in China in letzter Instanz dem Aposto- 
lischen Stuhl verdankt, so könnte dieser sein Pri- 
vilegium auch zurückziehen, und es würden die 
gleichen Verhältnisse eintreten wie unter den 
gleichen Bedingungen in der Levante. 
4. Zum Dank für das Protektorat hat der 
Apostolische Stuhl den Vertretern Frankreichs 
seitens ihrer kirchlichen Schutzbefohlenen im Orient 
bestimmte Ehrenbezeigungen zuerkannt. Nach 
einem Reglement der Propaganda vom Jahr 
1742 kommen den französischen Konsuln in der 
Levante (und wohl auch in China) nachfolgende 
Ehren zu: ein feierliches Tedeum beim Amtsan- 
tritt des Konsuls, Ehrenplatz für den Konsul in 
der Kirche, die obligatorische Anzeige seitens des 
geistlichen Obern an den Konsul, wenn die heilige 
Messe gelesen wird, die Erwähnung Frankreichs 
in kirchlichen Gebeten, endlich eine Reihe anderer 
besonderer, zum Teil auch nur auf Gewohnheit be- 
gründeter Ehrungen. 
5. Es fehlt von verschiedener Seite her nicht an 
Bekämpfung der Berechtigung und Nützlichkeit des 
„Protektorats“. So wird protestantischerseits ge- 
tadelt die Verbindung des Wortes Gottes mit der 
irdischen Macht, die Anlehnung an die Staats- 
gewalt, die Verbindung der römischen Mission 
mit der Politik (Ch. Warneck, Geschichte der pro- 
testantischen Missionen /?1910) 181 f. 408, 433, 
451, 482, 493,519 f). Vom rein utilitaristischen, 
politischen und diplomatischen Standpunkt aus 
reden französische Staatsmänner der Aufgabe des 
Protektorats das Wort, weil Frankreich durch den 
eventuell auch kostspieligen Schutz der Missionen 
bei den betreffenden Völkern nur verhaßt werde 
(J. L. de Lanessan, Les missions et leur pro- 
tectorat [Par. 19077). Doch beruhen diese Ein- 
wände „auf einer völligen Verkennung der von 
Gott gewollten Verbindung der geistlichen und 
weltlichen Gewalt. Beide, Kirche und Staat, 
haben ihren Ursprung in Gott, beide haben, so 
verschieden auch ihr nächster Zweck ist, doch das- 
selbe letzte Ziel: die Förderung der Interessen 
Gottes. Sie dürfen sich also gegenseitig nicht 
hindern, sondern sollen sich fördern“. Tatsächlich 
haben denn auch seit Konstantin d. Gr. die christ- 
lich gewordenen Kaiser und Könige der Kirche 
ihren mächtigen Arm geliehen, sie unterstützt und 
so die Christianisierung Europas und in andern 
Weltteilen mächtig gefördert. Wenn sich jetzt andere 
Anschauungen geltend machen wollen, so ist das 
ein Abfall von einer göttlichen Idee und von der 
geschichtlichen Entwicklung (Huonder, Zur Pro- 
tektoratsfrage, Wissenschaftliche Beilage zur Ger- 
mania 1902, Nr 44). 
Literatur (außer der bereits angeführten): G. 
Jellinek, Die Lehre von den Staatenverbindungen 
(1882); S. Brie, Theorie der Staatenverbin- 
dungen (1886); Heffter-Geffken, Das europ. Völker- 
recht der Gegenwart (81888) 55 ff; P. Heilborn, 
Das völkerrechtl. P. (1891); K. Bornhak, Einseitige 
  
  
Staaten (1896); E. Engelhardt, Les protectorats. 
anciens et modernes (Par. 1896); F. Despagnet, 
Essai sur les protectorats (ebd. 1896); E. Ull- 
mann, Völkerrecht (1908) 105 ff. — G. Goyau, 
Le protectorat de la France sur les chrétiens de 
T’empire ottoman (Par. 1896); A. Kannengießer, 
Les missions catholiques. France et Allemagne 
(ebd. 1900) 25 ff; Das P. im Orient, in Die kath. 
Missionen XXXI (1902/03) 25 ff; E. v. Mülinen, 
Die lat. Kirche im türk. Reich (21903); A. Leroy- 
Beaulieu, Les congrégations religieuses. Le 
protectorat et D’influence française au dehors, 
in Revue des deux mondes, 1. März 1903, 70 ff; 
A. d’Avril, Protections des chrétiens dans le 
Levant, in Revue Thistoire diplomatique XII. 
(1900) 534 ff; J. Aubes, Le protectorat religieux 
de la France en Orient (Par. 1904); A. Schopoff, 
Les réformes et la protection des chrétiens en 
Turquie 1673/1904 (ebd. 1904). II protettorato 
cattolico della Francia nell’' Oriente e nell' 
Estremo Oriente, in Civilta cattolica 1904 IV 
257 f; Das kath. P. Frankreichs im Orient, in 
Archiv für kath. Kirchenrecht LXXXV (1905) 165 ff. 
[Sägmüller.) 
ProtestantismussReligionsgesellschaften. 
Proudhon, Pierre Joseph (1809/65). 
Bedeutsam als sozialökonomischer Kritiker (Sozia- 
list), eigenartig in seinen sozialreformatorischen 
Vorschlägen und Versuchen, von Einfluß als 
Theoretiker einer „anarchischen“ Gesellschaftsord- 
nung, überaus fruchtbarer Schriftsteller. 
1. Geboren am 15. Jan. 1809 zu Besancon als 
Sohn armer Eltern, lernte er früh die Not des 
Lebens kennen. Durch Vermittlung eines Freundes 
seines Vaters erhielt der reichbegabte Knabe eine 
Freistelle am Collége seiner Vaterstadt, wo er mit 
Auszeichnung studierte; im Alter von 19 Jahren 
war er durch die dürftigen Verhältnisse, in die seine 
Eltern immermehrgerieten, gezwungen, das Collége 
zu verlassen und selbständig für seinen Lebensunter- 
halt zu sorgen. Er wurde Buchdrucker, arbeitete zu- 
nächst zwei Jahre in Besangon als Korrektor und 
Setzer, und begab sich dann auf die Wanderschaft, 
wo er manche Entbehrungen kosten mußte; 1832 
kehrte er in seine Vaterstadt zurück, war zunächst vier 
Jahre bei seinem alten Arbeitgeber tätig und über- 
nahm dann (1836) gemeinsam mit einem Freund 
eine kleine Druckerei. Allein mit dem Geschäft hatte 
Proudhon kein Glück und er geriet in Schulden. 
Da fand er 1838 einen Rettungsanker in einem 
dreijährigen Studienstipendium, das die Akademie 
seiner Vaterstadt zu vergeben hatte. Die reichen 
Bildungsanregungen seines Spezialberufs hatte 
Proudhon zu fleißiger autodidaktischer Weiter- 
bildung benutzt, vor allem auf dem Gebiet der 
sprachlichen Wissenschaften; eine Arbeit von ihm 
lenkte die Aufmerksamkeit auf ihn und er konnte 
sich mit Erfolg um die Zuwendung des Suardschen 
Stipendiumsewerben (aufdrei Jahreje 1500 Fr.). 
Er ging jetzt nach Paris, um sich dort geschicht- 
lichen, philosophischen und volkswirtschaftlichen 
Studien zu widmen. Als Frucht seiner Studien
	        
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