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mal vorhandene Wirklichkeit eines Naturzustandes
weist Pufendorf entschieden ab; dagegen nimmt er
an, daß die ersten Familien, ehe sie Staaten bil-
deten, in natürlicher Freiheit gelebt hätten, und
daß erst die Furcht sie zur Staatengründung ge-
führt hätte. Doch soll diese Furcht nicht Folge
eines schon bestehenden Zustandes gegenseitiger
Vergewaltigung (Hobbes) gewesen sein, sondern
weise Fürsorge für die gemeine Sicherheit, Lrae-
cautio futuri mali, die zur Bildung einer Sicher-
heitsgesellschaft führt. Denn das ist der Staat
nach Pufendorfs Theorie, Menschenwerk, nicht
Notwendigkeit der Natur. Die Grundlage der
staatlichen Ordnung sind Verträge: der Eini-
gungsvertrag, wodurch jeder zugunsten der Ge-
samtheit auf seine natürliche Freiheit verzichtet,
dann der Unterwerfungsvertrag, wodurch die so
gebildete Gesamtheit eine bestimmte Gewalt an-
ordnet, deren Herrschaft sie von nun an anerkennt.
Auch die Leibeigenschaft ist ihm nur eine Wirkung
eines freien Vertrags, er will aber das Recht der
freien Auswanderung jedem Staatsangehörigen
wahren. Pufendorf will, wie in seiner Theorie
vom Ursprung des Naturrechts, auch für die staat-
liche Ordnung die göttliche Sanktion nicht ent-
behren. Er vereinigt dieselbe mit seiner Vertrags-
theorie, wie folgt: die Menschen folgen bei dem
Eingehen des Gesellschaftsvertrags, dem Einsetzen
einer öffentlichen Gewalt, nur göttlicher Anord-
nung also ist die bürgerliche Herrschaft imperium
eivile) von Gott, wenn auch durch menschliche
Handlung vermittelt — ganz die Theorie Bellar-
mins. Haben sich die einzelnen einmal unter-
worfen, so ist die höchste Gewalt sich selbst Gesetz,
nicht an die Gesetze gebunden, die ja von ihr aus-
gehen. Das Volk kann nicht zurücknehmen, was
es einmal gegeben, muß selbst tyrannische Herr-
schaft mit Geduld ertragen. Pufendorf ist Abso-
lutist, er hebt in seinem Naturrecht die Monarchie
als die lebenskräftigste Staatsform hervor, die
aristotelische Unterscheidung zwischen realer und per-
sönlicher Majestät läßt er nicht gelten, da für ihn.
das Volk nur als Untertanenkomplex in Betracht
kommt, dem keine Souveränität zusteht. Dagegen
müsse das Gemeinwohl den Rechten einzelner, auch
denen derobersten Machthaber vorangehen.— Jeder
Abgabenpflichtige hat zu den Staatserhaltungs-
kosten in dem Maß, wie ihm der Staat Vorteil
bringe, auch beizusteuern. Die Steuerpflicht soll
nach ihm eine für Fürst und Volk gemeinsame sein.
Natürlich beruht nach Pufendorf auch das Eigen-
tum auf ttillschweigender Ubereinkunft, seine Straf-
theorie ist eine relative, Zweck der Strafe: Prä-
vention, Besserung.
Pufendorfs Befreiung des Naturrechts läßt sich
nach dieser Ubersicht leicht schätzen. Sie ist nichts
als eine Erniedrigung des einzelnen sowohl als
der Gesellschaft, des Staats, eine Verödung der
Rechtswissenschaft, wie sie eintreten muß, wenn die
Unterordnung unter die höchste Endbestimmung
des Menschen, das letzte Endziel der sittlichen
—2
Pufendorf.
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Ordnung verworfen wird. Nur hat Pufendorf
nirgends die letzten Folgerungen gezogen. — Die
rechtgläubige Theologie des Luthertums erhob
heftige Einsprache gegen Pufendorfs Lehren. so
Alberti, v. Seckendorf u. a., war aber in der
Polemik wie in der prinzipiellen Verteidigung des
christlichen Naturrechts Pufendorf nicht gewachsen.
Seine zahlreichen Repliken und Dupliken, in denen
sich Pufendorf verteidigte, hat er später zusammen-
gefaßt in der Schrift Eris Scandica, Frankf.
a. M. 1686. Die beste Kritik Pufendorfs ging
von Leibniz aus in einem Brief an den Abt
Molanus, später als Monita quaedam ad Sam.
Pufendorfii principia bezeichnet (Opera ed.
Dutens. IV 275 ff).
Bemerkenswert ist Pufendorfs Anschauung von
dem Verhältnis zwischen Kirche und Staat, weil
sie auf die kirchenrechtliche Theorie des Protestan-
tismus in Deutschland von großem Einfluß war.
Pufendorf legte sie in der 1686 veröffentlichten
Schrift De habitu religionis christianae ad
vitam civilem dar. Die Religion ist danach
älter als alle Staatengründung. Zu ihrer Aus-
übung in der Gottesverehrung bedarf es über-
haupt keiner Verbindung mehrerer. Deshalb ist
die Religion auch nicht in dem gesellschaftlichen
Vertrage mit inbegriffen, also auch nicht der Herr-
schaft unterworfen: in Glaubenssachen ist jeder
frei. Nur insofern die Frömmigkeit das Funda-
ment aller Sitte, ihre Erhaltung also auch im
Interesse des Staats notwendig erscheint einer-
seits, und anderseits insoweit die Religion einer
„äußerlichen Direktion“ bedarf, wie sich Pufen-
dorf anderswo ausdrückt, fällt die Sorge für die
Religion der Staatsgewalt zu. Aus dem ersten
Gesichtspunkt hat dieselbe die Pflicht, Atheismus,
Götzendienst u. dgl. zu bestrafen, das Recht, grobe
Mißbräuche in der Kirche abzustellen (ius refor-
mandi); aus dem zweiten fällt ihr das Kirchen-
regiment zu, während der Kirche selbst als einer
Privatversammlung nur die Lehre und Verwal-
tung der Sakramente, aber keine Jurisdiktion,
keine Prärogative der Herrschaft zukomme. Denn
es dürfe nicht zweierlei Gewalten geben: also ist
die Kirche dem Staat unterworfen. Während
also Pufendorf das Vernunftrecht von aller Autori-
tät der Kirche befreien will, soll die Kirche der aus
diesem Vernunftrecht hervorgegangenen bürger-
lichen Gesellschaft in Dienst gegeben werden. Im
„Monzambano“, wo Pufendorf hinter der Maske
sich um so freier fühlt, erklärt er es für berechtigt,
dispicere quatenus via salutis aeternae,
circa qduam sacerdotes laborant, ad rationes
nostras politicas quadret (ebd. 8, 7), und be-
lobt ebendort das Luthertum als die für die
monarchische Staatsform geeignetste Religion.
Es ist so leicht begreiflich, von welch blindem
Haß gegen die katholische Kirche und das Papst-
tum insbesondere Pufendorf erfüllt war. Der-
selbe zeigt sich im „Monzambano“ unverhüllt
genug, noch maßloser in seiner „Einleitung zu der