Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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anwaltschaft die Eintragung in die Liste; hierbei 
sind aber nur Rechtsanwälte und Personen zu be- 
rücksichtigen, welche von einem Richter ein Zeugnis 
über gute Führung und Kenntnisse beibringen, 
sowie solche Personen, welche bereits fünf Jahre 
vorher unbeanstandet die Patentanwaltschaft aus- 
geübt haben. Von andern Personen kann der 
Kommissar einen Befähigungsnachweis verlangen. 
VI. Muster- und Warenzeichenrecht. 1. All- 
gemeines. Wenn man auf den Zweck sieht, den 
das Patentrecht verfolgt, so charakterisiert es sich 
als ein aus Gründen des Gemeinwohls einge- 
führtes gewerbliches Schutzrecht. In dasselbe Ge- 
biet gehören das Gebrauchsmusterrecht, das Ge- 
schmacksmusterrecht, das Warenzeichenrecht, das 
Schutzrecht gegen unlautern Wettbewerb und das 
Namen= und Firmenrecht. Handelt es sich aber 
um die juristische Qualifizierung der drei zuerst 
genannten Rechte, die allein hier zum Gegenstand 
einiger Bemerkungen gemacht werden sollen, so 
sind sie durchaus nicht unter dieselbe Begriffs- 
bestimmung zu bringen. Geht man auf die Grund- 
lage zurück, auf der die nachfolgend noch erörterte 
Gesetzgebung in Ansehung dieser Rechte fußt, auf 
die Reichsverfassung nämlich, so ergibt sich, daß 
hier die Theorie des geistigen Eigentums ob- 
gewaltet hat; denn der Art. 4 der Reichsverfassung 
bezeichnet als Angelegenheiten, welche der Beauf- 
sichtigung seitens des Reichs und der Gesetzgebung 
desselben unterliegen, unter Ziffer 5 die Erfin- 
dungspatente und unter Ziffer 6 den Schutz des 
geistigen Eigentums, und auf Grund dieser letzteren 
Ziffer sind das Reichsgesetz betr. das Urheberrecht 
an Mustern und Modellen vom 11. Jan. 1876 
(d. i. das Geschmacksmustergesetz) und das Marken- 
schutzgesetz vom 30. Nov. 1874, der Vorläufer des 
heutigen Warenzeichengesetzes, ergangen. Die 
Wissenschaft, einig darüber, diese Unterstellung 
unter das geistige Eigentum, wenigstens für das 
Warenzeichenrecht, zurückzuweisen, ist im übrigen 
durchaus nicht einer Meinung über die rechtliche 
Natur dieser Rechte. Was in dieser Beziehung 
oben unter 1, 2 über das Patentrecht bemerkt ist, 
läßt sich im großen und ganzen auf die bezeich- 
neten drei Schutzrechte übertragen. Wie sich aus 
den nachfolgenden Bemerkungen ergibt, steht der 
innern Verwandtschaft nach das Gebrauchsmuster 
der Erfindung am nächsten, das Geschmacksmuster 
dagegen den Werken der bildenden Kunst. Die 
juristische Konstruktion wird sich dementsprechend 
anzulehnen haben. Das Warenzeichenrecht wird 
allgemein als Persönlichkeitsrecht aufgefaßt. 
Was die geschichtliche Entwicklung der gewerb- 
lichen Schutzrechte auf Grund des erwähnten Art. 4 
der Reichsverfassung anlangt, so ist festzustellen, 
daß zunächst das Warenzeichen einen gesetzlichen 
Schutz erhielt. Schon im Mittelalter kannten die 
europäischen Staaten ein ausgebildetes Marken- 
(Zeichen-hrecht. Es war in den Zunftvorschriften, 
z. B. der Weber, Färber, Bäcker, Goldschmiede, 
enthalten und bezweckte sowohl den Schutz des 
Patentrecht. 
  
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gewerblichen Interesses des einzelnen und der 
Zunft, als auch besonders den Schutz des Publi- 
kums. Daher war auch vielfach Markenzwang 
eingeführt. Mit den Zünften verkümmerte auch 
das Markenrecht; es erhielt sich nur in einzelnen 
Gewerben, so namentlich in der Eisen= und Stahl- 
industrie. Im weiteren Verlauf der Zeit stellten 
sich die deutschen Einzelstaaten sehr verschieden zu 
der Materie. Preußen, das noch im Allg. Land- 
recht eine allgemeine Schutzbestimmung für den 
Gebrauch von Marken auf Waren besaß, hob im 
Jahr 1840 jeden Zeichenschutz auf und gewährte 
nur Namen-= und Firmenschutz. Andere Staaten 
folgten ihm. Eine weitere Gruppe von Staaten 
gewährtenurstrafrechtlichen Schutz, und nur Bayern 
allein gab sich eingehendere Bestimmungen (1840 
und 1862). Nach Errichtung des Deutschen Reichs 
wurde denn das Gesetz über den Markenschutz vom 
30. Nov. 1874 erlassen. Das Gesetz genügte aber 
nicht dem wachgewordenen Bedürfnis. Es ge- 
währte nur denjenigen Gewerbetreibenden, deren 
Firmen im Handelsregister eingetragen waren, 
und nicht für Wertzeichen Schutz. Der Schutz 
wurde ohne Prüfung erteilt und der Überblick Uüber 
die eingetragenen Zeichen war schwierig, die Kol- 
lision daher häufig. Aber erst nach 20 Jahren 
erfolgte durch Erlaß des jetzt noch geltenden Ge- 
setzes vom 12. Mai 1894 die erwünschte Reform. 
Dem Markenschutzgesetzfolgte unter dem 11. Jan. 
1876 das Gesetz betr. das Urheberrecht an Mustern 
und Modellen (Geschmacksmustergesetz). Hier läßt 
sich ein Schutz bis ins Mittelalter nicht verfolgen, 
vollends nicht in Deutschland, wo der Schutz, 
offenbar aus merkantilistischen Anschauungen her- 
aus, mit der Privilegierung einzelner Gewerbe, 
dem Verbot, konkurrierende Erzeugnisse aus dem 
Ausland einzuführen und Muster an Fremde ab- 
zugeben, erst im 18. Jahrh. beginnt. Der Schutz 
sollte also nur dem Ausland gegenüber wirken. 
Inländern gegenüber gab es, von den links- 
rheinischen Gebieten, in denen das französische 
Gesetz von 1806 in Geltung geblieben war, vor 
dem Erlaß des bezeichneten Reichsgesetzes keinen 
Muster= und Modellschutz, ja noch 1858 sprach 
sich die preußische Regierung in einem an die Zoll- 
vereinsstaaten gerichteten Rundschreiben gegen die 
Einführung eines solchen aus. 
Bald nach dem Erlaß des Geschmacksmuster- 
gesetzes wurde das Patentwesen geregelt, worüber 
oben unter I, 3 und 4 des näheren berichtet ist. 
Zuletzt erging das Gesetz betr. den Säh von 
Gebrauchsmustern vom 1. Juni 1891. Einen 
besondern Schutz für solche Muster gab es früher 
überhaupt nicht; er wurde für überflüssig erachtet, 
weil er sich vermeintlich aus dem Schutz der Er- 
findungen einerseits und dem der Geschmacks- 
muster anderseits von selbst ergab. Allein einmal 
versagte die Patentpraxis allmählich den kleinen 
gewerblichen Neuerungen, soweit sie nicht originale 
technische Schöpfungen waren, sondern nur neue 
technische Konstruktionen enthielten, den Patent-
	        
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