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Die Beschwerde vertritt für die Fälle, für die
sie zugelassen ist, die Berufung, daher können die
Parteien bei ihr neue Tatsachen unbeschränkt vor-
bringen. Die Einlegung erfolgt schriftlich bei dem
Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird; in
amtsgerichtlichen Sachen kann sie zu Protokoll er-
klärt werden. Die Entscheidung kann ohne münd-
liche Verhandlung durch Beschluß ergehen. Die
Beschwerde ist regelmäßig an eine bestimmte Frist
nicht gebunden; wo sie von dem Gesetz als so-
fortige bezeichnet ist, muß sie binnen zwei Wochen
eingelegt sein. Bei der einfachen Beschwerde kann
das Beschwerdegericht derselben durch Abänderung
seines Beschlusses stattgeben. Gegen die auf er-
hobene Beschwerde ergangene Entscheidung ist eine
weitere Beschwerde an das Oberlandesgericht nur
zulässig, wenn ein neuer, selbständiger Beschwerde-
grund durch die Entscheidung gegeben, der Be-
schwerdeführer also durch diese schlechter gestellt ist
wie durch den ersten Beschluß. In Kostensachen
ist überdies die weitere Beschwerde von einer
Summe abhängig.
Die Rechtskraft des Urteils heilt die Mängel
des Verfahrens und der Rechtsprechung; nur in
einzelnen Fällen kann das rechtskräftige Urteil
durch Wiederaufnahme des Verfahrens im Weg
einer neuen Klage beseitigt werden, wenn entweder
das Urteil an bestimmten schweren Mängeln leidet,
besonders wenn das Gericht nicht vorschriftsmäßig
besetzt oder die Partei unberufen vertreten war,
Nichtigkeitsklage, oder wenn sich die Unrichtigkeit
der Urteilsgrundlage durch den Nachweis einer sie
verursachenden strafbaren Handlung oder durch die
Auffindung neuer Urkunden oder Urteile ergibt,
Restitutionsklage. Die Klage ist bei dem Gericht
zu erheben, dessen Urteil angefochten wird; die
Erhebung hat binnen Monatfrist seit der er-
langten Kenntnis von dem Anfechtungsgrund zu
erfolgen. Während in Osterreich die Wiederauf-
nahmsklage auch gegen noch nicht rechtskräftige
Urteile zugelassen ist, setzt die deutsche Restitutions-
klage die eingetretene Rechtskraft des Urteils voraus.
Im Konkursverfahren, in Grundbuchsachen und
in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
ist als einziges Rechtsmittel die Beschwerde und
die weitere Beschwerde gegeben. Die Entschei-
dungen des Konkursgerichts sind nur mit der so-
fortigen Beschwerde und nur anfechtbar, wo nicht
die Unanfechtbarkeit besonders bestimmt ist. Da-
bei sind beschwerdefähige Entscheidungen nur die-
jenigen Beschlüsse des Konkursgerichts, durch
welche über einen von einem Antragsteller er-
hobenen Anspruch entschieden wird, also niemals
ein Beschluß, den das Konkursgericht nicht er-
lassen muß, dessen Erlassung vielmehr ihm durch
das Gesetz freigestellt ist. Bei den in Angelegen-
heiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und in
Grundbuchsachen ergangenen Entscheidungen ist
der Kreis der zur Einlegung einer Beschwerde be-
rechtigten Personen auf alle erstreckt, deren Recht,
wenn auch nur mittelbar, durch die Verfügung be-
Rechtsmittel.
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einträchtigt wird, in Vormundschaftssachen sogar
auf alle Personenkreise, die ein Interesse an der
Abänderung der Verfügung haben, wie Verwandte
des Mündels und mit Bezug auf dessen persön-
liche Verhältnisse sein Pfarrer, sein Gemeinde-
waisenrat. Die Beschwerde ist an keine Frist ge-
bunden und hat bis zur Abgabe an das Beschwerde-
gericht keinen Devolutiveffekt, kann also von dem
Untergericht, wenn sie bei ihm eingelegt ist, bis
dahin abgeändert werden. Ebenso ist ihr regel-
mäßig der Suspensiveffekt versagt. Das Be-
schwerdegericht muß wegen der Zulässigkeit der
devolutiv wirkenden weiteren Beschwerde seine Ent-
scheidung mit Gründen versehen. Die weitere Be-
schwerde geht an die Oberlandesgerichte und setzt
Gesetzesverletzung, nicht aber einen neuen selb-
ständigen Beschwerdegrund voraus. Zur Wahrung
der Rechtseinheit hat ein Oberlandesgericht,
welches auf eine weitere Beschwerde in Angelegen-
heiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und in
Grundbuchsachen von der bekannt gewordenen
Entscheidung eines andern Oberlandesgerichts ab-
weichen will, die weitere Beschwerde an das Reichs-
gericht zur Entscheidung abzugeben. Für An-
gelegenheiten, in denen das Interesse der Betei-
ligten verlangt, daß das Rechtsverhältnis möglichst
bald eine feste Grundlage erhalte, ist die Be-
schwerde an eine Einlegungsfrist von zwei Wochen
geknüpft, sofortige Beschwerde; diese hat Devolu-
tiv= und Suspensiveffekt. Die auf eine Beschwerde
ergangene Entscheidung wird regelmäßig mit der
Bekanntmachung wirksam.
3. Die Rechtsmittel im Strafprozeß hat
der Reichsstrafprozeß im wesentlichen ähnlich kon-
struiert wie die Zivilprozeßordnung. Gegen Ur-
teile sind die Berufung und Revision als ordent-
liche Rechtsmittel (Einlegungsfrist eine Woche)
und als außerordentlicher Rechtsbehelf die Wieder-
aufnahme des Verfahrens (analog der Nichtig-
keits= und Restitutionsklage der Zivilprozeßord-
nung) gegeben. Außerdem gilt die einfache und
sofortige Beschwerde als Rechtsmittel. Gegen
Versäumnisse ist auch hier die Wiedereinsetzung
möglich. Die Symmetrie zwischen Zivilprozeß-
ordnung und Strafprozeßordnung erleidet zurzeit
insofern eine tiefgehende Beeinträchtigung, als
die Berufung nur gegen schöffengerichtliche Ur-
teile (also bei den geringfügigsten Delikten) zu-
gelassen wurde, während die Urteile der Straf-
kammern und der Schwurgerichte sowie des Reichs-
gerichts (also erste und letzte Instanz für schwere
politische Verbrechen) jeder Anfechtung hinsichtlich
der Beweisfrage (Schuldfrage) entzogen sind. Die
Revision kann nur auf irrige Gesetzesanwendung
gestützt werden; hierher gehört es insbesondere,
wenn das Gericht seine Überzeugung auf unstatt-
hafte Beweiserhebungen gründet, oder wenn es
den als erwiesen angenommenen Tatbestand rechts-
irrtümlich subsumiert, d. h. eine unzutreffende
Strafgesetzesbestimmung anwendet. Der mit der
Revision angefochtene Punkt muß in der Revisions-