Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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rungshandlungen des Regenten sind Regierungs- 
handlungen des Monarchen. Der Herrscher steht, 
zur Selbstregierung gelangt, denselben so gegen- 
über, wie wenn er selbst sie vorgenommen hätte. 
Die Stellung des Regenten ist dem Willen des 
Herrschers gegenüber eine selbständige; sie beruht 
stets auf Gesetz, sei es auf Verfassungsrecht, sei es 
auf dem vom Vorgänger erlassenen Sondergesetz. 
Die Stellung des Regenten ist nun besonders in 
Bezug auf die Verantwortlichkeitsfrage 
viel umstritten. Wir haben bereits bemerkt, daß 
die Beurteilung dieser Frage von der Rechtsstel- 
lung des Regenten abhängig ist und haben dort 
diese Stellung als Ausübung der Staatsgewalt 
für den regierungsbehinderten Herrscher bezeichnet, 
wobei der Regent Untertan bleibe. Nun erklären 
die einen Staatsrechtslehrer und -schriftsteller den 
Regenten überhaupt für unverantwortlich, und 
zwar politisch wie strafrechtlich, so v. Kirchen- 
heim (Die Regentschaft /1880) 105). Pieper 
(Die Unverantwortlichkeit des Regenten, 1901) 
erklärt den Regenten für alle Handlungen als 
unverantwortlich auch nach Ablauf der Regent- 
schaft in dem Sinn, daß die Tatsache, daß der 
Regent dann zwar wieder Untertan sei, doch nicht 
rückwärts wirke. Graßmann (Das Recht der 
Regentschaft in Preußen u. im Deutschen Reich, 
im Archiv für öffentl. Recht VI (1891) 524 ff) 
stellt politisch wie strafrechtlich den Regenten dem 
Monarchen gleich. Zum gleichen Schluß kommen 
Hancke (Regentschaft u. Stellvertretung des Lan- 
desherrn nach deutschem Staatsrecht /18877 55) 
und Peters (Regentschaft u. Regierungsstellvertre- 
tung der deutschen Landesherren (18891 58 ff). — 
Auf der andern Seite sprechen sich eine Reihe von 
Schriftstellern prinzipiell für die Verantwortlich- 
keit des Regenten aus, und zwar hält G. Meyer 
(Deutsches Staatsrecht 252) eine Verantwortlich- 
keit des Regenten in Regierungsangelegenheiten 
für ausgeschlossen; wegen privat begangener Ver- 
brechen könne eine Anklage gegen ihn erst nach 
Ablauf der Regentschaft erhoben werden. Den- 
selben Standpunkt vertritt v. Sarwey (Das Staats- 
recht des Königr. Württemberg 1 [1883) 366). 
M. v. Seydel (Bayr. Staatsr. 1 491) hält eine Ver- 
antwortlichkeit des Regenten grundsätzlich für mög- 
lich, indes könne eine öffentlich-rechtliche Verant- 
wortung für Regentenhandlungen, abgesehen von 
der strafrechtlichen Verantwortung, nicht geltend 
gemacht werden; denn der Regent ist nicht Staats- 
beamter, unterliegt also nicht dem Beamten- 
disziplinarrecht noch den Bestimmungen über 
Ministerverantwortlichkeit, und andere Bestim- 
mungen sind nicht aufgestellt. H. v. Frisch (Die 
Verantwortlichkeit der Monarchen und höchsten 
Magistrate, 1904) faßt das Ergebnis seiner 
Untersuchungen über dieses Kapitel dahin zu- 
sammen: der Regent repräsentiert den Monarchen, 
sein Wille ist als Monarchenwille anzusehen (Jel- 
linek, System der subjektiven öffentl. Rechte 146). 
Durch die Ministerverantwortlichkeit ist die Mög- 
Regentschaft. 
  
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lichkeit gegeben, schon während der Regentschaft 
gesetzwidrige Regierungshandlungen zu ahnden; 
weitere Maßregeln sind sinnlos, dagegen besteht 
die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Regenten, 
die aber erst nach Ablauf der Regentschaft geltend 
gemacht werden kann. Die Verfassungen der 
meisten deutschen Staaten enthalten über diese 
Materie keine Bestimmungen. Nur die von 
Sachsen-Coburg-Gotha sagt in § 21 ausdrücklich: 
„Die Person des Herzogs ist unverletzlich; für 
seine Regierungshandlungen ist er keiner äußern 
Verantwortung im Land unterworfen. Dieselben 
Bestimmungen gelten in Beziehung auf Regie- 
rungsverweser.“ Üüber strafrechtliche Verantwor- 
tung ist nichts gesagt. — Den Umfang der 
sachlichen Befugnisse des Regenten 
regeln die verschiedenen Verfassungen verschieden. 
Im allgemeinen gelten für die Ausübung der 
Regierungsgewalt durch den Regenten selbstver- 
ständlich dieselben Schranken wie für den Mon- 
archen. In Preußen hat die Verfassung keine 
weiteren Schranken gezogen. So sind also hier 
während der Regentschaft selbst Verfassungsände- 
rungen nicht ausgeschlossen (so v. Rönne a. a. O. 
239). In Bayern legt dagegen die Verfassungs- 
urkunde Tit. II, § 18 dem Regenten mehrere Be- 
schränkungen seiner Regierungsbefugnisse auf. 
v. Seydel beantwortet die Frage, ob es während 
der Regentschaft möglich ist, die Verfassung selbst 
zu ändern und damit diese Beschränkungen zu be- 
seitigen, in bejahendem Sinn, da die Staats- 
gewalt doch zu keiner Zeit der Möglichkeit beraubt 
sein dürfe, im Interesse des Staats das bestehende 
Recht zu ändern. Die bayrische Verfassung be- 
stimmt des weiteren, daß während der Reichs- 
verwesung alle erledigten Amter, mit Ausnahme 
der Justizstellen, nur provisorisch besetzt werden 
können; daß ferner weder Krongüter vom Regenten 
veräußert noch heimgefallene Lehen verliehen noch 
neue Amter eingeführt werden dürfen. Indes hat 
das Gesetz vom 27. Okt. 1887 auch diese Be- 
schränkungen modifiziert.— Der Regent muß ferner 
in allen wichtigen Regierungsangelegenheiten das 
Gutachten des Regentschaftsrat einholen. 
Regentschaftsrat ist das Gesamtministerium. Eben- 
so steht in Sachsen dem Regenten ein Regent- 
schaftsrat, der vom Gesamtministerium gebildet 
wird, zur Seite. Der Regent ist verpflichtet, 
dessen Gutachten in allen wichtigen Angelegen- 
heiten einzuholen. Verfassungändernde Ge- 
setze kann der Regierungsverweser nur erlassen auf 
ständische Initiative; ferner ist zuvor der Fa- 
milienrat des königlichen Hauses zu berufen und 
dessen Zustimmung einzuholen. Die gleiche Be- 
dingung stellt auch die oldenburgische Ver- 
sassung auf. Ebenso ist in Württemberg der 
Regenk oder Reichsverweser in einigen Beziehungen 
beschränkt: So gilt jede während einer Reichs- 
verwesung verabschiedete Abänderung eines Ver- 
fassungspunktes nur auf die Dauer der Regent- 
schaft; ferner kann der Regent keine Standes- 
 
	        
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