Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

471 
Regierung — Reichensperger, August. 
472 
erhöhungen vornehmen usw. Ahnliche Beschrän= vertretung des vorübergehend an der Regierung 
kungen wie die oben mitgeteilten sehen die Ver= verhinderten Fürsten, in Deutsche Vierteljahrs- 
fassungen einiger deutscher Kleinstaaten vor, so ist schrift (1864) 2. Hft, 2. Abt.; Oppenheim, Staats- 
in Schwarzburg-Sondershausen eine 
Anderung der Verfassung während der Regent- 
schaft ausgeschlossen. 
Die persönlichen Ehrenrechte des Lan- 
desherrn kommen dem Regenten oder Reichs- 
verweser nicht zu (was sich im Hofzeremoniell 
nicht selten peinlich bemerkbar macht). Der Regent 
hat als solcher Anspruch auf Wohnung in der 
Residenz des Monarchen und das Recht der Hof- 
haltung, deren Kosten aus der Zivilliste des Mon- 
archen bestritten werden. — Den besondern straf- 
Regent nicht. Seine Person ist nicht „heilig und 
unverletzlich“; es gibt keinen Hochverrat gegen den 
Regenten. Das Reichsstrafgesetzbuch setzt hier in 
den §§ 96, 97, 100 und 101 den Regenten den 
Mitgliedern des landesherrlichen Hauses gleich. 
— Da der Regent zugleich Haupt der lan- 
desherrlichen Familie an Stelle des be- 
hinderten Landesherrn ist, so steht ihm als solchem 
die Hausgewalt zu, wie sie dem Monarchen 
zustände. Im einzelnen weichen die Hausgesetze 
bzw. die Bestimmungen der Verfassungen der ein- 
zelnen Staaten in Bezug auf Erziehung und Vor- 
mundschaft des minderjährigen Landesherrn von- 
einander ab, insofern hier Zuständigkeiten der 
Mutter oder väterlichen Großmutter und eine be- 
schließende Mitwirkung des Regentschaftsrats in 
Betracht kommen. 
An dieser Stelle ist auch das merkwürdige In- 
stitut der Mitregentschaft zu berühren. Es 
ist in keiner Verfassung erwähnt, aber praktisch 
schon in Tätigkeit gewesen, so in Sachsen, wo 
König Anton unterm 13. Sept. 1830 seinen 
Neffen Friedrich August zum Mitregenten er- 
nannte. Ein Recht auf Mitregentschaft besteht 
nicht, vielmehr ist dies nur eine Form, die der 
König sich selbst auferlegte, an die er aber in keiner 
Weise rechtlich gebunden war. Er konnte jeden 
Augenblick sich wieder davon lossagen und allein 
verfügen. Eine dauernde Ubertragung der Mit- 
regentschaft ist nach den meisten Verfassungen bzw. 
den Bestimmungen über die Erbfolge ausgeschlossen. 
Einzelne Verfassungen außerdeutscher 
Staaten kennen das Institut der Regentschaft 
nicht, so Osterreich und Ungarn; die habs- 
burgischen Hausgesetze vom 3. Febr. 1839 sind 
nicht publiziert, so herrscht in beiden Reichen Un- 
klarheit über die Regentschaft und Regierungs- 
stellvertretung. In England wird die Regent- 
schaft jeweils von Fall zu Fall durch ein Gesetz, 
die Regentschaftsakte, geregelt. 
Literatur. Siehe die von mir am Schluß des Art. 
„Notrecht“ (Bd III, Sp. 1390 f) angeführten Hand- 
u. Lehrbücher des deutschen Staatsrechts u. des 
Staatsrechts der deutschen Einzelstaaten wie auch 
des Staatsrechts außerdeutscher Staaten. — Einzel- 
  
rechtliche Betrachtungen über Regierungsfähigkeit 
u. N., in Konstitutionelle Jahrbücher, hrsg. von 
K. Weil II (1843); v. Kirchenheim, Die R. (1880); 
Hancke, R. u. Stellvertretung des Landesherrn nach 
deutschem Staatsrecht (1887); Dieckmann, Die R. 
u. Stellvertretung des Monarchen im deutschen 
Staatsrecht (1888); Peters, Die N. u. Regierungs- 
stellvertretung der deutschen Landesherren (1889); 
Graßmann, Das Recht der R. in Preußen u. im 
Deutschen Reich, in Archiv für öffentliches Recht 
VI (1891) 524 ff; Triepel, Das Interregnum 
(1892); Stölzle, Die rechtliche Verantwortlichkeit 
des Regenten u. Regierungsstellvertreters ch 
rechtlichen Schutz des Herrschers genießt der egikrunge! reters nach 
deutschem Staatsrecht (1894); Stange, Beiträge 
zur Lehre von der R. u. Regierungsstellvertretung 
nach preuß. Staatsrecht (1895); Zeunert, R. u. 
Vertretung des Staatsoberhaupts, in Annalen des 
Deutschen Reichs (1900); Baerensprung, Die Un- 
verantwortlichkeit des Regenten (1901); Pieper, 
Die Unverantwortlichkeit des Regenten (RNost. 
Jurist. Dissert., 1900); v. Frisch, Die Verantwort- 
lichkeit der Monarchen u. höchsten Magistrate 
(1904); Rehm, Modernes Fürstenrecht (1904). 
[E. Baumgartner.] 
Regierung s. Staat, Staatsverwaltung. 
Regierungsnachfolge s. Thronfolge. 
Registratur s. Archiv. 
Rehabilitation s. Staatsbürgerrecht. 
Reichensperger, August, Appellations- 
gerichtsrat, Parlamentarier und Schriststeller. 
II. Lehr= und Wanderjahre; II. Sinnesände- 
rung; öffentliches Wirken bis zum Jahr 1870; 
III. des Greisen Arbeit; IV. Schluß.) 
I. August Reichensperger wurde (der zweite 
unter vier Geschwistern) am 22. März 1808 zu 
Koblenz als Sohn des Generalfekretärs an der 
Präfektur des Rhein= und Moseldepartements, 
Franz Joseph Reichensperger, und der Margarete 
Knoodt geboren. Nach dem frühzeitigen Tod des 
Vaters siedelte die Mutter zu ihren Eltern nach 
Boppard über, wo sie die Erziehung der Kinder 
leitete. 1823 kam August von dem Bopparder 
Gymnasium auf dasjenige zu Köln. Hier er- 
wachte sein Interesse für den Dom und die Ro- 
mantik; doch vernachlässigte er die Studien derart, 
daß Pastor Ditges seiner Mutter schrieb, „sie solle 
ihn holen und zu einem Handwerker bringen, es 
würde doch nichts aus ihm“. Nach Beendigung 
der nunmehr auf dem Gymnasium zu Bonn fort- 
gesetzten Studien im Frühjahr 1827 besuchte er 
zunächst die dortige Hochschule, wo er, wie dem- 
nächst in Heidelberg und Berlin, der Rechtswissen- 
chaft oblag. Daneben beschäftigte er sich stark 
mit Literatur (Jean Paul, Byron usw.), auch trat 
seine Vorliebe für kunstgeschichtliche Wanderungen 
bald hervor (Schweiz, München). Religiös gleich- 
gültig, trug er von einem Duell zu Bonn eine 
— 
schwere Schulterwunde davon; doch bewahrte ihn 
ein reiner Sinn, wie zeitlebens, so während der 
darstellungen über R.: v. Mittnacht, über Stell- 1 Studienjahre vor sittlichen Verirrungen. Eine
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.