Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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sächsischen Gemeinden reformierter Konfession 
(Braunschweig usw.). 
Die Verfassung der evangelischen Kirche 
enthält drei Elemente: das geistliche Amt, die Ge- 
meinden und Synoden, die Organisation des 
Kirchenregiments. 
Die Fundamentallehre Luthers ist die Lehre 
von der Rechtfertigung durch den Glauben allein. 
Jeder Christ ist durch seinen schriftmäßigen Gleau- 
ben berufen selig zu werden, ohne irgend eine an- 
dere Vermittlung. Damit ist das besondere 
Priestertum beseitigt. Der geistliche Stand in der 
evangelischen Kirche ist daher ein Berufsstand wie 
alle andern. Der status ecclesiasticus ist vom 
status cdeconomicus wesentlich nicht geschie- 
den. Das geistliche Amt ist ein Gemeindeamt, 
dessen Ubertragung an die theologische Ausbildung 
und sittliche Würdigkeit geknüpft ist. Das geist- 
liche Amt wird in der Regel in Verbindung mit 
der Ordination übertragen. Diese ist ein Rechts- 
akt in gottesdienstlicher Form, durch welchen der 
Ordinierte feierlich seitens der Kirche für berechtigt 
erklärt wird, in einem bestimmten Sprengel Wort 
und Sakrament zu verwalten. Solange der evan- 
gelische Geistliche in seinem Amt steht, ist er im 
„Bekenntnis“ nicht frei, er ist rechtlich an das 
„Bekenntnis“ der Kirche, die ihn ordiniert hat, 
gebunden nach Art eines Dienstvertrags. Nach 
§ 1 des preußischen Irrlehrengesetzes („Kirchen- 
gesetz betr. das Verfahren bei Beanstandung der 
Lehre von Geistlichen“, angenommen von der Ge- 
neralsynode am 11. Nov. 1909) findet „wegen 
Irrlehre eines Geistlichen fortan ein diszipli- 
narisches Einschreiten nicht statt“. Damit ist 
der förmliche Bruch mit der kanonischen Auffas- 
sung vollzogen. Ein besonderes, aus 13 Mit- 
gliedern bestehendes Spruchkollegium (8§ 29) er- 
klärt nach seiner freien Uberzeugung für festgestellt 
oder für nicht festgestellt, „daß eine weitere Wirk- 
samkeit des Geistlichen innerhalb der Landeskirche 
mit der Stellung, die er in seiner Lehre zum Be- 
kenntnis der Kirche einnimmt, unvereinbar ist" 
(11). Der auf Feststellung lautende Spruch 
bewirkt die Erledigung des Amts und den Weg- 
fall der Rechte des geistlichen Stands (§ 14). 
Das zweite Element evangelischer Kirchen- 
verfassung bilden die Gemeinden und Syn- 
oden. Die Lehre Luthers vom allgemeinen 
Priestertum ist in den lutherischen Territorien 
erst im Kollegialsystem verfassungsrechtlich auf- 
gelebt. Die Gemeinde (Parochie) hat die kirch- 
liche Selbstverwaltung. Diese wird unter Vorsitz 
eines Pfarrers ausgeübt in enger (Gemeinde- 
kirchenrat) oder weiter (Gemeindevertretung) or- 
ganisierten, aus freier Wahl der Gemeindeglieder 
hervorgegangenen Körperschaften. Diese Lokal- 
gemeinden bilden die Basis für die Synoden, in 
denen sich die repräsentative Gliederung der evan- 
gelischen Kirche abschließt. Sie stellen eine Mi- 
schung des status ecclesiasticus und oecono- 
micus dar. Am folgerichtigsten ist der Bau des 
Religionsgesellschaften. (Die christlichen Religionsgesellschaften.) 
  
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synodalen Organismus in der Landeskirche der 
neun älteren Provinzen Preußens durchgeführt. 
Hier gibt es Kreis--, Provinzial- und General- 
synoden. Erstere umschließt die Pfarreien eines 
Kreises (Diözese, Ephorie); ihr Vorsitzender ist 
der Superintendent. Die Provinzialsynode ist eine 
rein preußische Einrichtung und faßt die Kreis- 
synoden einer Provinz zusammen. Die General- 
synode ist die Repräsentation der gesamten Landes- 
kirche. Der Landesherr ist bei der kirchlichen Lan- 
desgesetzgebung in konstitutioneller Weise an die 
Mitwirkung der Generalsynode gebunden. Die 
neueren preußischen Provinzen sind dem General- 
synodalverband nicht eingegliedert. Vgl. Preuß. 
Kirchengesetz vom 5. Jan. 1908 und General- 
synodalordnung vom 20. Jan. 1876. 
Was endlich die Organisation des Kirchen- 
regiments betrifft, so ist nach dem Ergebnis der 
geschichtlichen Entwicklung in den deutschen mon- 
archischen Staaten der Landesherr der Träger der 
Kirchengewalt, die aber der in ihm begrifflich 
ruhenden Staatsgewalt bloß historisch angewachsen 
ist. Daher unterliegen die landesherrlichen Akte 
auf kirchenregimentlichem Gebiet nicht den staats- 
rechtlichen Regeln, bedürfen z. B. nicht der mini- 
steriellen Gegenzeichnung. Aus der Zubehörnatur 
der Kirchengewalt folgt ferner, daß Erwerb und 
Verlust derselben sich bedingungslos nach Erwerb 
und Verlust der Staatsgewalt richtet. Soweit der 
Landesherr bei Ausübung des Kirchenregiments 
nicht an die Mitwirkung der Generalsynode ge- 
bunden ist, unterscheidet man jura reservata und 
iura vicaria. Letztere werden an seiner Statt 
durch ständige Kirchenregimentsbehörden aus- 
geübt (Konsistorien und Superintendenten). Erstere 
hat sich der Landesherr persönlich vorbehalten 
(3. B. Besetzung der obersten kirchenregimentlichen 
Amter). Bei den iura reservata spielt die Kon- 
fession des Landesherrn eine Rolle. Auch der 
katholische Landesherr ist Lummus Episcopus 
der Protestanten, aber die Ausübung des Kirchen- 
regiments in persona ist suspendiert. Besondere 
Instanzen üben diese iura aus. So in Sachsen 
die „in evangelicis beauftragten Minister“, in 
Bayern das Oberkonsistorium in München (§ 1 
Protest. Edikt vom 26. Mai 1818). In Preußen 
wurde nach Überwindung des Territorialsystems 
und Rezeption des Kollegialsystems die Ausübung 
der jura reservata des Summus Episcopus 
1850 einer besondern Behörde übertragen, dem 
„Evangelischen Oberkirchenrat“. Er ist die höchste 
kirchenregimentliche Behörde in Preußen, un- 
mittelbar dem König unterstellt und unabhängig 
vom Kultusminister. Dieser repräsentiert gegen- 
wärtig nicht viel mehr als die staatliche Aufsichts- 
behörde zur Ausübung der staatlichen Kirchen- 
hoheit. Vgl. Preuß. Gesetz betr. Kirchenverfassung 
vom 3. Juni 1876. 
V. Sekten des Protestantismus. a) Begriff. 
Secta von sequi bedeutet in der klassischen La- 
tinität die Denk= und Handlungsweise, dann 
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