Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Mag man sich nun zu der Patrimonialtheorie 
als solcher stellen, wie man will, zu leugnen ist 
nicht, daß die ihr zugrunde liegenden Ideen im 
deutschen Staats= und Verfassungsleben jahr- 
hundertelang in praktischer Ubung waren. Der 
Lehns= wie der absolutistische Dynastenstaat waren 
echte Repräsentanten des patrimonialen Prinzips. 
Daß der Patrimonialstaat den Anforderungen 
entfernt nicht entsprach, die berechtigterweise an 
ein Staatswesen gestellt werden können und 
müssen, bedarf keiner näheren Erörterung; dafür 
waren seiner Schwächen zu viele. Dahin gehört 
vor allem, daß er sich der eigentlichen Kulturauf- 
gaben nicht oder zu wenig annahm, diese vielmehr 
andern Verbänden überließ, so z. B. den In- 
nungen, den Markgenossenschaften, der Kirche, 
bzw. durch Auferlegung besonderer Lasten zustande 
zu bringen suchte. Das hing in der Hauptsache 
mit der mangelhaften Ausbildung des Finanz- 
wesens zusammen. Eine Staatswirtschaft gab es 
überhaupt nicht, wie ihm auch ein eigentliches 
Staatsgut unbekannt war; der Fiskus im heu- 
tigen Sinn war Vermögen des Landesherrn. 
Alle Einkünfte waren Patrimonium des letzteren. 
Dafür trugen denn auch die Ausgaben über- 
wiegend privaten Charakter, auch soweit sie zu 
allgemeinen nützlichen Staatszwecken geleistet wur- 
den. Aber wenngleich ihm starke Unvollkommen= 
heiten anhafteten, ist es darum gerechtfertigt, zu 
sagen, daß man sich „mit Abscheu“ von ihm ab- 
wenden müsse? Ist denn unsere moderne Staats- 
ordnung so vollkommen oder nicht ebenfalls stän- 
diger Fortentwicklung bedürftig? Selbst die hef- 
tigsten Gegner des Patrimonialstaates müssen 
eingestehen, daß er einer gegen früher fort- 
geschrittenen Kulturentwicklung entsprach und 
wenigstens der Rechtspflege ausgezeichnete Auf- 
merksamkeit zugewendet hat. Er ist aber auch mehr 
als der bloße geschichtliche Vorgänger unseres 
konstitutionellen Staatswesens; ist doch das patri- 
moniale Prinzip auf die Bildung und Ausgestal- 
tung des letzteren von unverkennbarem Einfluß 
gewesen und in manchen konstitutionellen Vor- 
stellungen und Lehren auch heute noch wirksam, 
wie dies die Erörterungen in dem Art. Konstitu- 
tionalismus unter II, 2 deutlich erweisen. 
Literatur. Außer den bereits zu dem Art. 
„Konstitutionalismus“ namhaft gemachten Werken 
von Bluntschli, Gierke, Gumplowitz, Jellinek, 
Mohl, Rehm u. Schmidt, sei hier noch besonders 
auf Maurenbrecher, Die deutschen regierenden 
Fürsten u. die Souveränität (1839), K. S. Za- 
chariä, Geist der deutschen Territorial-Verfassung 
(1800); Epplen, über das Prinzip der deutschen 
Territoriol-Verfassung (1803; Widerlegung der 
Zachariäschen Schrift), u. Preuß, Gemeinde, Staat, 
Reich als Gebietskörperschaften (1889) hingewiesen. 
Wellstein.) 
Patronage. 1. Begriff. Das Wort 
Patronage wird in einem vieldeutigen Sinn ge- 
braucht. Ursprünglich bedeutet es eine Art Für- 
sorgeverhältnis des Arbeitgebers gegenüber seinen 
Patronage. 
  
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Arbeitern. Es ist eine Umbildung des ehemaligen 
Patriarchalverhältnisses zwischen Meister und Ge- 
sellen und eine modifizierte Ubertragung des dem- 
selben zugrunde liegenden Gedankens vom Hand- 
werk auf das industrielle Arbeitsverhältnis. Diesem 
Grundgedanken entsprechend ist mit der kontrakt- 
lich festgestellten Leistung der Arbeit und der Zah- 
lung von Lohn das sittliche Verhältnis zwischen 
den beiden Kontrahenten keineswegs erschöpft, viel- 
mehr obliegen darüber hinaus dem Arbeitgeber 
gewisse Pflichten der Fürsorge für diejenigen, die 
in seinen Diensten stehen. Die mannigfachen 
Arten, auf denen sich der Arbeitgeber um das 
Wohl seiner Arbeiter und ihrer Angehörigen an- 
nimmt, gehören zur Patronage in diesem Sinn; 
insbesondere fallen darunter die verschiedenen 
Wohlfahrtseinrichtungen, mittels deren 
die Humanität oder Nächstenliebe mancher Arbeit- 
geber den verschiedenartigsten Bedürfnissen ihrer 
Leute entgegenkommt. 
In solchem Sinn spricht z. B. Périn (Über 
den Reichtum in der christlichen Gesellschaft 1, 
376 ff) von dem „Patronatder höheren 
Klassen“, insbesondere dem „Patronat der 
Arbeitsherren“, welches den Arbeiterasso- 
ziationen als Ergänzung dienen soll. Es ist das 
aus christlicher Liebe fließende Wohlwollen 
des Unternehmers gegenüber den Arbeitern. Périn 
versteht unter dem Patronat die dauernde Hilfe, 
welche die an Reichtum und Intelligenz über- 
legenen Klassen den unteren Schichten in ideeller 
und materieller Beziehung angedeihen lassen 
(a. a. O. 385). In diesem Sinn wird es als 
eine unerläßliche Notwendigkeit im sozialen Leben 
hingestellt (S. 387 ff). Als ein sittliches Ver- 
hältnis muß das Patronat vor allem ein perfön- 
liches sein und unmittelbar Arbeitgeber und Ar- 
beiter miteinander verknüpfen. In diesem Sinn 
sagt H. Pesch (Lohnvertrag und gerechter Lohn, in 
„Stimmen aus Maria-Laach“ LII11897]142): 
„Die französische und belgische Sozialpolitik be- 
dient sich zur Bezeichnung dieser über die Tore 
der Fabrik hinausreichenden Fürsorge des Aus- 
drucks „Patronage#. In Ausübung derselben 
wird der Patron den Arbeitern helfen, billige und 
gesunde Wohnung und Nahrung zu finden; er 
wird den Sparsinn der Arbeiter fördern durch 
Organisation und Unterstützung mannigfacher 
Kassen, die Möglichkeit einer guten Kinderer- 
ziehung erweitern, in Not und Gefahr seinen 
Arbeitern die helfende Hand reichen.“ 
In einem etwas andern Sinn ist Patronage 
die Schutzfürsorge, welche die christliche 
Charitas denjenigen angedeihen läßt, welche in 
Gefahr sind, in materielles oder sittliches Elend 
zu versinken, insbesondere die Schutzfürsorge für 
Waisen, verlassene Kinder usw. So verstanden 
gehört die Patronage zur Armenpflege, und 
zwar zur organisierten freien christlichen Liebes- 
tätigkeit. Ratzinger (Volkswirtschaft? 486) 
sagt von der Antwerpener Armenpflege: „Patro-
	        
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