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wurde, mit Stumpf und Stiel auszurotten. An
diesem religiösen Grundgesetz hat der chinesische
Staat durch alle Jahrhunderte festgehalten, seit-
dem er sich mit der konfuzianischen Staatslehre
identifiziert. Seine Beamtenhierarchie hat er mit
einer an Fanatismus grenzenden Opposition gegen
alles erfüllt, was nicht den Stempel der konfuzia-
nischen Überlieferung trägt. Daher fehlte es dem
Buddhismus von Anfang an nicht an mächtiger
Gegnerschaft in der konfuzianischen Beamten-
hierarchie bis hinauf zum Kaiser. Zeitweilig wurde
seine Existenz als „fremde“ Religion sogar in
Frage gestellt. Besonders wird ihm vom Kon-
fuzianismus zum Vorwurf gemacht, daß er durch
sein Gebot der Ehelosigkeit die geheiligten Bande
des Familienlebens zerreiße und dadurch die
Grundlage des Staatswesens erschüttere. Über-
dies entzog die stetig wachsende Ausbreitung seines
Bonzentums einen großen Teil der Bevölkerung
der produktiven Arbeit. Dadurch nahm er erst
recht einen entschieden staatsfeindlichen Charakter
in den Augen des Konfuzianismus an, dessen
Gegnerschaft sich nicht auf literarische Polemik be-
schränkte, sondern mehr als einmal zu tatsächlichen
Verfolgungen großen Stils überging. Im
8. Jahrh. wurden z. B. 12000 Mönche aus ihren
Klöstern vertrieben; später wurden die Klöster sä-
kularisiert und ihre Vermögen und Liegenschaften
von Staats wegen eingezogen. Obschon zwar im
allgemeinen eine gewisse Milde von seiten der Re-
gierungsgewalt gezeigt wird, so bestehen doch bis
zur Stunde rechtskräftig die Religionsedikte der
konfuzianischen Intoleranzpolitik. Sie ermächtigen
das Beamtentum kraft der vom Kaiser übertrage-
nen Gewalt, alles, was nicht „klassisch“ ist, zu
verfolgen und auszurotten. Denn es ist und bleibt
der erste Artikel von Chinas Politischem Glaubens-
bekenntnis, daß der im Kaiser verkörperte „höchste
Herr des Himmels“ Herr und Meister über alle
Götter und Kulte ist. Ihren gesetzgeberischen Aus-
druck findet diese religiöse Staatsomnipotenz in
den religiösen Intoleranzedikten gegen Buddhis-
mus und Taoismus seit dem 8. Jahrhundert. Zu
verschiedenen Zeiten wurden offizielle Zusammen-
stellungen der Intoleranzedikte veröffentlicht. Die
älteste Sammlung stammt aus dem 10. Jahrh.;
eine der bedeutendsten ist jene, die dem unter den
Ming veröffentlichten Reichsgesetzbuch (1509) ein-
verleibt wurde. Die wichtigste und heute maß-
gebende Zusammenstellung findet sich in der großen
Gesetzsammlung der regierenden Dynastie unter
dem Titel: „Gegen die Häresie der religiösen
Führer und Lehrer oder Priester“ und zerfällt in
drei Hauptabschnitte und eine größere Anzahl er-
gänzender Verbote. Unter dieser, in ihrer Formu-
lierung rücksichtslos unterdrückenden Intoleranz
hatte besonders der Buddhismus als auswärtige
Religion zuleiden. Auch die gegenwärtige Dynastie
ist dem Buddhismus prinzipiell nichts weniger als
günstig gesinnt. In dem vom Kaiser Kanghi ver-
öffentlichten heiligen Edikt wird zweimal monat-
(Ostasiatische Religionsgesellschaften.)
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lich unter Vorsitz der lokalen Obrigkeit in öffent-
licher Versammlung das Volk ausdrücklich vor den
buddhistischen Irrlehren gewarnt. Trotzdem hat
keine der verschiedenen Repressivmaßregeln der kon-
fuzianischen Staatsreligion die stete Ausweisung
und das Eindringen und Hineinwachsen des
Buddhismus zu verhindern vermocht. Dem kon-
fuzianischen Staat blieb zuletzt nichts anderes
übrig, als einen Frieden mit der stärkeren Macht
des im Volk wurzelnden buddhistischen Mönch-
tums zu machen. Dieser Friede kommt zum Aus-
druck in einer Klostergesetzgebung, welche den Be-
stand der buddhistischen Klöster einerseits staats-
rechtlich sicher-, anderseits aber deren Verwaltung
ganz unter die Überwachung des Staats stellt.
5. Die konfuzianische Klostergesetz-
gebung reicht in ihren Anfängen bis in das
8. Jahrh. zurück. Ihre letzte Formulierung hat
sie in dem großen Gesetzkodex der gegenwärtigen
Dynastie erhalten, in dessen achter Abteilung sie
als III. Kapitel unter dem Titel: „Über die
Gründung von Klöstern und Ordination der
buddhistischen und taoistischen Mönche“ eingefügt
ist. Das Klostergesetz verbietet die Gründung
neuer Klöster und stellt die bestehenden ganz unter
die Aussicht des Staats. Zu jeder Ordination
neuer Bonzen bedarf es einer besondern Genehmi-
gung. Ohne das Diplom des Mandarin darf
weder ein Bonze noch eine buddhistische Nonne
zugelassen werden. Jeder Klostervorsteher muß ein
genaues Verzeichnis der Klosterinsassen bei der
Regierung einreichen und von jeder Veränderung
dem Mandarin Kenntnis geben. Ein Gesamt-
register aller buddhistischen Bonzen und Nonnen
wird auf Grund der Provinzial= und Präfektur-
register im Ministerium der Riten (Kultusmini-
sterium) geführt. Minutiöse Bestimmungen und
Vorschriften, die für jedes, auch noch so gering-
fügige Vorkommnis vorgesehen sind, regeln die
Überwachung der Individuen. Der Klosterobere
wird für alle Übertretungen verantwortlich ge-
macht. Zur Kontrolle der Bonzen sind besondere
Beamten eingesetzt; sie stellen eine Art geistlichen
Mandarinats dar. Einen eignen Abschnitt bilden
die Klostergesetze zur ÜUberwachung der Lama-
bonzen. Diese Bestimmungen der älteren Gesetzes-
sammlung sind von der revidierten Staatsausgabe
von 1818 durch neue Einschränkungen ergänzt
worden. Diese Klostergesetzgebung bringt nun
zwar den ganzen Widerwillen der konfuzianischen
Staatspolitik gegen Buddhismus und Taoismus
in einem geradezu klassischen Vorbild polizeilicher
Vexationen zum Ausdruck, läßt aber doch hinwie-
der so viel Freiheit, daß das buddhistische und
taoistische Bonzentum nach wie vor seinen Ein-
fluß von den untersten Volkskreisen bis hinauf
zum kaiserlichen Palast sehr nachdrücklich und er-
folgreich geltend machen kann. Kein Konfuzianer
kann und will den Bonzen entbehren, mag dieser
Buddhist oder Taoist sein. Das ist das End-
ergebnis der konfuzianischen Religionspolitik, die.