573 Religionsgesellschaften.
3. Kultureller Einfluß. Als abschlie-
ßendes Glied jener Entwicklung, die von Indien
ausgehend sich in den Wanderungen und Wand-
lungen des Buddhismus über das östliche Asien
ausbreitete, faßt das Kulturleben Altjapans alles
zusammen, was Indien im Buddhismus, China
im Konfuzianismus an religiösen und sittlichen,
wissenschaftlichen und künstlerischen Idealen dar-
zubieten vermochte. Als Vermittler des doppelten
Einflusses von Indien und von China ist der
Buddhismus der Hauptträger der eigenartigen
Kultur des älteren Japan geworden. Durch ihn
gelangten von Indien aus nach Japan vornehm-
lich die religiösen und künstlerischen Schätze, wie
sie in dem pompösen buddhistischen Kultus dar-
geboten wurden. Von China aber kamen durch
den vermittelnden Einfluß des Buddhismus da-
hin: chinesische Staatseinrichtung und Rechts-
pflege, chinesische Schrift und Literatur, chinesische
Ethik und Heilkunde, Kunsthandwerk und Ge-
werbe mit allen ihren Eigenheiten. In religiöser,
ethischer, literarischer Beziehung setzt sich dieser
Einfluß bis zur Stunde fort. Obschon die abend-
ländische Zivilisation im staatlichen und gesell-
schaftlichen Leben Japans einen vollständigen
Umschwung herbeigeführt hat, so ist doch das re-
ligiös-sittliche Leben der großen Masse davon so
gut wie vollständig unberührt geblieben. Die re-
ligiöse Welt hat bis heute in ihrem schintoistisch-
buddhistischen Konservatismus den zähesten Wider-
stand allem äußern Einfluß entgegengesetzt. Die
oberen Klassen zwar verhalten sich durchweg gleich-
gültig allen religiösen Uberzeugungen gegenüber.
Was unter den gebildeteren Ständen noch einigen
Wert auf religiös-sittliche Erziehung legt, läßt
sich von der Ethik des Konfuzius leiten, die im
„Buschido“, dem Sittlichkeitskodex der alten Sa-
murai, einen dem altjapanischen Ritteradel an-
gemessenen praktischen Ausdruck erhalten hat. Die
Folge davon ist nicht bloß ein weit verbreiteter re-
ligiöser Indifferentismus, sondern ein förmlicher
Atheismus. Das hindert jedoch auch den bil-
dungsstolzesten Japaner ebensowenig wie den Chi-
nesen, sich der religiösen Zeremonien des Schin-
toismus und des Buddhismus bei gewissen Ge-
legenheiten, namentlich in Trauerfällen, zu ver-
gewissern. Mächtig inniger lebt das religiöse Be-
wußtsein noch in den unteren und untersten Volks-
klassen fort, wenn darunter der Besuch von Tem-
peln, die Anwendung ritueller Gebräuche, Wall-
fahrten verstanden werden. Der Japaner tut es
aber auch hier weniger aus religiösem Herzens-
bedürfnis und innerer Frömmigkeit, sondern meist
nur, um die übernatürlichen Einflüsse der Götter
durch Vermittlung ihrer Priester der Erfüllung
seiner Wünsche dienstbar zu machen. Er wendet
sich heute an buddhistische, morgen an schintoistische
Priester, wie er sich, je nach dem Zweck bald an
einen Arzt oder Apotheker oder Wahrsager wen-
den würde. An dem Indifferentismus der höheren
Stände und dem Aberglanben der unteren Klassen
(Ostasiatische Religionsgesellschaften.)
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findet der Einfluß des Christentums den größten
Widerstand. Die philosophischen Köpfe erkennen
durchweg die Schönheit des Christentums an, be-
trachten aber die Uberlegenheit der christlichen
Völker als die Folge von Ursachen, die außerhalb
der Religion liegen. Nur verhältnismäßig wenige
Mitglieder der oberen Klassen haben sich bis jetzt
zum Christentum bekannt, darunter aber solche, die
wegen ihrer Gelehrsamkeit und wegen des Adels
der Gesinnung bei ihren Landsleuten in hohem
Ansehen stehen. Das Christentum allein ist ge-
eignet, den im besseren Teil des Volks schlummern-
den religiösen Zug zu wecken und zu befriedigen.
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