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und auf die in der Tabelle nicht gesondert ange-
führten Raskolniken, Jansenisten, Altkatholi-
ken usw.
Die katholische Kirche umfaßt allein fast ½ der
gesamten Menschheit und zählt mehr Anhänger als
irgend eine andere religiöse Gemeinschaft. Buddhis-
mus, Ahnenkultus und Konfuzianismus, die zu-
sammen allerdings eine größere Anhängerzahl aus-
machen würden, sind keine Konfessionsgemeinschaft,
sondern Religionsformen und Systeme von reli-
giösen Gebräuchen, die, wie schon bemerkt wurde,
zum Teil von denselben Individuen gleichzeitig aus-
geübt werden. Am nächsten unter den wirklichen
Konfessionsgemeinschaften kommen dem Katholizis-
mus der Zahl nach der Brahmanismus (Hinduis-
mus) und der Mohammedanismus, die beide mehr
als 200 Mill. Anhänger zählen. Aber ihr Ver-
breitungsgebiet ist nicht so universell wie das des
Katholizismus, sondern räumlich und ethnographisch
viel enger umgrenzt. Die Zahl der Juden scheint
in der Gesamttabelle wohl etwas größer, als es
der Wirklichkeit entspricht, weil die starke jüdische
Auswanderung aus Rußland mangels zuverlässiger
amtlicher Angaben nicht zahlenmäßig bestimmt
werden konnte, während in den neuesten Angaben
für die Einwanderungsländer die aus Rußland
eingewanderten Juden meistens schon mit einbegrif-
fen sein werden. Die Gesamtzahl der Juden dürfte
sich aber immerhin auf über 12 Mill. belaufen. Der
nicht klassifizierte Rest von 7½⅛ Mill. besteht zum
kleineren Teil aus Religions- und Konfessionslosen,
zum größeren Teil aus solchen, für deren Konfes-
l#onsbestimmung sich keine festen Anhaltspunkte
oten.
IV. Kirchliche Statistit. Im engeren Sinn
versteht man darunter, wie oben hervorgehoben
wurde, die kirchlichen Handlungen, überhaupt die
gesamte äußere Betätigung der Religion; auch die
Zahl der Kirchendiener, die Mitgliederzahl der
kirchlichen Vereine und Genossenschaften, die Zahl
der Kultusgebäude und das kirchliche Finanzwesen
werden als zum Gegenstand der kirchlichen Statistik
gehörend angesehen. Von einer kirchlichen Statistik
in diesem Sinn kann nur bei den christlichen Kon-
fessionen die Rede sein. Höchstens über die Zahl
der Kultusgebäude und der Religionsdiener finden
sich auch bei andern religiösen Gemeinschaften ver-
einzelte Angaben. Aber auch unter den christlichen
Konfessionen haben bisher nur die Katholiken und
Protestanten der kirchlichen Statistik eine größere
Aufmerksamkeit zugewandt. Aus der griechisch-
Cussisch-) orthodoxen Kirche und aus den orien-
talischen schismatischen Kirchen sind nur ganz ver-
einzelt statistische Nachrichten in die Offentlichkeit
gedrungen.
In der katholischen Kirche ist die kirchliche Sta-
tistik, wie die Kirchenbücher beweisen, schon seit
Jahrhunderten gepflegt worden. Es fehlte nur an
einer Zusammenstellung und Verarbeitung der
Ergebnisse. Manche Dihzesen haben im Lauf des
19. Jahrh. diesem Ubelstand wenigstens für ihren
Bereich in ihren Diözesanschematismen abzuhelfen
gesucht. Aber zu einer gemeinsamen gleichartigen
Statistik der kirchlichen Handlungen ist es bis jetzt
Religionsstatistik.
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nicht gekommen, weder für die Gesamtkirche noch
für einzelne Länder. Eine auf Herstellung einer
solchen gemeinsamen kirchlichen Statistik gerichtete
lebhafte Bewegung hat sich im letzten Jahrzehnt
in Deutschland geltend gemacht. Auf der 48. Ge-
neralversammlung der Katholiken Deutschlands zu
Osnabrück wurde auf das wärmste die Errichtung
eines Deutschen Bureaus für kirchliche Statistik
empfohlen als Vorstuse für das anzustrebende
internationale kirchenstatistische Institut. Dieser
Beschluß ist allerdings bis jetzt noch nicht zur
Ausführung gelangt; aber ohne Erfolg sind die
Bemühungen der Katholikenversammlungen doch
nicht geblieben. Es wurde nämlich ein gewisser
Ersatz geschaffen durch ein gemeinsames kirchlich-
statistisches Handbuch für ganz Deutschland, das
unter dem Titel „Kirchliches Handbuch“ im Jahr
1908 zum erstenmal erschien und von dem im Jahr
1909 ein zweiter Band veröffentlicht wurde. Das-
selbe bringt fortlaufend alle statistischen Angaben,
die sich in staatlichen und kirchlichen amtlichen
Publikationen über den Stand und die Bewegung
der katholischen Bevölkerung Deutschlands, über
die Zahl der Priester, Priesteramtskandidaten,
Ordenshäuser und Ordensleute, über kirchliche
Handlungen und Ordenstätigkeit, über die Stel-
lung der Katholiken auf dem Gebiet der Volks-
bildung und Volkssittlichkeit vorfinden. Außerdem
wird in diesem Handbuch über die Organisation
der Gesamtkirche und der katholischen Kirche
Deutschlands, über kirchliche Gesetzgebung und
Rechtsprechung, über die sozial-charitative Tätig-
keit der Katholiken, über die Lage der Kirche in
außerdeutschen Ländern und über die katholische
Heidenmission berichtet. Auch die kirchlichen Be-
hörden haben sich einer weiteren Ausgestaltung der
kirchlichen Statistik geneigt gezeigt sowohl durch
Förderung und Empfehlung des „Kirchlichen Hand-
buchs“ als auch besonders durch Ausarbeitung
eines allen wissenschaftlichen Anforderungen ent-
sprechenden kirchenstatistischen Fragebogens, auf
Grund dessen im Jahr 1910 zum erstenmal in
allen deutschen Diözesen gleichartige Erhebungen
stattfinden. Ob diese Bemühungen der kirchlichen
Behörden den gewünschten Erfolg haben werden,
hängt von dem Grad des Entgegenkommens ab,
den sie bei staatlichen und kommunalen statistischen
Amtern und bei den Standesämtern finden, ohne
deren Mitwirkung das Verhältnis der Taufen zu
den Geburten, der Trauungen zu den bürgerlichen
Eheschließungen, der kirchlichen Beerdigungen zu
den Todesfällen nicht festgestellt werden kann.
Die evangelischen Landeskirchen Deutschlands
sind in der Anloge der Kirchenbücher dem katho-
lischen Beispiel gefolgt. Eine Zusammenstellung
und Verarbeitung der Ergebnisse erfolgte auch in
den evangelischen Landeskirchen erst im 19. Jahrh.
Besonders in denletzten Jahrzehnten des 19.Jahrh.
hat die kirchliche Statistik bei den deutschen Prote-
stanten einen großen Aufschwung genommen. Das
Hauptverdienst daran hat das von J. Schneider