Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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et 32, C. 16, q. 7). Dankbarkeit bewegt die 
kirchliche Autorität dazu, den Gründern oder Er- 
bauern von Kirchen und Kapellen besondere Vor- 
rechte bezüglich der Anstellung von Geistlichen an 
denselben und etwa der Verwaltung ihres Ver- 
mögens zu verleihen. 
Das heutige Patronatsrecht ist jedoch nicht als 
eine organische Weiterentwicklung dieser Vorrechte 
zu betrachten. Die verschiedenen Befugnisse, welche 
es in sich enthält, sind vielmehr Reste des nach 
germanischen Anschauungen den Grundherren 
zukommenden Eigentumsrechts an den auf ihrem 
Grund befindlichen und von ihnen erbauten Kir- 
chen. Wer auf seinem Grund und Boden eine 
Kirche baut, kann mit dieser „Eigenkirche“ nach 
Belieben wie mit einer andern Sache schalten und 
walten. Er kann sie verkaufen, vererben, zerstören, 
er kann insbesondere den Geistlichen an ihr nach 
seinem Willen anstellen und wieder entlassen. Ahn- 
lich war die Behandlung auch derjenigen Kirchen, 
über welche Laien die Vogtei (advocatia) erlangt 
hatten, oder welche ihnen zu Lehen gegeben waren. 
Kirche und Staat müssen dieses in nationalen 
Rechtsanschauungen wurzelnde Eigenkirchen- 
recht anerkennen, suchen es aber so weit ein- 
zuschränken, daß die Kirche durch die Konsekration 
ihrer Bestimmung erhalten bleibt, der Geistliche 
genügenden Unterhalt bezieht und zu keinen an- 
dern Diensten herangezogen wird, daß vor allem 
seine Anstellung und Entlassung von der Zustim- 
mung des Grundherrn abhängig ist (vgl. z. B. 
Reichstag zu Aachen 817). Die Folgen der mit 
der Ausdehnung des Eigenkirchenrechts und der 
Laieninvestitur auch auf die Bischofsstühle ver- 
bundenen allgemeinen Laienherrschaft in der Kirche 
ließen dann die erstarkte kirchliche Reformpartei 
im 11. Jahrh. mehr und mehr Boden gewinnen. 
Es kommt zunächst zu jenem großen Kampf gegen 
das Eigentumsrecht und die Laieninvestitur bei 
den bischöflichen Kirchen, der mit dem Wormser 
Konkordat (1122) beendigt wurde. Nunmehr 
war es ein leichtes, auch das niedere Eigenkirchen- 
recht zu beseitigen. Hierfür genügte der theore- 
tische Satz, daß der Grundherr, dessen Eigentums- 
recht man gar nicht anzutasten brauchte, als pa- 
tronus nur mehr ein auf kirchlicher Vergün- 
stigung beruhendes Vorschlags-oder Präsentations- 
recht bezüglich des vom Bischof anzustellenden 
Geistlichen habe. Eine wesentliche Anderung gegen 
früher trat allerdings zunächst nicht ein. Erst 
nachdem Alexander III. (1159/81) den Patronat 
als ein ius spirituali annexum (c. 16, 
3, 38) erklärt und somit alle Patronatssachen 
der Kompetenz des kirchlichen Richters unterstellt 
hatte, konnte die Kirche das Patronatsrecht ganz 
in ihrem Sinn ausgestalten (vgl. c. 3—24, X. 
3, 38; Trid. sess. XXV, c. 9), wenn sich auch 
eigenkirchenrechtliche Ideen noch lange, nament- 
lich in Deutschland, in dem auf Grund der Landes- 
hoheit behaupteten landesherrlichen Patronatsrecht 
erhalten haben. 
  
Patronatsrecht. 
  
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2. Begriff und Einteilung. Unter dem 
Patronat versteht man eine Summe von Rechten 
und Pflichten, welche einer privaten physischen 
oder juristischen Person bezüglich einer Kirche 
oder eines Benefiziums von der kirchlichen Auto- 
rität zugestanden sind. Da die Pflichten im Ver- 
gleich zu den Rechten verschwindend klein sind, 
so bezeichnet man den ganzen Inhalt des Patro- 
nats kurz als Patronatsrecht. Die Rechte sind 
verschiedener Art; sie können, da alle sich auf 
etwas Kirchliches oder Geistliches beziehen, nur 
von der kirchlichen Autorität übertragen werden, 
setzen aber, weil sie nicht eigentliche geistliche 
Jurisdiktionsrechte sind, bei ihrem Inhaber keine 
kirchliche Weihe voraus. Alexander III. nennt 
sie deshalb nicht ein ius spirituale im strengen 
Sinn des Wortes, sondern spirituali annexum 
(ein auf geistliche Rechte und Pflichten sich be- 
ziehendes und mit diesen verknüpftes Recht), ein 
Ausdruck, der die Sache sehr treffend bezeichnet; 
er dürfte bei Alexander III. zuerst vorkommen. 
Man unterscheidet je nach der Person des 
Trägers den kirchlichen oder geistlichen, den 
weltlichen oder Laienpatronat und den ge- 
mischten Patronat. Allerdings versteht man 
unter ersterem denjenigen, welcher einer kirchlichen, 
unter letzterem den, welcher einer weltlichen Person 
oder einem Laien zukommt. Bei beiden ist jedoch 
Rücksicht darauf zu nehmen, auf welchen Titel hin 
er ihnen zusteht. Kirchlicher Patronat wird der 
sein, welcher einer kirchlichen Korporation oder 
einem Institut, einem Kapitel, Orden oder 
Ordenshaus, einer kirchlichen Bruderschaft, einem 
Dignitar oder Pfründeninhaber als solchen eigen 
ist; weltlicher hingegen jener, welcher einer welt- 
lichen physischen oder juristischen Person zukommt. 
Doch hat als weltlicher Patronat auch der zu 
gelten, dessen Träger allerdings eine kirchliche 
Person oder auch eine kirchliche Korporation ist, 
aber lediglich infolge eines weltlichen Titels, 
z. B. wenn ein Priester als Glied einer patronats- 
berechtigten Familie oder ein Kloster als Nutz- 
nießer eines patronatsberechtigten Gutes den 
Patronat besitzt. Umgekehrt hat als kirchlicher 
Patronat der zu gelten, welcher kirchlichen Stif- 
tungen zusteht, obwohl diese stiftungs= oder gewohn- 
heitsrechtlich von Laien verwaltet werden, also auch 
der Patronat von Laien ausgeübt wird. Gemischter 
Patronat ist derjenige Kompatronat, welchen ein 
kirchlicher und ein Laienpatron zusammen inne- 
haben. Erwähnung verdient auch die Einteilung 
X. inübertragbaren und unübertragbaren 
Patronat. Regelmäßig ist der Patronat über- 
tragbar; unübertragbar ist nur jener, bei dessen 
Erwerb ausdrücklich die Unübertragbarkeit fest- 
gesetzt wurde. Von größerer Bedeutung ist die 
Einteilung in persönlichen und dinglichen 
Patronat. Letzterer ist derjenige, welcher einer 
Sache, in der Regel einer Liegenschaft, anhaftet 
und von deren rechtmäßigen Inhaber auf den 
andern übergeht. Jedoch behält dieser immer seinen
	        
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