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Unter den Maßregeln, welche behufs Durch-
führung der mit der französischen Revolution ein-
setzenden Bauernbefreiung ergriffen wurden, waren
neben der Aufhebung der Erbuntertänigkeit und
ähnlicher Unfreiheiten sowie der bäuerlichen Fron-
dienste von der einschneidendsten Bedeutung die
Verwandlung der verschiedenen Besitzrechte der
Bauern in freies Eigentum und die Ablösung der
auf den Bauerngütern ruhenden Reallasten ein-
schließlich der ewigen Renten. Daß in diesen beiden
letzteren Beziehungen die etwa um die Mitte des
19. Jahrh. im wesentlichen abschließende Gesetz-
gebung, darunter auch die preußische — der hoch-
bedeutsamen und wohltätigen Wirkungen dieses
Befreiungswerks unbeschadet —, dank der durch
die Bewegung des Jahrs 1848 gesteigerten Ab-
neigung gegen jede Art der feudalen Grundbesitz-
verfassung und der mit ihr zusammenhängenden
Herrschaftsrechte zum Teil zu radikal verfahren
ist und zudem durch teilweises Fehlgreifen in den
Mitteln neben den beabsichtigten guten auch nach-
teilige Folgen herbeigeführt hat, wird heute kaum
mehr bestritten. Zu den über das Ziel hinaus-
schießenden Maßregeln gehört unstreitig die in den
meisten deutschen Staaten (Mecklenburg und einige
kleinere Territorien ausgenommen) durchgeführte,
auf einer mit Mißverständnissen über das Wesen
des Kolonats gepaarten unnötigen Besorgnis der
Wiederkehr jener Feudalzustände beruhende Auf-
hebung dieses Rechtsinstituts und die Vorschrift,
wonach die Wiederbegründung eines entsprechenden
Rechtsverhältnisses schlechthin untersagt bzw. un-
möglich gemacht wurde. Dahin gehört auch das
auf einer unrichtigen Bewertung des wirtschaft-
lichen Einflusses ewiger Renten, namentlich in
Ansehung des erleichterten Gutserwerbs, beruhende
allgemeine Verbot der Auferlegung unlösbarer
Renten auf ein Grundstück durch Rechtsgeschäft.
Allerdings hat sich in manchen Lehrbüchern des
deutschen Privatrechts noch bis in die neueste Zeit
die Ansicht erhalten, daß der Rentenkauf als ein
abgestorbenes, aus dem lebendigen Rechtsbewußt-
sein unserer Tage größtenteils verschwundenes
Rechtsinstitut zu betrachten sei. In den Kreisen
der Volkswirte dagegen sind Stimmen laut und
lauter geworden, welche die Belastung der Grund-
stücke, namentlich der ländlichen, mit Kapital-
schulden für etwas Unnatürliches, dem Wesen des
Grundbesitzes Widerstrebendes halten und die
seitens des Gläubigers unkündbare Geldrente als
die für den Realkredit ausschließlich geeignete
Rechtsform hinstellen. Indem das B. G. B. für
das Deutsche Reich diesem Gedanken insoweit
Raum gab, daß es durch Aufnahme der Bestim-
mungen über Reallasten (88 1105 ff) und Renten-
schuld (§§ 1199 ff) die Belastung des Grund-
besitzes außer mit Kapitalschulden auch mit diesen
wiederkehrenden Leistungen zuließ, ist nach deut-
schem Reichsrecht wieder die Möglichkeit geboten,
Rentengüter zu schaffen. Jedoch ist hierbei nicht
die Einheitlichkeit des Rechts gewahrt, da bei den
Rentengüter.
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tiesgehenden Unterschieden zwischen Reallast und
Rentenschuld (zumal das B.G.B. die Rentenschuld
als eine Unterart der Grundschuld behandelt), auf
die indessen hier nicht näher eingegangen werden
kann, Rentengüter von durchaus verschiedenem
Charakter geschaffen werden können.
Im übrigen hat das B.G.B. den Gedanken
nicht weiter verfolgt, die Umwandlung der vor-
handenen Hypotheken und Grundschulden in un-
kündbare Renten vorzuschreiben und fortan eine
Verschuldung des Grundbesitzes nur in der Form
der Rente zuzulassen, also mittelbar auf die Bil-
dung von Rentengütern hinzuwirken. Insoweit
ließ es sich, von anderem abgesehen, von der Er-
wägung leiten, daß bis dahin noch kein deutscher
Staat in dieser radikalen Weise mit dem geltenden
Recht gebrochen hatte und das Rentengutsinstitut
dort, wo es auf neuer gesetzlicher Grundlage ein-
geführt worden war, noch in der Entwicklung sich
befand. Deswegen hat es auch in seinem Ein-
führungsgesetz vorgeschrieben, daß die Bestim-
mungen über Rentengüter der Landesgesetzgebung
überlassen sein sollen, wodurch die Einheitlichkeit
des Instituts weiterhin durchbrochen ist. Durch
die Vorschrift aber, daß eine Hypothek in eine
Grundschuld und eine Grundschuld in eine Renten-
chuld umgewandelt werden kann, hat es wenigstens
ermöglicht, daß auf diesem weiteren Weg Renten-
güter entstehen können.
II. Rentengutsgesetzgebung. Nach Reichs-
recht muß man also den Begriff des Rentenguts
so, wie es eingangs geschehen, ganz allgemein
fassen; um ihn auszufüllen, ist nicht erforderlich,
daß alle von einzelnen Landesgesetzen über „Renten-
güter“ gegebenen Vorschriften Anwendung finden.
Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß die
Gesetzgebung behufs Durchführung der Bauern-
befreiung grundsätzlich die Besitzrechte der Bauern
in freies Eigentum verwandelte und die Ablös-
barkeit der Reallasten und Renten dekretierte. In
manchen Staaten ist aber in Bezug auf den letzteren
Punkt die Gesetzgebung hierbei stehen geblieben
und hat die Ablösung nicht obligatorisch gemacht.
Infolgedessen sind hier noch aus alter Zeit eine
große Menge von Grundlasten, die aus den ver-
schiedensten Titeln entsprungen sind, erhalten ge-
blieben; so namentlich in Bayern die unter dem
Namen „Bodenzins“ bekannten Gefälle (deren
Ablösung übrigens seit 1872 unter gewissen Um-
ständen ebenfalls obligatorisch gemacht ist). Alle
mit derartigen wiederkehrenden Lasten beschwerten
ländlichen Grundstücke könnte man mit einem ge-
wissen Recht ebenfalls als Rentengüter bezeichnen.
wenn man bloß die bezüglichen Belastungen im
allgemeinen im Auge hat und nicht auf deren Ent-
stehung sieht und namentlich auch deren Charakter,
ob sie öffentlich= oder privatrechtlicher Natur sind,
außer Betracht läßt; juristisch und verwaltungs-
technisch indessen pflegen nur diejenigen Güter als
Rentengüter bezeichnet zu werden, welche als solche
nach neuerem Partikularrecht begründet werden.
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