Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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sern bestehende Besitzungen genießen die Vergün- 
stigungen nicht. 
Die Ablösbarkeit der auf einem Rentengut haf- 
tenden Rente regelt der auf Grund des § 1 des 
Gesetzes über Rentengüter vom 27. Juni 1890 
abgeschlossene Vertrag. Soweit dieser Vertrag dem 
einen oder andern Teil das Recht einräumt, auf 
Ablösung anzutragen, soll nach dem Gesetz von 
1891 der Antragsberechtigte befugt sein, die Ab- 
lösung durch Vermittlung der Rentenbank zu ver- 
langen. Außerdem soll aber auch der Rentenguts- 
besitzer, wenn gegen ihn die Ablösung der Rente 
beansprucht wird, verlangen können, daß die Ab- 
lösung durch Vermittlung der Rentenbank auch 
dann erfolge, wenn er sonst die Ablösung der 
Rente durch die Bank nicht beanspruchen kann. 
Die Abfindung des Rentenberechtigten, sei es 
gleich bei der Errichtung eines Rentenguts, sei es 
zu einem später gewählten Zeitpunkt, erfolgt in 
der Art, daß er den siebenundzwanzigfachen Betrag 
der Rente in 3½ prozentigen oder den 23⅜ fachen 
Betrag in 4prozentigen Rentenbriefen nach dem 
Nennwert, oder soweit dies durch solche nicht ge- 
schehen kann, in barem Geld erhält. Dafür wird 
seinerseits der Staat für den Betrag der Ab- 
findung Gläubiger des Rentengutsbesitzers, welch 
letzterer nunmehr an die Rentenbank eine Renten- 
bankrente zu zahlen hat, die um ½ Prozent höher 
ist als der Zinssatz der zur Abfindung gegebenen 
Rentenbriefe und deren Tilgungsperiode bei einer 
Höhe von 4 Prozent 60½, bei 4½ Prozent 
561/12 Jahre beträgt. Zur erstmaligen Einrich- 
tung eines Rentenguts durch Aufführung der not- 
wendigen Wohn= und Wirtschaftsgebäude kann 
die Rentenbank den Rentengutsbesitzern Darlehen 
in 3½ prozentigen oder 4prozentigen Renten- 
briefen geben, für deren Verzinsung und Tilgung 
das eben Gesagte gleichfalls gilt. Außerdem ist 
es zulässig, daß die Zahlung der Rentenbankrente 
für das erste Jahr nach der Begründung des 
Rentenguts unterbleibt; der dadurch der Renten- 
bank entstehende Ausfall wird gedeckt, indem das 
abzulösende Kapital um die einjährigen Zinsen 
der Abfindungssumme erhöht und hiervon in oben 
angegebener Weise die Rentenbankrente und Til- 
gungsperiode berechnet wird. Solange die Renten- 
bankrente auf dem Rentengut haftet, kann die 
Aufhebung der wirtschaftlichen Selbständigkeit und 
die Zerteilung des Rentenguts sowie die Abver- 
äußerung von Teilen desselben rechtswirksam nur 
mit Genehmigung der Generalkommission er- 
solgen. — Die Generalkommission hat natürlich, 
bevor sie dem Antrag auf Ablösung der Rente 
bzw. Gewährung eines Darlehens stattgibt, zu 
prüfen, ob der Rentenbank aus dem Rentengut 
die nötige Sicherheit geboten wird, wofür beson- 
dere Vorschriften gegeben sind. 
Trotz der Förderung, welche der Rentenguts- 
bildung mit diesem Gesetz zuteil geworden war, 
hatte sie nicht vermocht, der Güterschlächterei einen 
wirksamen Damm entgegenzusetzen; letztere, nicht 
Rentengüter. 
  
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bloß von einzelnen, sondern von Gesellschaften in 
großem Stil betrieben, behauptete vollständig das 
Feld. Man suchte die Ursache des Fehlschlagens 
der Rentengutsgesetzgebung in zwei Mängeln: in 
dem Mangel eines richtigen Kolonisators und dem 
Mangel an Geld. Die lediglich vermittelnde 
staatliche Kolonisationsarbeit der Generalkom- 
missionen müsse, so wurde ausgeführt, Risiko und 
Last des Verkaufs der Ländereien im einzelnen 
dem veräußerungsbedürftigen Gutsbesitzer über- 
lassen, während die kapitalistischen Privatunter- 
nehmungen ihm diesen für ihn wichtigsten und 
schwersten Teil des Ansiedlungsgeschäfts sofort 
und gänzlich abnähmen. Dabei zahlten sie ihm, 
wie die Ansiedlungskommission, den ganzen ver- 
einbarten Kaufpreis gleich bar aus; die General- 
kommission könne dagegen den Gutsbesitzer nur 
auf den Rentenbankkredit verweisen, der ihm tat- 
sächlich erst am Schluß des Verfahrens das bare 
Geld verschaffe, während er doch gleich mit Be- 
ginn des Besiedlungsgeschäfts in die Lage versetzt 
werden müsse, über beträchtliche Barmittel zu ver- 
fügen. Wolle man die Rentengutsbildung nach 
Möglichkeit fördern, so müsse man vor allem den 
staatlichen Ankauf von Gütern gegen bar und 
deren Ausgebung zu Rentengütern regeln. Die 
Richtigkeit dieser Anschauung war nicht wohl zu 
bezweifeln; außer durch den erheblichen Rückgang 
in der Rentengutsausgebung wurde sie durch die 
Tatsache bestätigt, daß unseres Wissens niemals 
von Gutsbesitzern Rentengüter ohne Vermittlung 
der Generalkommissionen ausgegeben und niemals 
von Kapitalisten Rentengüter mittels Rentenkaufs 
gebildet worden sind, womit zugleich auch, unbe- 
schadet des Fortschritts, der in der Einführung 
des Renten guts in unser Agrarrecht und unsern 
Bodenverkehr liegt, die Richtigkeit der oben unter I. 
erwähnten Lehrmeinung über den Renten kauf sich 
ergibt. Sollte der Rentengutsbildung in der 
Güterbewegung dauernd ein Platz gesichert werden, 
so müßte sich die erwähnte Maßregel als unum- 
gänglich erweisen. In diesem Sinn ist in der 
Session 1901 im Abgeordnetenhaus ein Initiativ= 
antrag in Form eines Gesetzentwurfs vorgelegt 
worden, wonach der Staatsregierung 12 Mill. M 
zur Verfügung gestellt werden sollten, um durch 
besondere „Ansiedlungsstellen“, die für die ein- 
zelnen Provinzen bestellt werden und aus dem 
Oberpräsidenten, dem Landeshauptmann, einem 
Mitglied der Generalkommission und drei von der 
Landwirtschaftskammer gewählten landwirtschaft- 
lichen Sachverständigen bestehen sollen, die Ansied- 
lung von Landwirten auf mittleren und kleineren 
Rentengütern selbst zu unternehmen. Der Antrag 
ist nicht zur Erledigung gelangt, jedoch hat sich 
die zu seiner Vorberatung eingesetzte Kommission 
mit dem Grundgedanken einverstanden erklärt und 
eine Resolution vorgeschlagen, in welcher die Re- 
gierung ersucht wird, ihrerseits einen dahingehen- 
den Gesetzentwurf vorzulegen. — Ein anderes 
Mittel zur Förderung der Rentengutsgründung
	        
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