Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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ergibt sich auch, daß private Repressalienübung 
unter allen Umständen unstatthaft ist und der 
Strafverfolgung durch den Staat je nach Gestalt 
der für einen verbrecherischen Tatbestand begriffs- 
wesentlichen Merkmale (Landfriedensbruch, Raub, 
boshafte Sachbeschädigung usw.) unterliegt. 
Die Anordnung von Repressalien fällt nicht 
in den Wirkungzkreis der gesetzgebenden Körper- 
schaften, sondern in jenen der vollziehenden Ge- 
walt. Nun gibt es dreierlei Formen von Willens- 
äußerungen derselben: Verordnungen des Staats- 
oberhaupts, durch welches sich dieses selbst als be- 
fehlend einführt; Verordnungen der Regierung, 
die auf einer Entschließung des Staatsoberhaupts 
beruhen, und einfache Regierungsverordnungen. 
Unter die letztere Kategorie können Repressalien 
schon wegen ihrer Folgenschwere für die auswär- 
tigen Angelegenheiten nicht fallen, vielmehr gaben 
sie die Natur von Verfügungen der obersten Voll- 
zugsgewalt. Nach der Verfassung der Vereinigten 
Staaten von Amerika ist dem Kongreß das Recht 
vorbehalten, Repressalien zu beschließen. In der 
Schweiz ist die Anordnung von Repressalien 
Bundessache; im Deutschen Reich steht das Recht 
von Repressalien dem Bunde zu, wenn das Reich 
als solches betroffen erscheint, oder wenn ein ver- 
letzter Bundesstaat dieselben beim Bund in An- 
trag stellt. 
Der Anlaß zu Repressalien ist gegeben, wenn 
die Staatsgewalt oder die ihr Unterworfenen in 
ihrer Rechtssphäre verletzt erscheinen und die 
Mittel des ordentlichen Rechtsgangs zur Sühnung 
einer offenbaren Widerrechtlichkeit entweder von 
vornherein wirkungslos erscheinen oder erfolglos 
geblieben sind. Daß die Rechtsverletzung gewalt- 
am herbeigeführt wurde, ist nicht unbedingt er- 
forderlich. Für eine von den Behörden oder 
Untertanen eines Staats begangene Rechtswidrig- 
keit kann dieser nur insoweit verantwortlich ge- 
macht werden, als ihm Urheberschaft, Teilnahme 
oder Begünstigung am Unrechtsakt nachgewiesen 
ist, oder falls der Staat sich weigern sollte, die 
Schuldigen zu bestrafen und zur Genugtuung zu 
veranlassen. Den äußeren Anstoß zu Repressalien 
werden, worauf schon die älteren, namentlich 
englischen, Autoren hingewiesen haben, in vielen 
Fällen Verweigerung der Prüfung, Feststellung 
und Enischeidung rechtlicher Ansprüche, geflissent- 
liche Verzögerung der Erledigung einer Be- 
schwerde, Ablehnung der Erfüllung einer Ver- 
tragspflicht bilden. 
Repressalienmittel der Völkerrechtspraxis sind 
hauptsächlich die Beschlagnahme gegnerischen 
Staatseigentums, Ausweisung aller Angehö- 
rigen des verletzenden Staats, selbst seiner Ge- 
sandten und Konsuln, Lossagung von bestehenden 
Verträgen, Unterbindung des Handels- 
verkehrs und der Kommunikationen zu Wasser 
und zu Land, vorläufige Verwahrungshaft 
von Personen, welche im Dienst des unrechtüben- 
den Staats stehen, ja selbst von Privatpersonen, 
  
Repressalien. 
  
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wenn den eignen Angehörigen von dem auswär- 
tigen Staat widerrechtlich die Freiheit entzogen 
wurde (Androlepsie). Unter derartigen Repres- 
salienmaßregeln sind manche der Rechtslage unter 
zivilisierten Staaten nicht mehr angemessen, ins- 
besondere gilt dies von der Wegnahme fremden 
Privateigentums und von der Entziehung der 
persönlichen Freiheit. Eine Maßregel, wie sie 
Friedrich von Preußen im. Streit mit der eng- 
lischen Regierung 1752/56 zum Nachteil der eng- 
lischen Gläubiger der schlesischen Anleihe als Ver- 
geltung für die Wegnahme preußischer Handels- 
schiffe durch englische Kaper zur Anwendung ge- 
bracht hat, würde gegenwärtig, abgesehen von der 
einmütigen Mißbilligung der öffentlichen Mei- 
nung, einer Regierung bei der eignen Bevölke- 
rung Verlegenheiten bereiten. Als im Juli 1853 
die Russen die Hauptstädte der Moldau und Wa- 
lachei besetzten, angeblich pfandweise in Ausübung 
eines Repressalienakts, der an dem Friedenszustand 
nichts ändere, erklärte Frankreich in der Zirkular- 
note vom 15. Juli, man stehe vor einem Krieg, 
dessen wahren Namen man nur nicht aussprechen 
und den man durch die Repressalientheorie ver- 
schleiern wolle. Am 9. Jan. 1854 schrieb Na- 
poleon III., man werde der angeblich pfandweisen 
Besetzung der Donaufürstentümer gegenüber an 
russischen Schiffen im Schwarzen Meer ein Gegen- 
pfand zu erlangen trachten. Auch Großbritannien 
bekannte sich zu dieser Repressalienpraxis durch 
Pfandnahme, indem durch ordre in council 
vom 29. März 1854 gegen russische Fahrzeuge 
und Schiffsgüter general reprisals angeordnet 
wurden. 
Mittel, die, weil in Tendenz und Anwendung 
militärischer Natur, sich für Repressalienzwecke gut 
eignen, sind besonders das Embargo (vom 
spanischen embargar — sperren) und die Mer- 
tantilblockade. Bei Verletzungen des Völker- 
seerechts ist es nicht ausgeschlossen, daß der be- 
leidigte Staat über Schiffe des gegnerischen 
Staats in seinem Seebereich bei Verweigerung 
von Genugtuung und Schadenersatz die vorläufige 
Beschlagnahme verhängt. So wurden 1886 in 
Kanada amerikanische Fischerboote durch eng- 
lische Fahrzeuge anläßlich des Robbenfangstreits 
arrestiert. Der Grundsatz der Befreiung des 
Privateigentums von Beschlagnahme, evtl. Weg- 
nahme, ist im Seerecht nicht unbedingt anerkannt, 
daher sich auch Theorie und Praxis in der Mei- 
nung begegnen, daß Repressalien in Form des 
Embargo auch am Privateigentum geübt werden 
dürfen. Wird der Repressalienfall gütlich bei- 
gelegt, so ist die Beschlagnahme aufzuheden, wäh- 
rend im entgegengesetzten Fall die verfügte Be- 
schlagnahme aufrecht bleibt, die Veräußerung des 
Guts oder eines Teils desselben veranlaßt und 
der Erlös bis zur Höhe des Schadens zur Deckung 
desselben verwendet wird. Im übrigen kann gleich 
andern Repressalien das Embargo nur von der 
obersten Staatsgewalt oder in deren Ermächtigung 
 
	        
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