Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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abgabe vom Branntwein, eingeräumt wurden; 
rechtlich gesichert sind diese Vorrechte nicht ge- 
nügend, da sie durch Abänderung anderer Vor- 
schriften des Branntweinsteuergesetzes entwertet 
werden können. Ferner ist die durch die Militär- 
konvention dem württembergischen Kontingent ge- 
währleistete Selbständigkeit in wichtigen Bezie- 
hungen nur noch eine formelle, nachdem im Jahr 
1893 die Kontingentsherren von Preußen und 
Württemberg das Übereinkommen getroffen und 
durch korrespektive Orders — unter Umgehung 
einer der Genehmigung des Reichstags und Land- 
tags unterliegenden förmlichen Abänderung der 
Militärkonvention — durchgeführt haben, wonach 
die Beförderung der württembergischen Offiziere 
mit der Beförderung der im gleichen Dienstalter 
stehenden preußischen Offiziere „in Übereinstim- 
mung gebracht“ und zugleich eine gemeinsame Be- 
förderung der württembergischen und preußischen 
Offiziere innerhalb der gesamten preußischen und 
württembergischen Armee ermöglicht wurde; der 
hierdurch erreichten wesentlichen Verbesserung der 
Beförderung höherer württembergischer Offiziere 
steht gegenüber die Uberfüllung der höheren Offi= 
ziersstellen im württembergischen Kontingent mit 
preußischen Offizieren. Die Beseitigung des Post- 
reservatrechts ist eingeleitet durch das von der 
Reichspostverwaltung mit der württembergischen 
Postverwaltung im Jahr 1902 abgeschlossene 
Übereinkommen betreffend die Einführung gemein- 
samer Postwertzeichen, dessen Bestimmungen über 
den Anteil Württembergs an den Einnahmen aus 
den einheitlichen Postwertzeichen einen nicht un- 
beträchtlichen finanziellen Vorteil für Württem- 
berg bedeuten. Die Einheit im Eisenbahnwesen 
ist vorbereitet durch den preußisch-hessischen Eisen- 
bahnvertrag vom 23. Juni 1896, der sich für 
Hessen in finanzieller Beziehung günstig er- 
wiesen hat. 
Literatur. Allgemeines: Affolter, Grundzüge 
des allg. Staatsrechts (1892) 60; Rehm, Allg. 
Staatslehre, in Marquardsens Handbuch des öffentl. 
Rechts (1899) 130, 149. 
Zu A.: J. J. Moser, Von denen Kayserlichen 
Regierungsrechten u. Pflichten (1772)72; Häberlin, 
Repertorium des deutschen Staats= u. Lehnrechts IV 
(1795) 834; Eichhorn, Deutsche Staats= u. Rechts- 
gesch. (1836) TI 4, §§ 525, 534; Siegel, Deutsche 
Rechtsgesch. (31895) §§ 100, 101. 
Zu B.: Außer den Lehr= u. Handbüchern über 
Reichsstaatsrecht, wovon Laband ((1901) besonders 
hervorzuheben ist, u. außer den Schriften über 
Landesstaatsrecht sowie den einschlägigen Verhand- 
lungen des Reichstags u. der Landtage sind fol- 
gende besondere Werke über R. zu vergleichen: 
Rönne, Die R., in Hirths Annalen des Deutschen 
Reichs (1872) 423, 1585; Hänel, Studien zum 
deutschen Staatsrecht (1873) 156; Laband, Begriff 
der Sonderrechte, in Hirths Annalen (1874) 1487; 
Löning, Die Sonderrechte der deutschen Staaten u. 
die Reichsverfassung, in Hirths Annalen (1875) 
337; v. Martitz in Zeitschrift für Staatswissen- 
schaft XXXII 750; Müller in Hirths Annalen 
Restauration. 
  
650 
(1876) 846; Delbrück, Art. 40 der Reichsverfas- 
sung (1881); Zorn, R., in Holtzendorffs Rechts- 
lexikon (21881); Kittel, Bayrische R. (1892); 
Schliephake, Begriff u. Umfang der Sonderrechte 
der deutschen Bundesstaaten (1896); Ritter, Son- 
derrechte der deutschen Staaten u. die Reichsver- 
fassung (1899); Huber, Auf dem Weg zur Eisen- 
bahngemeinschaft (1902); Piloty, Wie man auch 
mit einem Reservatrecht selbst zu Schaden kommen 
kann, in den Blättern für chministrative Praxis 
(1907) 282. LGröber.]) 
Restauration. I. Begriff. Unter Re- 
stauration versteht man im Staatsrecht die Wieder- 
einsetzung einer legitimen, durch Revolution oder 
Usurpation gewaltsam und widerrechtlich vertrie- 
benen Dynastie, oder noch allgemeiner: die Wie- 
derherstellung der rechtlichen und verfassungs- 
mäßigen Ordnung nach einer längeren Revolution 
oder Anarchie. Derartige geschichtlich besonders 
merkwürdige Restaurationen sind: die Thron- 
besteigung Karls II. von England im Jahr 1660 
und die Rückkehr der Bourbonen auf den franzö- 
sischen Thron im Jahr 1814. Die auf die Wie- 
dereinsetzung der Bourbonen im genannten Jahr 
folgende Epoche, in der an der allmählichen Wie- 
derherstellung (Restauration) der früheren Ord- 
nung gearbeitet wurde, heißt gewöhnlich die Re- 
staurationszeit. Dieselbe Epoche charakterisiert sich 
auch durch verschiedene Versuche, die Staatswissen- 
schaften aus dem verworrenen Chaos unklarer und 
unrichtiger revolutionärer Ideen zu befreien und 
wieder mit der Tradition der Vergangenheit in 
Verbindung zu setzen. Als Hauptrepräsentant 
dieser Richtung gilt neben Joseph de Maistre 
(Bd III 956 ff0 besonders der Verfasser der „Re- 
stauration der Staatswissenschaft“ (Winterthur 
1816/20), K. Ludwig v. Haller (Bd II994 f#). Zu 
einer Restauration im eigentlichen Sinn wird vor- 
ausgesetzt, daß die unrechtmäßig vertriebene Dy- 
nastie nicht durch Verjährung oder aus andern 
Gründen aufgehört habe, legitim zu sein. Unter 
gewissen Voraussetzungen nämlich kann eine ent- 
thronte Herrscherfamilie im Lauf der Zeit ihre 
Ansprüche auf den Thron verlieren (ogl. Art. 
Legitimität Bd III 746 ff; Cathrein, Moral= 
philosophie II“ 655 ff); in einem solchen Fall 
hätten wir nicht mehr eine Restauration im streng- 
sten Sinn, weil diese die unterbrochene Rechts- 
kontinnität zur Voraussetzung hat. 
II. Rechtliche Wirkungen. 1. An und 
für sich und abgesehen von ausdrücklichen Ver- 
tragsbestimmungen tritt bei der Restauration der 
frühere Rechtszustand, soweit möglich, wieder ein, 
und zwar ist es ganz gleichgültig, ob der Usur- 
pator ein rebellischer Untertan oder ein auslän- 
discher Machthaber gewesen sei. Im letzteren Fall 
wird die Restauration nach einem dem römischen 
Recht entlehnten Ausdruck postliminiumge- 
nannt, wofern sie außerhalb eines eigentlichen 
Friedensschlusses durch tatsächliche Befreiung von 
der feindlichen Gewalt erfolgte. Geschah die Ver- 
drängung des Usurpators durch einen Dritten,
	        
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