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ohne Zutun des legitimen, vertriebenen Fürsten,
so ist jener verpflichtet, diesem seine Stellung
wiederzugeben. Eine solche Restitution von seiten
dieses Dritten ist nicht bloß billig oder human, wie
Vattel (Droit des gens III, § 203) meint; auch
ist sie nicht bloß Gegenstand eines Revindikations-
rechts seitens des am Krieg unbeteiligt Gebliebe-
nen, zur Souveränität Berechtigten, wie Heffter
(Das europäische Völkerrecht der Gegenwart,
7. Ausg., § 188, A. 3) annimmt, sondern sie ist
eine strenge Forderung der Gerechtigkeit. Denn
vertrieb dieser Dritte den Usurpator nicht in der
Absicht, dem legitimen Fürsten zu seinem Recht
zu verhelfen, sondern um das eroberte Gebiet für
sich zu behalten, so war seine Tat nur eine Usur-
pation: ein Usurpator ist an die Stelle des andern
getreten, aber Recht ist dadurch keines entstanden,
weil bloße Gewalt auch in den internationalen
Beziehungen noch kein Recht verleiht. Doch hat
der Besieger des Usurpators das Recht, für die
aufgewandten Kriegskosten und Mühen von dem
restaurierten legitimen Fürsten Entschädigung zu
verlangen.
2. Die oben aufgestellte allgemeine Regel über
den Wiedereintritt des früheren Rechtszustands er-
leidet mehrere Ausnahmen, die sich aus der eigen-
tümlichen Stellung des illegitimen Zwischenherr-
schers ergeben. Daß der Usurpator keine Rechte
für sich erwarb und der rechtmäßige Nachfolger
deshalb an und für sich auch keine Verpflichtungen
gegen ihn hat, ist klar. Trotzdem können die Re-
gierungshandlungen des Zwischenregenten für den
Nachfolger bindend sein. Hier sind zwei Fälle zu
unterscheiden. Aus all den Handlungen, welche
der Usurpator vorgenommen, noch bevor er im
tatsächlichen, ruhigen Besitz der Regierung war,
erwächst für den Nachfolger keinerlei Pflicht,
weder gegen den Usurpator noch gegen andere.
Denn in diesem Stadium hat der Usurpator kein
Recht und keine Gewalt, kann deshalb auch nicht
rechtskräftige, verpflichtende Handlungen vor-
nehmen. Sobald er jedoch im faktischen und un-
gestörten Besitz der Regierung ist, sind seine
Amtshandlungen, soweit sie nicht den Rechten des
legitimen Herrschers zuwiderlaufen, als verpflich-
tend und rechtskräftig von den Untertanen an-
zuerkennen (s. d. Art. Usurpation). Dieselben be-
halten auch nach erfolgter Restauration, wenig-
stens provisorisch, ihre Kraft, bis der neue Regent
sie verfassungsmäßig entweder bestätigt oder ab-
geschafft hat; denn wenn es auch im allgemeinen
wahr ist, daß mit dem rechtmäßigen Herrscher die
frühere öffentliche Rechtsordnung wiederkehrt, so
ist doch dieses nur in einer mit dem öffentlichen
Wohl verträglichen Weise zu verstehen. Dieses
Wohl würde aber geschädigt, wenn alle in der
Zwischenregierung im Interesse der gemeinsamen
Wohlfahrt erlassenen Gesetze oder Maßregeln
plötzlich außer Kraft träten. So würde leicht eine
große Rechtsverwirrung und Unordnung ent-
stehen. — Wir beschränkten jedoch unsere Be-
Restauration.
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hauptung absichtlich auf jene Regierungsmaß-
regeln des Zwischenherrschers, welche keine Beein-
trächtigung der Rechte des legitimen Herrschers
enthalten. Derartige rechtswidrige Amtshand-
lungen, die nicht bloß als Übergriffe in eine
fremde Jurisdiktion, sondern auch wegen ihres
Inhalts das Recht verletzen, können eine solche
provisorische Gültigkeit nicht beanspruchen, son-
dern hören mit der Beseitigung des Usurpators
als rechtswidrig von selbst auf. Daraus ergibt
sich, daß etwaige von der Zwischenregierung vor-
genommene Verfassungsänderungen, die eine
Schmälerung der Kronrechte der legitimen Dy-
nastie enthalten, mit der Restauration von selbst
hinsällig werden. Ebenso sind Veräußerungen der
Privatgüter der rechtmäßigen Herrscherfamilie als
nichtig anzusehen. Denn fremdes Gut läßt sich
nicht rechtmäßig verkaufen oder verschenken.
3. Schwieriger ist die Frage, ob die Ver-
äußerungen von Staatsgütern, z. B. Staats-
waldungen, öffentlichen Palästen, die nicht Pri-
vateigentum der regierenden Familie sind, nach
erfolgter Restauration als rechtsgültig anzusehen
seien, vorausgesetzt natürlich, daß die Veräußerung
wirklich im öffentlichen Interesse geschah. Die
Ansichten der Staatsrechtslehrer sind in dieser
Frage geteilt. Nach Heffter (Völkerrecht 8 188, 4)
sind solche Verträge streng obligatorisch und
können von der restaurierten Regierung nicht an-
gefsochten werden. Er beruft sich für seine Mei-
nung u. a. auch auf mehrere in seinem Sinn ab-
gegebene gerichtliche Entscheidungen über die na-
poleonisch-westfälischen Domänenverkäufe. Allein
er übersieht, daß die preußischen Gerichte den
Frieden von Tilsit (1807), durch den Preußen
das westfälische Königreich anerkannt hatte, vor-
aussetzten, daß somit ihre Erkenntnisse von der
Annahme einer rechtmäßigen Regierung aus-
gingen, folglich die uns hier beschäftigende Frage
gar nicht berühren. Bluntschli hält die von der
faktischen Zwischenregierung vorgenommenen Ver-
käufe öffentlicher Güter für ungültig (Modernes
Völkerrecht L18887 § 732). Im gleichen Sinn
entscheiden unsere Frage einige ältere Rechts-
lehrer, wie Dom. Soto (De iust. et jure I. 3,
a. 4, a. 6). Die meisten älteren Rechtslehrer da-
gegen halten ganz allgemein die richterlichen Ent-
scheidungen und die Amtshandlungen des faktisch
im Besitz der Regierung befindlichen Usurpators,
wofern sie nicht den Rechten des legitimen Herr-
schers Eintrag tun, für gültig (De Lugo, De just.
et iure disp. 37, n. 27). Sie gehen jedoch da-
bei von der heute vielfach aufgegebenen Ansicht
aus, das zu einem politischen Gemeinwesen ver-
einigte Volk sei der ursprüngliche Träger der
Staatsgewalt, könne deshalb in gewissen extremen
Fällen dieselbe wieder erwerben und die Juris-
diktion des Usurpators supplieren.
4. Wir glauben, daß solche Veräußerungen,
wie überhaupt alle von der Zwischenregierung mit
den Untertanen abgeschlossenen Verträge, wofern