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sie nicht den persönlichen Rechten des legitimen
Herrschers zuwiderlaufen, gültig sind, aber gegen
eine entsprechende Entschädigung rück-
gängig gemacht (reszindiert) werden können.
Es ist zum Gesamtwohl durchaus notwendig, daß
jemand im Besitz der öffentlichen Gewalt und die
Möglichkeit rechtsgültiger Verträge gegeben sei;
das kann aber nur geschehen, wenn die faktische
Regierung befugt ist, im Interesse der Gesamtheit
gültige Verträge zu schließen. Vieles zum öffent-
lichen Wohl Notwendige läßt sich nur auf dem
Weg von Verträgen zwischen Regierung und
Untertanen erreichen. Dergleichen von der fak-
tischen Regierung eingegangene Verträge dürfen
nach erfolgter Restauration nicht einfachhin als
nichtbestehend ignoriert oder als ungültig ange-
sehen werden; sonst würde sich zum schweren
Schaden der Gesamtheit niemand zu Unterhand-
lungen mit der tatsächlichen Regierung verstehen.
Gilt das selbst unter Voraussetzung einer ab-
soluten Regierung, dann um so mehr bei einer
konstitutionellen Regierung, in der der Monarch
nicht der alleinige Träger der öffentlichen Gewalt
ist. Dagegen ist die neue, legitime Regierung be-
rechtigt, aus Gründen des öffentlichen Wohls und
gegen eine ausreichende Entschädigung derartige
Verträge rückgängig zu machen. Denn in diesem
Fall erleiden die Untertanen keine erhebliche Be-
nachteiligung, und die Pflicht, an alle von dem
illegitimen Zwischenherrscher abgeschlossenen Ver-
träge, auch wenn sie dem Gesamtwohl wider-
streiten, unwiderruflich gebunden zu sein, wäre
für den Nachfolger eine ihm vom unrechtmäßigen
Vorgänger auferlegte hemmende und drückende
Last, die ihn an der gedeihlichen Verwaltung seines
Amts sehr behindern könnte. Man kann auch
sagen, daß die unrechtmäßige Regierung mit den
Untertanen nur bedingungsweise dauernde, über
die Zeit der Zwischenregierung hinaus rechts-
gültige Verträge eingehen konnte, nämlich unter
der Bedingung, daß die nachfolgende Regierung
die abgeschlossenen Verträge nicht rückgängig
mache (reszindiere).
An der Hand des oben entwickelten Grund-
satzes läßt sich auch die Frage entscheiden, ob der
legitime Herrscher die vom Usurpator kontrahierten
Schulden zu übernehmen verpflichtet sei. Die
Privatschulden desselben zu bezahlen, kann er
offenbar nicht gehalten sein; denn diese haften
nicht am Amt, sondern an der Person des Kontra-
henten, und weder die Gesamtheit noch der Re-
präsentant hat dafür einzutreten. Die Schulden
dagegen, welche der Zwischenherrscher im öffent-
lichen Interesse, z. B. um irgend ein öffentliches
Unternehmen ins Werk zu setzen, auf sich geladen,
gehen auf den Nachfolger über gleich den andern
sich auf Verträge gründenden Verpflichtungen;
sonst würde sich der Staat durch fremdes Gut be-
reichern. Man kann gegen die behauptete (be-
dingte) Gültigkeit der Verträge des Zwischen-
regenten nicht geltend machen, daß die Untertanen
Restauration.
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durch Eingehung solcher Verträge den Usurpator
als rechtmäßigen Herrscher anerkennen, sich somit
einer Rechtsverletzung gegen den legitimen Sou-
verän schuldig machen würden. Die Untertanen
fügen sich nur der tatsächlichen Notwendigkeit,
ohne dem Usurpator ein Recht auf die Herrschaft
zuzuerkennen.
Das von Verträgen mit Untertanen Gesagte
läßt sich auch auf Verträge mit auswärtigen
Mächten anwenden, nur mit dem Unterschied, daß
letztere von der restaurierten Regierung viel sel-
tener werden rückgängig gemacht werden können
als erstert. Der Verkehr und das gegenseitige
Vertrauen unter den Staaten würde gehindert
und erschüttert, wenn die mit bloß faktischen Re-
gierungen abgeschlossenen Verträge mit dem Sturz
derselben hinfällig würden. Auch läßt die Natur
der internationalen Verträge viel seltener eine
anderweitige Schadloshaltung des beeinträch-
tigten Teils zu. Somit ist als allgemeine Regel
festzuhalten, daß alle internationalen Verträge in
Bezug auf Handel, Schiffahrt, Postwesen u. dgl.
als rechtsgültig von der restaurierten Regierung
anzuerkennen sind, es sei denn daß inzwischen
ganz andere Umstände eingetreten seien. — Zur
Vervollständigung der aufgezählten Rechtspflichten
fügen wir noch den von den Rechtslehrern all-
gemein aufgestellten Grundsatz hinzu, daß die re-
staurierte Regierung keine Verordnungen mit rück-
wirkender Kraft für die Zeit der Zwischenherrschaft
erlassen kann, wenn es sich um Angelegenheiten
handelt, die während der Zuwischenherrschaft
zu regeln waren. Sie hat nur die Gewalt, die in
den gegebenen Verhältnissen zum Gesamtwohl
notwendig ist. Dazu gehört aber nicht das Recht,
Verordnungen mit rückwirkender Kraft zu erlassen.
Sie ist somit nicht befugt, auf Grund der alten
Verfassung Nachforderungen von Steuern und
Diensten zu verlangen.
III. Politik. Bisher haben wir bloß die bei
der Restauration in Betracht kommende Rechts-
frage behandelt. Wesentlich hiervon verschieden
ist die Frage der Politik, welches Verhalten die
politische Klugheit der restaurierten Regierung
zum Wohl der Gesamtheit und zur Befestigung
ihrer eignen Herrschaft vorschreibe. Wir können
diese Frage in Kürze erledigen, weil sie kaum eine
allgemeine Entscheidung zuläßt, sondern von Fall
zu Fall nach eingehender Prüfung der konkreten
Umstände gelöst werden muß. Ein Grundsatz läßt
sich jedoch immerhin auf Grund der Erfahrung
als allgemeine Richtschnur hinstellen: handelt es
sich um eine Restauration des Königtums nach
einer revolutionären Periode, so ist nur eine volle
und ganze Rückkehr zu den Rechtsgrundsätzen der
christlichen Monarchie von Gottes Gnaden von
nachhaltiger Wirkung. Halbheit und Unent-
schiedenheit wird in einer solchen an den Nach-
wehen politischer Stürme leidenden und nach Er-
lösung seufzenden Epoche nur schädlich sein; sie
wird die demokratischen Elemente mißmutig machen,