Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Güter wertbildend, die durch Arbeit nicht ver- 
mehrt werden können (Kunstwerke, erstklassige 
Weine usw.). Bei allen andern Gütern ist die in 
ihnen verkörperte Arbeitsmenge der einzige den 
Tauschwert bestimmende Faktor, allerdings nicht 
in dem Sinn, daß der absolute Güterwert gleich 
sei der in jedem Gut verkörperten Arbeitsmenge, 
wohl aber daß der relative Wert, ihr Austausch- 
verhältnis, ausschließlich durch diese Arbeitsmenge 
bestimmt werde. Die Reduzierung verschieden 
qualifizierter Arbeit auf Arbeitswerteinheiten voll- 
zieht sich selbsttätig durch die Ausgleichung der 
am Markt sich gegenübertretenden Bewertungen. 
Der Gütervorrat, der in die Produktion, besonders 
in der arbeitsteiligen Verkehrswirtschaft, als 
Hauptproduktionsfaktor eingeht, ist als vergegen- 
ständlichte Arbeit der unmittelbar erforderlichen 
Arbeit zuzuschlagen. Eine Modifikation des reinen 
Arbeitswertgesetzes wird aber durch die verschie- 
dene Zusammensetzung des verwendeten Kapitals, 
d. h. durch die Unterschiede zwischen stehendem 
und umlaufendem Kapital einerseits, der Länge 
des Weges, den das in die Produktion eintretende 
Kapitalgut bis zur Marktreife zurückzulegen hat, 
anderseits, herbeigeführt. Das Gut, auf dessen 
Herstellung mehr stehendes Kapital und eine längere 
Zeitperiode verwendet wurden, erzielt einen höheren 
Preis als Güter, die mit derselben Arbeitsmenge, 
aber in kürzerer Zeit hergestellt wurden. Um die 
Veränderungen im relativen Wert der Güter zu 
untersuchen, bedürfte man eines unveränderlichen 
Maßstabs, den es aber nicht gibt. Es tritt also 
zu der bereits geschilderten Modifikation des Ar- 
beitswerts durch die verschiedene Zusammensetzung 
und Dauer des Produktivkapitals noch im Geld- 
preis die Störung durch den schwankenden Geld- 
wert hinzu. Der natürliche Wert der Güter kommt 
aber auch deswegen in ihrem Marktpreis nicht rein 
zum Ausdruck, da die Kapitalsanlagen in den ver- 
schiedenen Produktionszweigen nach ihrer Sicher- 
heit und aus sonstigen Gründen verschieden be- 
wertet werden. Hierdurch entsteht ein Schwanken 
des Marktpreises, der sich aber kraft jener Tendenz 
der Kapitale, überall die vorteilhafteste Anlage 
auszusuchen, dennoch durch Ausgleichung des 
Kapitalzinses immer wieder dem natürlichen Preis 
nähert. 
Grundrente. Das Gesamtprodukt der 
menschlichen Arbeit verteilt sich unter drei Ge- 
sellschaftsklassen: Grundeigentümer, Kapitalisten 
und Arbeiter. Jener Teil des Gesamtertrags, der 
den Grundbesitzern für die Benützung „der ur- 
sprünglichen und unzerstörbaren Kräftedes Bodens“ 
gezahlt wird, ist die Grundrente; dieselbe ist weder 
ein Zuschlag zu dem natürlichen, durch die ver- 
wendete Arbeitsmenge bedingten Güterpreis (Mo- 
nopolpreistheorie) noch ein Abzug von dem der 
Arbeit zukommenden Lohne (Monopollohntheorie). 
Sie entsteht vielmehr auf natürlich ökonomischem 
Weg durch die fortschreitende wirtschaftliche Okku- 
pation der Erde. Monopolrente kann nicht ent- 
Ricardo. 
  
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stehen, solang noch anbaufähiger Boden irgendwo“ 
auf der Erde nicht angebaut ist und solang in die 
landwirtschaftliche Produktion noch Kapitalien ge- 
steckt werden können, die irgend einen, wenn auch 
noch so geringen Ertrag abwerfen. Begründung: 
Die ersten Bodenbebauer haben die ergiebigsten 
Böden angebaut; sie können keine Rente beziehen, 
da noch Boden in Hülle und Fülle vorhanden ist. 
Sobald durch Bevölkerungsvermehrung die Nach- 
frage nach Nahrungsmitteln wächst und ihr Preis 
sich über den natürlichen Preis zu heben beginnt, 
werden die Böden zweitbester Kategorie, deren 
Anbau sich jetzt bei erhöhtem Preis lohnt, in An- 
griff genommen. Der Preis stellt sich nunmehr 
auf die Summe von Arbeitslohn und Kapitals- 
ertrag für diese zweite Bodenkategorie us. Immer 
wird die letzte unter den gegebenen wirtschaftlichen 
Verhältnissen anbauwürdige Bodenkategorie, die 
eben noch Arbeitslohn und Kapitalertrag bringt, 
also die Rente Null hat, den Preis des gesamten 
Bodenprodukts bestimmen, da dieser Preis auf 
einem Markt ohne Berücksichtigung der Unter- 
schiede in den Erzeugungskosten einheitlich sein 
muß. So entsteht für die Bebauer besserer Böden 
eine Differentialrente. Diese ist sonach Folge der 
natürlichen Preisbewegung und nicht selbst Preis- 
bestimmungsgrund. Gleiche Unterschiede in den 
Erzeugungskosten und daher Differentialrenten 
ergeben sich aus der verschiedenen Entfernung der 
Produzenten vom Markt und aus der nach dem 
Gesetz des abnehmenden Bodenertrags abnehmen- 
den Ergiebigkeit der in die landwirtschaftliche 
Produktion gesteckten Zusatzkapitalien. Es ergibt 
sich hieraus auch, daß die Grundrente notwendig 
steigende Tendenz haben muß, die durch Ver- 
besserungen der Produktionstechnik nur zeitweise 
wettgemacht werden kann. 
Arbeitslohn. Ebensowenig wie die Grund- 
rente ist auch in der Regel der Arbeitslohn für den 
Güterpreis bestimmend, sondern vielmehr um- 
gekehrt der Güterpreis für den natürlichen Arbeits- 
lohn. Dieser ist dann gegeben, wenn der Arbeiter 
bei demselben existieren und sein Geschlecht fort- 
pflanzen kann, d. h. wenn er seine Produktions- 
und Reproduktionskosten ersetzt erhält. Dieser 
natürliche Arbeitslohn wird aber ebenso wie der 
Kapitalgewinn modifiziert durch das Verhältnis 
von Angebot und Nachfrage; durch dieses wird 
der Marktpreis der Arbeit bestimmt. Die Nach- 
frage nach Arbeit ist durch die Größe des der 
Arbeit als Unterlage dienenden Produktions-= 
kapitals (Lohnfonds) gegeben. Das Angebot wird 
durch die Gesetze der natürlichen Bevölkerungs- 
vermehrung beherrscht. Da das Kapital rascher 
als die Bevölkerung zu wachsen pflegt, stellt sich 
der Marktpreis der Arbeit durch lange Zeiten 
über ihren natürlichen Preis. Hierdurch vergrößert 
sich der Anreiz zur Bevölkerungsvermehrung, und 
diese drückt den Lohn wieder auf den natürlichen 
Preis herab. Da aber gleichzeitig nach dem Mal- 
thusschen Gesetz des abnehmenden Nahrungsspiel-
	        
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