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dern eine unbesoldete ehrenamtliche Anstellung er-
halten, ein anderes ergibt.
Die nachfolgenden Bemerkungen gelten nur den
im berufsmäßigen Justizdienst angestellten
Richtern.
1. Die Fähigkeit zum Richteramt wird
durch die Ablegung zweier Prüfungen erlangt.
Der ersten Prüfung muß ein dreijähriges Studium
der Rechtswissenschaft auf einer Universität voran-
gehen, wovon mindestens drei Halbjahre auf einer
deutschen Universität. Zwischen der ersten und
zweiten Prüfung muß ein Vorbereitungsdienst bei
den Gerichten, der Staatsanwaltschaft und bei
einem Rechtsanwalt von drei Jahren liegen. Die
Justizverwaltungen der Einzelstaaten können die
Anforderungen erhöhen, aber nicht unter sie her-
untergehen. Die Dauer des Studiums ist von
Bayern auf 4, von Baden aus 3, die des Vor-
bereitungsdienstes von Preußen, Sachsen, Anhalt,
Schwarzburg-Sondershausen, Waldeck, Schaum-
burg-Lippe, Lippe und Elsaß-Lothringen auf 4
Jahre ausgedehnt worden. Die nähere Reglung
des Universitätsstudiums, des Vorbereitungsdien-
stes und des Prüfungswesens steht den Einzel-
staaten zu und ist sehr verschieden. Zum Richter-
amt ist ferner jeder ordentliche öffentliche Lehrer
des Rechts an einer deutschen Universität befähigt.
Wer in einem Bundesstaat die Fähigkeit zum
Richteramt erlangt hat, ist zu jedem Richteramt
innerhalb des Deutschen Reichs befähigt. Um zum
Mitglied des Reichsgerichts oder Reichsmilitär=
gerichts ernannt werden zu können, ist außerdem
ein Mindestalter von 35 Jahren erforderlich (vgl.
Gerichtsverfassungsgesetz (G.V.G.] 88 2/5, 127;
Militärgerichtsordnung vom 1. Dez. 1898
[M. G. O.] 8 80). Ein Zwang, bei nachgewiesener
Befähigung den Kandidaten anzustellen, um da-
durch im Interesse der Unabhängigkeit und Un-
parteilichkeit der Rechtspflege zu verhindern, daß
die Auswahl des Richterpersonals nach politischen
Gesichtspunkten erfolgt, besteht verfassungsrecht-
lich nirgends.
2. Die Ernennung der Mitglieder des
Reichsgerichts erfolgt durch den Kaiser auf Vor-
schlag des Bundesrats (G.V.G. 8§ 127). Das-
selbe gilt für die Senatspräsidenten und die Räte
des Reichsmilitärgerichts, während der Präsident
dieses Gerichtshofs vom Kaiser ernannt wird, ohne
daß ein Vorschlagsrecht des Bundesrats besteht;
für den bayrischen Senat ergehen die Ernennungen
vom König von Bayern. Im übrigen werden die
richterlichen Militärjustizbeamten von dem zu-
ständigen Kontingentsherrn, in der Marine von
dem Kaiser ernannt (M.G.O. §§ 74, 80, 83;
Ges. vom 9. März 1899). Die Ernennung der
Richter an den einzelnen Zivilgerichten in den
Bundesstaaten geschieht durch die Souveräne;
Präsentationen finden hierbei nicht mehr statt.
Zu den Garantien für die Unabhängigkeit der Ge-
richte gehört die Bestimmung, daß die Ernennung
auf Lebenszeit erfolgen muß (G.V.G. 8 6).
Richter.
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3. Auf das Dienstverhältnis der Richter
finden zunächst die für das Reichs= bzw. Staats-
beamtenverhältnis im allgemeinen geltenden Vor-
schriften ebenfalls Anwendung, also für die im
Reichsdienst angestellten Richter die des Reichs-
beamtengesetzes vom 31. März 1873, für die im
Dienst eines Bundesstaats angestellten die der
partikularen Beamtengesetzgebung. Diese Vor-
chriften werden indessen wesentlich modifiziert
durch solche, welche den einzigen Zweck verfolgen,
die Unabhängigkeit der richterlichen Amtstätigkeit
durch eine vorzugsweise gesicherte Stellung der
Richter zu gewährleisten.
Außer der Bestimmung, daß die Ernennung
der Richter auf Lebenszeit erfolgen muß, gehört
hierher die Vorschrift, daß ihnen ein festes Gehalt
mit Ausschluß von Gebühren gewährt werden muß
und wegen ihrer vermögensrechtlichen Ansprüche
aus dem Dienstverhältnis, insbesondere auf Ge-
halt, Wartegeld oder Ruhegehalt, der Rechtsweg
nicht verschlossen werden darf (G.V.G. 88 7, 9).
Die wichtigste Garantie bilden die Vorschriften
des § 8 G.V.G., wonach die Richter wider ihren
Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und
nur aus Gründen und unter den Formen, welche
die einzelnen bundesstaatlichen Disziplinargesetze
bestimmen, dauernd oder zeitweise ihres Amts
enthoben oder an eine andere Stelle oder in den
Ruhestand versetzt werden können. Als einzige
Ausnahme von diesem Grundsatz läßt dieselbe
Gesetzesstelle zu, daß bei einer Veränderung in der
Organisation der Gerichte oder ihrer Bezirke un-
freiwillige Versetzungen an ein anderes Gericht
oder Entfernungen vom Amt unter Belassung des
vollen Gehalts durch die Landesjustizverwaltungen
verfügt werden dürfen. Die Fälle, in denen eine
vorläufige Amtsenthebung kraft dieser Disziplinar=
gesetze erfolgt oder aber der Verlust von Amt und
Gehalt als Nebenstrafe einer strafrechtlichen Ver-
urteilung eintritt (ugl. Str. G. B. 88 31 ff), werden
dadurch nicht berührt. Auch bezieht sich der Grund-
satz nur auf disziplinarisches Einschreiten
behufs Veränderung der dienstlichen Stellung und
läßt die anderweitigen Vorschriften über etwaige
unfreiwillige Versetzung oder Entlassung der Richter
aus dem Amt unberührt, so z. B. Vorschriften über
unfreiwillige Pensionierung bei Erreichung eines
bestimmten Lebensalters. Zur Ausgestaltung des
richterlichen Disziplinarverfahrens, insbesondere
auch der Bildung der entscheidenden Behörden,
sowie zur Feststellung der Gründe, aus denen die
unfreiwillige Versetzung oder Amtsenthebung er-
folgen kann, also der Begriffsbestimmung der diszi-
plinarisch zu ahndenden Dienstvergehen, haben
die Landesgesetzgebungen besondere Disziplinar=
gesetze erlassen bzw. die bereits bestehenden (wie
in Preußen) mit der neuen Gerichtsverfassung in
Übereinstimmung gebracht. Die Disziplinargesetze
der größten deutschen Bundesstaaten, betr. die
richterlichen Beamten, sind folgende: Preußen
vom 7. Mai 1851, 26. März 1856 und 9. April
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