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XLVII (1886); E. C. K. Gonner, Tho Social
Philosophie of R. (Lond. 1899); Yves Guyot,
R. contra Bastiat, in Journal des Econom.
1907, juillet et aoüt; K. Jentsch, R. (1899); Th.
Kozak, R.-Jagetzows sozialökonom. Ansichten
(1882); F. Mehring, Zur neueren R.-Literatur,
in Neue Zeit, Jahrg. 12, 1893; Dr R. Meyer,
Briefe u. sozialpolit. Aufsätze von Dr R.-Jagetzow
(1880); J. Marian, Ein Beitrag zur Untersuchung
der Grundrentennatur. Darstellung u. Kritik der
R.schen Theorie der Grundrente (1907); 3. O.
Nacht, R.'s Stellung zur sozialen Frage (1908).
IA. Hättenschwiller.]
Römisches Recht s. Recht, römisches.
Roscher. II. Leben, Entwicklungsgang seiner
Arbeiten. II. Lehre und Methode. III. Bedeu-
tung für die deutsche Nationalökonomie. IV. Stel-
lung zur positiven Weltanschauung.!
I. Wilhelm Georg Friedrich Roscher,
geb. am 21. Okt. 1817 in Hannover als jüngstes
von 5 Kindern, gest. am 4. Juni 1894 in Leipzig,
besuchte das Lyzeum in Hannover, legte 18 Jahre
alt seine Reifeprüfung ab, studierte 1835/38 an
der Universität Göttingen, wo besonders Dahl-
mann, Gervinus, Karl Otfried Müller und Al-
brecht auf ihn wirkten. Nach Ablegung der Doktor-
prüfung bei der philosophischen Fakultät (1838)
begab er sich noch für eine Zeit nach Berlin, um
Ranke, Karl Ritter und Böckh zu hören und in
Rankes Seminar zu arbeiten. 1840 habilitierte
er sich für Geschichte und Staatswissenschaften an
der Universität zu Göttingen, er wurde hier 1843
außerordentlicher und ¼ Jahr darauf (Neujahr
1844) ordentlicher Professor. 1848 erfolgte seine
Berufung nach Leipzig, wo er 46 Jahre wirkte.
1889 gab Roscher seine Privatkollegien auf, um
nur noch eine öffentliche Vorlesung zu halten. Er
starb nach zehntägigem, schmerzlosem Krankenlager,
ein Mann von seltenstem Wissen, lichtvoller Klar-
heit, dabei rührender Bescheidenheit und mildestem
Urteil.
Roscher ist der Begründer der historischen Schule
der deutschen Nationalökonomie neben Hildebrand
und Knies. Er besaß eine hervorragende geschicht-
liche und universale Bildung. Kaum 25jährig,
trat er mit einer Schrift über „Leben, Werke und
Zeitalter des Thucydides“ (1842) hervor, in welcher
er eine tiefe allgemeine Bildung, Reife im Urteil
und ein feines Empfinden aufweist (vgl. Julius
Wolf in seinem Nachruf auf Roscher in der Bei-
lage zur Münchner Allgem. Zeitung vom 2. und
3. Juli 1894, Nr 180, 181). Er war vor allem
von Politikern und Historikern beeinflußt. Be-
reits vor ihm waren in Göttingen Geschichte
und Staatswissenschaften von ein und demselben
Dozenten tradiert worden. Die genannte erste
Publikation war Ranke und Ritter gewidmet.
Auch Böckh, Niebuhr, Jak. Grimm wie Ger-
vinus übten großen Einfluß auf ihn (vgl. deren
Würdigung in Roschers Geschichte der National-
ökonomik in Deutschland (/1874) Kap. 33). Ein
zweiter geschichtlicher Band über Herodot und
Römisches Recht — Roscher.
700
Xenophon, und ein dritter, welcher die römischen
Historiker behandeln sollte, ist nicht erschienen.
(Über Herodot und Thuchdides und deren volks-
wirtschaftliche Anschauungen äußert sich später
Noschers Dissertatio de doctrinae deconomico-
Politicae apud Graecos primordiis, 1866.)
Roschers Hauptinteresse wandte sich nun mehr
und mehr den Staatswissenschaften zu, und zwar
galt seine Aufmerksamkeit vor allem der Politik,
„der Lehre von den Entwicklungsgesetzen des
Staats“ (s. Grundriß § 3). Im Vorwort zu
seiner „Politik“ (1892) sagt Roscher denn auch,
daß seine Vorlesungen über Politik immer zu seinen
Lieblingskollegien gehört haben. Die Staats-
wirtschaft ist ihm ein Teil der Politik, und zwar
ein besonders wichtiger und deshalb besonders
detailliert ausgearbeiteter Teil. Diesem Ziel,
die Entwicklungsgesetze des Staats zu finden, galt
seine ganze Methode, ihr zulieb war geschichtliches
Material zu sammeln. Schon ein Jahr nach dem
„Thucydides“ erschien der kleine, aber hochbedeut-
same „Grundriß zu Vorlesungen über die
Staatswirtschaft nach geschichtlicher Methode“
(1843). Hier finden wir seine ganze künftige
gelehrte Arbeit vorgezeichnet, seinen Arbeits-
aufbau angedeutet, die geschichtliche Methode in
den Staatswissenschaften das erste Mal grund-
legend verwertet. „Der Grundriß begnügte sich
nicht damit, ein Programm aufzustellen, das eine
ganz neue Auffassung in seine Wissenschaft ein-
führte, er gab auch eine Skizze der Durch-
führung, eine Skizze, die an Originalität, Geist,
Gelehrsamkeit, wissenschaftlicher Auffassung der
behandelten Probleme kaum ihresgleichen hat.
Roscher hat die großartige Anregung gegeben,
welche zur Umgestaltung der ganzen Volkswirt-
schaftslehre geführt hat“ (L. Brentano in der
„Nationalzeitung“ vom 12. Juni 1894).
Der „Grundriß" behandelt im allgemeinen den
Stoff, der dann in dem „System“, 1854 mit dem
ersten Band beginnend, erweitert wird. Das erste
Buch (Allgem. Teil) bespricht in drei Kapiteln Er-
zeugung (Natur, Arbeit, Kapital, Eigentum),
Verteilung (Preis, Geld, Kredit, Einkommen,
Grundrente, ihre Geschichte, Arbeitslohn, seine
Geschichte, Unternehmergewinn, Kapitalzins) und
Verzehrung der Güter (Konsumtion, Luxus,
seine Theorie und Geschichte, Luxuspolizei). Das
zweite Buch, überschrieben „Volkswirtschaft“, be-
handelt in vier Kapiteln die Urproduktion (Kap. 1,
§§ 18/29): Jagd, Fischerei, Viehzucht, Ackerbau,
Forstwirtschaft, Bergbau. Dabei interessieren ge-
mäß der geschichtlichen Methode vor allem die
historischen Exkurse zu diesen Themen: z. B. Ge-
schichte der landbauenden Klassen (§ 21), Theorie
und Geschichte der Feldsysteme (§ 22), Verhält-
nisse des Grundeigentums (8 23), bäuerliche
Lasten (§ 25). Realkredit (§ 26), Geschichte der
Forstverwaltung (8 28). Des weiteren (Kap. 2)
kommt der Gewerbfleiß zur Erörterung (88 30/33).
Die nach der geschichtlichen Methode geführten