Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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steht die Hauptmasse der Bevölkerung aus Ru- 
mänen (5 489 296 oder 92,1%), die wohl als 
Nachkommen der romanisierten thrakischen Daker 
(mit Beimischung von slawischen, illyrischen und 
andern Volkselementen) zu betrachten sind und 
außer in Rumänien in geschlossenen Massen auch 
in Siebenbürgen und Ostungarn (2,8 Mill.), in 
der Bukowina (240 000), in Bessarabien (1,11 
Mill.) und in Serbien (an 150 000) zerstreut 
auch in Makedonien (die Kutzowlachen oder Aro- 
munen), Albanien, am Pindus, in Istrien sitzen. 
Von den Stammesfremden waren 1899: 108285 
Osterreicher und Ungarn, 23 756 Türken, 20 103 
Griechen, 8841 Italiener, 7964 Bulgaren, 7636 
Deutsche, 5859 ausländische Juden, 11 380 an- 
dere; unter rumänischem „Schutz“ leben 278560 
Personen (256 488 Juden, 22 072 andere. meist 
Zigeuner). Hauptstadt ist Bukarest (1908 an 
290 620 Einw.); die übrigen größeren Städte 
sind Jasi (79 320), Galatz (65 500), Braila 
(591970), Ploesci (48000), Craiova (45 800) 
und Botosani (33 800). 
III. Staafsrecht. Die heutige Organisation 
des Staats beruht auf der Verfassuxg vom 
29. Juni 1866, der die belgische Verfassung von 
1831 als Muster gedient hat. Danach ist Ru- 
mänien eine konstitutionelle Monarchie. Der Thron 
ist erblich in direkter und rechtmäßiger absteigender 
Manneslinie nach dem Recht der Erstgeburt, mit 
dauerndem Ausschluß der Frauen. Beim Fehlen 
direkter Nachkommen fällt er an den Bruder des 
Königs und seine Nachkommen; sind auch solche 
nicht vorhanden, so kann der König seinen Nach- 
folger aus einer der europäischen regierenden Fa- 
milien ernennen. In den übrigen Fällen treten 
die gesetzgebenden Körperschaften zu einer gemein- 
samen Tagung zusammen, um einen König zu 
wählen; ein diesbezüglicher Beschluß muß mit 
3⅝ Mehrheit bei Anwesenheit von wenigstens 
der Mitglieder gefaßt sein. Als Träger der gesetz- 
gebenden Gewalt (zugleich mit dem Parlament) 
hat er die Befugnis, die gesetzgebende Versamm- 
lung jährlich zur ordentlichen Tagung (15. Nov. 
bis 15. Febr.) einzuberufen, die Session zu ver- 
tagen (doch nur einmal und nicht länger als auf 
1 Monat) msie aufzulösen, wobei das Auflösungs- 
dekret zugleich das Datum der Neuwahl, die min- 
destens 2 Monate nach dem Tag der Auflösung zu 
erfolgen hat, angeben muß, durch die Minister 
Gesetzentwürfe dem Parlament zu unterbreiten, 
die Anwendung der Gesetze durch Ausführungs- 
bestimmungen zu regeln; die vom Parlament an- 
genommenen Gesetze, um in Kraft zu treten, be- 
dürfen der Bestätigung durch den König. Als 
Träger der ausübenden Gewalt hat der König 
das Recht, alle Staatsbeamten einschließlich der 
Minister zu ernennen und zu entlassen; er hat den 
Oberbefehl über die bewaffnete Macht im Frieden 
wie im Krieg, er schließt Handels= und Schiff- 
fahrtsverträge mit andern Nationen, nach vor- 
gängiger Billigung der gesetzgebenden Körper- 
Rumänien. 
  
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schaften; er hat das Recht, Münzen prägen zu 
lassen usw. Alle seine Verfügungen verwaltungs- 
rechtlicher Natur bedürfen zu ihrer Gültigkeit der 
Gegenzeichnung durch einen Minister, der dadurch 
die Verantwortung übernimmt. 
Die Volksvertretung besteht aus dem 
Senat und der Abgeordnetenkammer. Die Mit- 
glieder des Abgeordnetenhauses (183) werden 
durch alle mündigen Rumänen, die eine, wenn auch 
noch so geringe Steuer bezahlen, in drei Wahl- 
kollegien gewählt. Die erste Klasse der Wähler 
umfaßt alle, die ein Einkommen von mindestens 
1200 Ler jährlich aus Grundbesitz haben, die 
zweite Klasse alle, welche die Volksschule vollstän- 
dig besucht haben, einen freien Beruf ausüben, 
eine Pension empfangen oder jährlich wenigstens 
20 Le“ direkter Staatssteuern bezahlen. Zur dritten 
Klasse gehören alle, die irgend eine Steuer an den 
Staat bezahlen und nicht in einer der andern Klas- 
sen wahlberechtigt sind; der größte Teil der 
Wähler dieser Klasse wählt indirekt, indem je 
50 Wähler einen Wahlmann wählen. Die ge- 
wählten Senatoren werden in zwei Wahlkollegien 
auf 8 Jahre gewählt (alle 4 Jahre findet eine 
hälftige Erneuerung statt). Für die Wahl zum 
Senat umfaßt die erste Klasse, die 60 Senatoren 
wählt, alle, die ein jährliches Einkommen von 
2000 Lek aus Grundbesitz haben, ferner ohne 
Rücksicht auf die Steuerhöhe alle höheren mili- 
tärischen und richterlichen Beamten, Minister und 
diplomatischen Vertreter (auch die gewesenen), die 
Mitglieder der Akademie, die Senatoren und Ab- 
geordneten, die zwei Legislaturen mitgemacht 
haben, die Präsidenten des Parlaments und die 
Doktoren und Lizentiaten, die ihren Beruf seit 
6 Jahren ausüben; die zweite Klasse, die 50 Se- 
natoren wählt, besteht aus denen, die ein Ein- 
kommen von wenigstens 800 Ler aus Grundbesitz 
haben, aus den Gewerbetreibenden und Kauf- 
leuten, die eine Gewerbesteuer erster und zweiter 
Klasse zahlen, sowie aus denen, die ein Doktor- 
oder Lizentiatendiplom besitzen, den gewesenen 
oder seit 6 Jahren im Amt befindlichen Beamten, 
den Ingenieuren, Architekten, Arzten und Phar- 
mazeuten, den Professoren an den städtischen 
Schulen und den vom Staat anerkannten Mittel- 
schulen ohne Rücksicht auf die Höhe der Steuern. 
Die Lehrkörper der beiden Landesuniversitäten 
haben das Recht, je einen Vertreter in den Senat 
zu entsenden, außerdem haben der volljährige 
Thronfolger und die acht orthodoxen Bischöfe von 
Amts wegen Sitz und Stimme im Senat (im 
ganzen 121 Mitglieder). 
Als Abgeordneter wählbar ist jeder geborene 
oder naturalisierte Rumäne, der 25 Jahre alt ist, 
sich im Vollgenuß der bürgerlichen Rechte befindet 
und im Land wohnt. Für den Senat wählbar 
sind alle vollberechtigten, 40 Jahre alten Rumä- 
nen, die ein Einkommen von jährlich 9400 Ler 
haben. Gewisse Klassen von Beamten, höher Ge- 
bildete (Inhaber von Doktor- und Lizentiaten-
	        
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