Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Korps der Strelitzen (ca 40 000 Mann) und das 
der geworbenen Soldaten (ca 15.000 Mann, 
meist Ausländer). — Auf dem Patriarchenstuhl 
zu Moskau saß von 1652/61 der gelehrte Nikon. 
Dieser ließ die im Verlauf der Zeit durch Ande- 
rungen, Einschaltungen und absichtliche Fäl- 
schungen entstellten slawischen Kirchenbücher nach 
den alten slawischen und griechischen Texten ver- 
bessern. Ein Teil der Geistlichen und des Volks 
nahm aber die verbesserten liturgischen Bücher 
nicht an und bildete seitdem die Sekte der Sta- 
rowjerzi (Altgläubigen) oder Raskolniki (Sek- 
tierer), die trotz der Verfolgungen durch den Staat 
eine weite Verbreitung fand. 
Seit dem 15. Jahrh. war Rußland zum Abend- 
land in diplomatische Beziehungen getreten; ein 
österreichischer Gesandter, Baron Herberstein, 
machte Europa durch sein Buch Rerum mosco- 
viticarum commentari 1549 mit dem werden- 
den slawischen Staat bekannt. Im 16. Jahrh. 
wurden Handelsbeziehungen zu England, dann zu 
den Niederlanden und Frankreich angeknüpft, auf 
dem Wege über Archangelsk, weil der über die 
Ostsee von Schweden geschlossen war. Iwan IV., 
Godunow, Alexei, der falsche Demetrius suchten 
die Bildung und die materielle Kultur mit Hilfe 
deutscher, englischer und niederländischer Lehrer, 
Offiziere, Geschützgießer, Ingenieure und Berg- 
leute zu heben. Beim Volk selbst erregten jedoch 
diese Bestrebungen Anstoß. In diesem Kampf 
zwischen Altem und Neuem stellte sich Peter 
der Große (1682/1725) mit seiner ganzen Be- 
gabung, Tatkraft und Schaffenslust auf die 
Seite der europäischen Kultur und setzte sich über 
alle Uberlieserungen und Vorurteile hinweg. Als 
wichtigste Lebensbedingung für Rußland betrach- 
tete er den Zugang zum Meer. Durch den Nor- 
dischen Krieg (Frieden von Nystad 1721) erwarb 
er Livland, Estland, Ingermanland und Karelien. 
In den ersten Jahren des Kriegs gründete er hier 
als neue Reichshauptstadt 1703 St Petersburg, 
dann die Festungen Kronstadt und Schlüsselburg. 
Damit hatte Rußland zugleich eine geachtete Stel- 
lung unter den Mächten erobert. Den Zugang 
zum Schwarzen Meer, den Peter mit der Er- 
oberung Asows 1696 gewonnen, verlor er wieder 
im Frieden mit der Türkei 1711. Dagegen wurde 
durch den siegreichen Krieg mit Persien 1722/23 
die künftige Herrschaft über den Kaspisee vor- 
bereitet. Durch den Bau von Land= und Wasser- 
straßen, Handelsverträge, eigne Reisen und Er- 
ziehung des jungen Adels im Ausland brachte er 
sein Land Europa näher. Auch wurden viele Aus- 
länder ins Land gezogen, um die Schätze seines 
Reichs an Wolle, Leder und Mineralien nutz- 
bringender zu verwerten. Neben der Flotte wurde 
mit Hilfe fremder Offiziere eine starke Artillerie 
geschaffen, durch Vernichtung der Strelitzen und 
Unterwerfung der Kosaken (Abschaffung der Het- 
manswürde nach dem Aufstand Mazeppas) das 
Heerwesen vereinheitlicht. Durch Berufung von 
Rußland. 
  
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Lehrern, Gründung von Schulen und Buch- 
druckereien, Ubersetzungen, Ausschluß ungebildeter 
Leute aus dem Staatsdienst und aus dem Adel 
förderte er die Kultur, soweit sie dem wirtschaft- 
lichen Leben und der Verwaltung diente. Am 
1. Juli 1700 wurde der Julianische Kalender ein- 
geführt. Das Reich wurde in 8 (später 11) 
Gouvernements, diese in (39, später 43) Pro- 
binzen eingeteilt, als Zentralbehörden 1718 10 
Regierungskollegien (Ministerien) geschaffen, an 
Stelle des Bojarenrats 1711 der Senat als 
Oberaufsichtsbehörde und höchster Gerichtshof 
eingesetzt. Rechts-, Steuer-, Münzwesen wurden 
verbessert, der Geburtsadel aufgehoben und durch 
den Dienstadel ersetzt. Die Rücksichtslosigkeit und 
Hast, mit der er seine Reformen durchführte, und 
seine Eingriffe ins Familien= und gesellschaftliche 
Leben riefen viel Unzufriedenheit (selbst in seiner 
eignen Familie) und den Widerstand der An- 
hänger des Alten hervor. Daher beschränkte er 
vor allem den Einfluß der Kirche, indem er das 
Patriarchat seit 1700 nicht mehr besetzte, 1721 
abschaffte und den Synod (unter einem General- 
prokurator, meist einem Militär oder Juristen) an 
die Spitze der Kirche stellte. 
Nach Peters Tod wurde Rußland meist schlecht 
regiert, wiederholt von Frauen, womit eine sitten- 
lose Günstlingswirtschaft aufkam. Es folgten auf- 
einander Peters Witwe Katharina I. (1725/27), 
sein Enkel Peter II. (1727/30), seine Nichte Anna 
(1731/40), sein Großneffe Iwan (1740/41), seine 
Tochter Elisabeth (1741/62), dann sein Enkel 
Peter III. (und damit das Haus Holstein-Got- 
torp), der aber noch im selben Jahr von seiner 
Gemahlin Katharina II. beseitigt wurde. Am 
besten war verhältnismäßig noch die Regierung 
der Deutschen Ostermann, Biron und Münnich; 
im allgemeinen war aber die innere und äußere 
Politik gleich planlos, nur Asow wurde mit un- 
geheuern Opfern gewonnen (1739). Erst Katha- 
rina II. wirkte wieder im Geist Peters des Großen 
weiter. Um die wissenschaftliche Bildung, die Lite- 
ratur und Kunst in Rußland erwarb sie sich große 
Verdienste. Das Volk gewann freilich von ihrer 
glänzenden Regierung so viel wie nichts, ihre li- 
beralen Ideen, die sich eine Zeitlang mit der Auf- 
hebung der Leibeigenschaft beschäftigten, wurden 
nicht in die Praxis umgesetzt. Rücksichtslos nutzte 
sie die Schwäche der Türkei und die Zersetzung 
Polens aus und gewann nach zwei Kriegen gegen 
die erstere in den Friedensschlüssen von Kütschük- 
Kainardze 1774 und Jasi 1792 das Gebiet bis 
zum Dnujestr und die Krim, in den drei Teilungen 
von 1772, 1793 und 1795 den größten Teil 
Polens bis zum Njemen und Bug. 
Seit Peter dem Großen, der das Erstgeburts- 
recht beseitigt hatte, war die Entscheidung über die 
Thronfolge in den Händen der Garde gelegen. 
Paul I. (1796/1801) stellte das Erstgeburtsrecht 
1797 wieder her. Seit 1797 beteiligte sich Ruß- 
land an den europäischen Kriegen und gewann
	        
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