Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Künsten, 1,9% in Heer und Flotte tätig, 6,3% 
sind Bedienstete und Arbeiter, 3,5 5/ Rentier und 
Nutznießer, 1,5 % berufslos oder unbekannten 
Berufs. Der Konfession nach waren 76% luthe- 
risch, 13,5% katholisch, 3,7 % Mennoniten, 
3,6% Reformierte, 1,3% Jeraeliten, 1,1 
Baptisten, nach den Gesellschaftsklassen 70,7% 
Bauern, 18,1% Stadtbürger, 1.4 %% erblicher 
Adel, 1 % persönlicher Adel und Beamte. 0,1% 
christliche Geistliche, 0,8 % Ehrenbürger, 0,6% 
Kaufleute, 7,3 % fremde Untertanen und Son- 
stige. Die Schweden wohnen hauptsächlich in Fin- 
land. — Die romanische Rasse ist vertreten 
durch Rumänen, meist in Bessarabien und Cher- 
son, durch Franzosen und Italiener in den größeren 
Städten; Griechen, größtenteils Händler, finden 
sich in Südrußland und den größeren Städten. 
Die Juden, hauptsächlich Handwerker und 
Kleinhändler, gehören rechtlich zu den „Fremd- 
stämmigen“ und sind vielen Beschränkungen unter- 
worfen. Vor allem dürfen sie nur im sog. Ge- 
biet der jüdischen Ansässigkeit wohnen (in dem 
sie 11,6 % der Bevölkerung ausmachen); dazu 
gehören die 10 Gouvernements des ehemaligen 
Königreichs Polen, die Gouvernements Bess- 
arabien, Wilna, Wolhynien, Grodno, Jeka- 
terinoslaw, Kowno, Minsk, Mohilew, Podolien, 
Poltawa, Taurien, Cherson, Tschernigow und 
Kijew (ohne die Stadt Kijew); auch innerhalb 
dieses Gebiets ist es ihnen seit 1882 verboten, 
sich außerhalb der Städte und Flecken anzu- 
siedeln (doch traten in diesem Punkt 1904 und 
1905 für bestimmte Kategorien, besonders Hand- 
werker und niederes Sanitätspersonal, Milde- 
rungen in Kraft), außerhalb der Städte Grund- 
besitz zu erwerben oder zu pachten. Außerhalb 
des Ansässigkeitsrayons dürfen sich Juden nur 
bei bestimmten wichtigen Geschäften bis zur Dauer 
von zwei Monaten aufhalten. Keinerlei Aufent- 
haltsbeschränkung für ganz Rußland besteht für 
jüdische Kaufleute, die mindestens 5 Jahre der 
ersten Gilde angehören, für Inhaber gelehrter 
akademischer Grade, Absolventen von Hochschulen, 
Zahnärzten, Apothekern, Feldscherer, Hebammen 
und Studierenden, die diesen Berufen sich widmen. 
Der Eintritt in den Staatsdienst ist nur den In- 
habern von akademischen Graden oder Absolventen 
einer Universität mit einem Diplom ersten Grads 
gestattet und auch diesen nur in wenigen bestimm- 
ten Zweigen der Verwaltung. Die Möglichkeit, 
höhere Bildung zu erwerben, ist dem größten Teil 
verschlossen, da Juden in die staatlichen mittleren 
und höheren Schulen nur bis zu einem bestimmten 
Prozentsatz der gesamten Zahl der Schüler oder 
Studierenden (nach Ukasen von 1907 und 1909 
nur 3/4% ) ausgenommen werden dürfen. Für 
die jüdische Sekte der Karaimen oder Karaiten 
gelten sämtliche Ausnahmebestimmungen nicht. 
Zu den finnisch redenden Völkern gehören die 
eigentlichen Finnen in Finland, die Lappen 
(auf der Kolahalbinsel), Esten und Liven (in Est- 
Rußland. 
  
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land, Livland, in den Gouvernements St Peters- 
burg, Pskow und Twer), die Wolga= und Kama- 
finnen. Die Wolgafinnen sind größtenteils russi- 
fiziert worden; zu ihnen gehören die Mordwinen 
(an der mittleren Wolga) und die Tscheremissen 
(Wjatka, Kasan, Perm und Ufa); zu den Kama- 
finnen zählen die noch heidnischen Wotjaken 
(Wjatka, Kasan, Perm. Samara und Ufa) und 
die stark russifizierten Eyrjänen (Wologda und 
Archangelsk). Ein ugrofinnisches Volk mit starkem 
mongolischen Typus sind die Wogulen am Ost- 
hang des Urals zwischen der nördlichen und süd- 
lichen Soswa, zum Teil stark mit Russen ver- 
mischt; eine selbständige Gruppe der finnischen 
Völker sind die Samojeden, das nördlichste Volk 
des russischen Reichs (an den Küsten des Eismeers 
bis Nowaja Semlja). 
Zu den (mohammedan.) turkotatarischen 
Völkern gehören die Kirgisen (1897: 4285 821) 
zwischen Ural und Wolga, in Zentralasien und im 
Süden von Westsibirien, die Tataren (3737627), 
deren zahlreiche Stämme an der unteren Wolga, 
in Taurien, Orenburg, Wjatka, Perm, in Kau- 
kasien und in den Steppen des nördlichen Zentral- 
asiens wohnen, die Baschkiren (1 321363; 
Orenburg und Ufa) und ihre Nachbarstämme der 
Mettscherjaken und Teptjären (117773) und 
Tschuwaschen (843 755), die Usbeken (726 534; 
in Zentralasien), die Turkmenen (281 357) im 
Kaukasus, zwischen Kaspischem Meer und Amu- 
darja, die Osmanen (208 822) in Transkaukasien 
und die (meist christlichen) Jakuten (227 384; 
Irkutsk). Ein indogermanisch-semitisch-mongoli- 
sches Mischvolk sind die Sarten (968 655; Tur- 
kestan). Die Tungusen wohnen in Sibirien zwi- 
schen Jenissei und dem Ochotskischen Meer; zu den 
Mongolen gehören die meist russifizierten Burjä- 
ten (288 663; am Baikalsee) und die Kalmücken 
(190648; im Gouvernement Astrachan, im Ili- 
becken, am Balkaschsee, Altai usw.). — Die Kau- 
kasusvölker (an 35) zerfallen sprachlich in die 
5 größeren Gruppen der Kartweler (Georgier, 
Lasen, Swaneten usw.), der Lesghier, Tschet- 
schenzen, Tscherkessen und Abchasen. Die Arme- 
nier wohnen hauptsächlich in Transkaukasien; 
Iranier sind die Osseten (im Kaukafus), die 
Kurden und Perser (in Transkaukasien) und die 
Bewohner des Pamir. Die Hyperboräer oder 
Paläasiaten bewohnen den äußersten Nordosten 
Asiens, die Kamtschatkahalbinsel und Sachalin. 
III. Berfasfung. Seit dem kaiserlichen Mani- 
sest vom 17. (30.) Okt. 1905, das eine neue 
Ordnung der Staatsverfassung verhieß, und der 
Verfassungsurkunde vom 23. April 1906, dem 
nunmehr gültigen Grundgesetz des Staats, ist 
Rußland eine verfassungsmäßige Monarchie mit 
einem selbstherrlichen Zaren an der Spitze. Dem 
Kaiser aller Reußen steht danach nicht mehr 
die frühere unumschränkte Gewalt zu, da er 
durch die von ihm verliehene Verfassung kraft 
seines eignen Willens sich dahin gebunden hat,
	        
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