Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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gelegenheiten werden von besondern Institutionen 
auf Grund einer speziellen Gesetzgebung ver- 
waltet. Die Finland betreffenden Gesetze und Ver- 
fügungen werden nach dem genannten Gesetz er- 
lassen in der durch die allgemeine (für ganz Ruß- 
land geltende) Gesetzgebung festgesetzten Ordnung, 
wenn sie sich nicht ausschließlich auf die innern 
Angelegenheiten Finlands beziehen, und in der 
durch eine besondere Gesetzgebung festgesetzten (nur 
für Finland geltenden) Ordnung, wenn sie sich 
ausschließlich auf die innern Angelegenheiten be- 
ziehen. Zu der Zahl derjenigen Gesetze und Ver- 
fügungen, die auf dem Weg der allgemeinen 
Gesetzgebung (durch Zusammenwirken von Zar, 
Reichsrat und Reichsduma) geregelt werden (also 
nicht als rein innere Angelegenheiten gelten), ge- 
hören nach dem neuen Finlandgesetz alle diejenigen 
Gesetze und Verfügungen, die über folgendes be- 
stimmen (Übersetzung der St Petersburger Zei- 
tung): 10 die Beteiligung Finlands an den Staats- 
ausgaben und Festsetzung der Einzahlungen, Ge- 
bühren und Steuern hierfür; 2) die Ableistung 
der Wehrpflicht seitens der Bewohner Finlands 
sowie anderer Lasten für militärische Zwecke; 3) die 
Rechte der russischen Untertanen in Finland, die 
nicht finländische Bürger sind; 4) den Gebrauch 
der Reichssprache in Finland; 5) die Grund- 
bestimmungen der Verwaltung Finlands auf Grund 
einer besondern Gesetzgebung; 6) die Rechte, Pflich- 
ten und den Tätigkeitsmodus der kaiserlichen In- 
stitutionen und Behörden in Finland; 7) die 
Ausführung von Urteilen, Entscheidungen und 
Verfügungen in Finland gerichtlicher Behörden 
und die Forderungen der Behörden anderer Teile 
des Reichs sowie der von ihnen getroffenen 
Verträge und Akten; 8) die Festsetzung der im 
Staatsinteresse gebotenen Ausnahmen von den 
Kriminalgesetzen und der Gerichtsordnung; 9) die 
Sicherstellung der Staatsinteressen in Sachen der 
Festsetzung des Unterrichtsprogramms und der 
Kontrollierung desselben; 10) die Bestimmungen. 
über öffentliche Versammlungen, Vereine und Ver- 
bände; 11) die Rechte und Bedingungen der 
Tätigkeit von Gesellschaften und Kompanien in 
Finland, die in andern Ortschaften des Reichs 
und im Ausland gegründet worden sind; 12) die 
Gesetzgebung über die Presse in Finland und über 
die Einfuhr von Preßerzeugnissen aus dem Aus- 
land; 13) das Zollwesen und die Zolltarife in 
Finland; 14) den Schutz der Handels= und In- 
dustriemarken und der Patente in Finland sowie 
des literarischen und künstlerischen Urheberrechts; 
15) das Geldsystem in Finland; 16) die Post, 
das Telephon, die Luftschiffahrt und ähnliche Ver- 
kehrsmittel in Finland; 17) die Eisenbahnen und 
andere Kommunikationsmittel in Finland in Be- 
zug auf die Landesverteidigung und hinsichtlich 
des Verkehrs zwischen Finland und andern Teilen 
des Reichs; den Eisenbahntelegraphen; 18) die 
Schiffahrt und das Lotsen-- und Leuchtturmwesen 
in Finland; 19) die Rechte der Ausländer in Fin- 
Rußland. 
  
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land. Veränderungen und Ergänzungen dieser 
Punkte sowie der schon vor Erlaß dieses Gesetzes 
gültigen, auch auf Finland ausgedehnten Gesetze 
und Verfügungen können nur auf Initiative des 
Zaren im Weg der allgemeinen Gesetzgebung vor- 
genommen werden. Gesetzesvorschläge zu den in 
diesen 19 Punkten genannten Gegenständen sowie 
Vorschläge auf Anderungen der andern allgemeinen, 
auch für Finland gültigen Gesetze, die von den 
Ministern und den Dirigierenden einzelner Res- 
sorts ausgearbeitet worden sind, werden — vor 
Vorstellung derselben in den Ministerrat — vom 
betreffenden Minister oder Dirigierenden durch 
den finländischen Generalgouverneur dem finlän- 
dischen Senat zur Begutachtung vorgelegt. Da- 
bei kann für Abgabe des Gutachtens eine bestimmte 
Frist angesetzt werden, nach deren Ablauf die An- 
gelegenheit ohne Gutachten weiter verfolgt wird, 
wenn dieses nicht zum festgesetzten Termin geliefert 
worden ist. Die Gutachten des Kaiserlich fin- 
ländischen Senats werden durch den General- 
gouverneur dem betreffenden Minister oder Diri- 
gierenden übermittelt. Vorschläge zu Gesetzen und 
Bestimmungen über nicht ausschließlich Finland 
betreffende Gegenstände, die vom finländischen 
Generalgouverneur oder vom finländischen Senat 
ausgearbeitet worden sind, werden vom General- 
gouverneur dem Ministerrat vorgelegt. Gesetz- 
entwürfe über Gegenstände, die in einem der 
19 Punkte genannt sind, die zudem aber die Kom- 
petenz des finländischen Landtags betreffen oder 
vom Landtag erlassene örtliche finnische Gesetze be- 
rühren, werden vom Ministerkonseil vor Ein- 
bringung bei der Reichsduma dem finnischen Land- 
tag zur Begutachtung vorgelegt. Die Übergabe 
von Gesetzentwürfen zu andern Finland betreffen- 
den Angelegenheiten an den Landtag zur Begut- 
achtung hängt vom Ministerkonseil ab und wird 
ebenfalls vor Einbringung dieser Gesetzentwürfe 
bei der Reichsduma vorgenommen. Finland be- 
treffende Gesetzentwürfe, für welche vom Minister- 
konseil kein Gutachten des finländischen Landtags 
eingeholt worden ist, können laut Dumabeschluß 
dem Landtag zur Begutachtung übergeben wer- 
den, wobei diese Ubergabe erst nach Annahme des 
Gesetzentwurfs in einer Plenarversammlung der 
Reichsduma erfolgen kann. ç 
Gesetzentwürfe, welche laut Beschluß des Mi- 
nisterkonseils oder der Reichsduma dem Landtag 
zur Begutachtung zu übergeben sind, werden dem 
Landtag vom Präsidenten des Ministerkonseils 
durch Vermittlung des finländischen General- 
gouverneurs übermittelt. Die Resolutionen des 
Landtags zu den ihm in dieser Weise übermittelten 
Gesetzentwürfen werden im Lauf der ordentlichen 
oder außerordentlichen Session vorgenommen, 
welcher sie zur Durchsicht übergeben sind, wenn 
die Übergabe des Gesetzentwurfs spätestens zwei 
Monate vor Schluß der Session erfolgt ist; im 
gegenteiligen Fall wird die Resolution im Lauf 
der nächsten ordentlichen oder außerordentlichen
	        
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