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Im Deutschen Bund erhielt Sachsen im Engeren
Rat eine, im Plenum vier Stimmen. Alle Sorg-
falt wurde nun der Hebung des gesunkenen Wohl-
standes, der Förderung des Unterrichts, der Ord-
nung der Finanzen gewidmet. Es wurde der
Geheime Rat (1817) ins Leben gerufen, den
Reformierten (1818) gleiche Stellung mit den
Lutheranern gewährt, für die kirchlichen Angelegen-
heiten der Katholiken ein Apostolisches Wikariat
geschaffen (1818).
Friedrich Augusts I. Nachfolger war sein 71jäh-
riger Bruder Anton (1827/36); er nahm infolge
der Septemberunruhen des Jahrs 1830 seinen
Neffen Friedrich August als Mitregenten an und
hob am 4. Sept. 1831 mit Zustimmung des alten
ständischen Landtags die alte ständische Verfassung
auf und erließ ein neues Staatsgrundgesetz. Die
neue Landesvertretung bestand aus zwei Kammern,
die wenigstens alle drei Jahre berufen werden
mußten: der Ersten Kammer, zusammengesetzt aus
den Prinzen des königlichen Hauses und 40 andern
Mitgliedern, und der Zweiten Kammer, in welche
20 Rittergutsbesitzer, 25 Abgeordnete der Städte,
5 des Handels= und Fabrikstandes, 25 der Bauern
gewählt wurden. Die allgemeine Städteordnung
vom 2. Febr. 1832 räumte den städtischen Ge-
meinden freiere Selbstbewegung in der Verwaltung
ein. Der erste Landtag neuer Ordnung (1833/84)
stimmte der Neuorganisation des Justiz= und Ver-
waltungswesens zu (Oberappellationsgericht zu
Dresden, 4 Bezirksappellationsgerichte und 4 Kreis-
direktionen zu Dresden, Leipzig, Zwickau, Bautzen,
Staatsministerium mit 6 Departements an Stelle
des Geheimen Kabinetts). 1833 kam Sachsen
mit Preußen über seinen Anschluß an den all-
gemeinen deutschen Zollverein überein.
Beim Tod König Antons folgte der Mitregent
Friedrich August II. (1836/54). Der zweite
Landtag (1836/37) nahm ein königliches Haus-
gesetz und eine Landgemeindeordnung an. Auf
dem Münzkongreß von Dresden (1838) trafen
die Staaten des Zollvereins ein Übereinkommen,
demzufolge Sachsen 1841 die neue Münzwährung
einführte, den preußischen Taler als Vereinstaler
annahm, aber nicht mit der Duodezimal-, sondern
mit der Dezimalteilung. Die Fortdauer der guts-
herrlichen Rechte und des Zunftzwangs hatte schon
Mitte der 1840er Jahre zu Unruhen geführt. Die
Gärung wuchs infolge der Hungerjahre 1846/47.
Unter dem Druck der französischen Februarrevo-
lution berief der König 1848 das liberale „März-
ministerium". Die Zensur wurde aufgehoben,
das Vereins= und Versammlungsrecht freigegeben,
Schwurgerichte und allgemeine Wehrpflicht ein-
geführt. Ein neues Wahlgesetz brachte für die
Zweite Kammer allgemeine direkte Wahlen, für
die Erste Kammer Zensuswahlen. Die 1849 auf
Grund dieses Wahlrechts gewählte radikal gesinnte
Volksvertretung („Unverstandslandtag") forderte
die Anerkennung der vom Frankfurter Parlament
verkündeten Reichsverfassung, die König und Mi-
Sachsen.
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nisterium bei der ablehnenden Haltung Preußens
verweigern zu müssen glaubten. Die Kammern
verweigerten nun die Steuern und wurden des-
halb aufgelöst (30. April 1849). Der daraufhin
ausbrechende blutige Aufstand in Dresden wurde
mit Hilfe preußischer Truppen niedergeschlagen
(9. Mai). Wegen des Widerstands gegen die
Wiederaufrichtung des Deutschen Bundes wurden
die Kammern („Widerstandslandtag“) ein zweites
Mal aufgelöst (1. Juni 1850) und die alten
Stände (auf Grundlage der Verfassung von 1831)
berufen. Damit hatte die Reaktion gesiegt. Die
Presse kam wieder unter die Zensur, das Vereins-
und Versammlungsrecht wurde aufgehoben, das
Konskriptionssystem und die Stellvertretung im
Heer wieder eingeführt.
Unter König Johann (1854/73) wurde eine
neue Gerichtsverfassung (1855), ein Strafgesetz-
buch (1855), ein Bürgerliches Gesetzbuch (1865)
und eine Kirchen= und Synodalordnung (1865)
erlassen, die Gewerbefreiheit eingeführt (1861),
die Elbzölle beseitigt (1864), Handels= und Ge-
werbekammern geschaffen (1861), das Wahlrecht
(1867, Beseitigung des ständischen Prinzips), die
Kommunalverfassung (1873), die innere Verwal-
tung (1873) und das Volksschulwesen (1873)
umgestaltet.
Unter dem Eindruck der von Preußen geleisteten
Hilfe hatte sich Sachsen 1849 vorübergehend an
Preußen angeschlossen (Dreikönigsbündnis), seit
1850 hielt es unter dem Einfluß des Ministers
v. Beust wieder zu Osterreich, dessen Ubergewicht
im Deutschen Bund es auf den Dresdener Kon-
ferenzen (1850/51) neu begründen half. In den
schleswig-holsteinischen Fragen trat Sachsen für
den Augustenburger ein. Im Deutschen Krieg
(1866) hielt es zum Bund und zu Osterreich, ob-
wohl Preußen (15. Juni) Neutralität anbot.
Schon am 16. Juni besetzten die Preußen das
Land. König Johann zog sich mit seinem Heer
nach Böhmen zurück. In den Nikolsburger Ver-
handlungen war die Selbständigkeit des Landes
zum zweiten Mal im 19. Jahrh. sehr gefährdet.
Zuletzt begnügte sich Preußen dank des festen Ein-
tretens des österreichischen Kaisers mit Sachsens
Eintritt in den Norddeutschen Bund, der Ab-
tretung des Post= und Telegraphenwesens und der
Vertretung im Ausland, dem Abschluß einer
Militärkonvention und einer Kriegskostenentschä-
digung von 10 Mill. Taler. Am Deutsch-fran-
zösischen Krieg nahm Sachsen ruhmreichen Anteil
(Kronprinz Albert nach dem Friedensschluß preuß.
Generalfeldmarschall).
Unter König Albert (1873/1902) wurde
1875/76 ein geschlossenes Staatsbahnnetz er-
worben (um dem Bismarckschen Reichseisenbahn-
projekt zuvorzukommen), die Steuerreform durch-
geführt (Einkommensteuer, 1878), viel für das
Schulwesen (namentlich das höhere und das tech-
nische) geleistet und das Dreiklassenwahlsystem
(1896) durchgeführt, welches die 14 Sozial=