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Zwischendeputationsmitgliedern, die über den
Schluß des Landtags hinaus durch Geschäfte fest-
gehalten werden. Alle Mitglieder haben ferner
während der Tagung freie Bahnfahrt auf den
sächsischen Staatsbahnen. Die beiden Präsidenten
beziehen 900 M monatlich für außerordentlichen
Aufwand.
Kein Gesetz kann ohne Zustimmung der Stände
erlassen, abgeändert oder authentisch interpretiert
werden; der König erläßt und promulgiert die
Gesetze, er erteilt ferner die zu deren Vollziehung
und Handhabung erforderlichen sowie die aus dem
Aufsichts= und Verwaltungsrecht fließenden Ver-
ordnungen und Verfügungen. Die Stände be-
siten ferner das Budgetbewilligungsrecht. Die
Finanzperiode umfaßt zwei Jahre. Der Verwal-
tung der Stände unterstellt ist die Staatsschulden-
kasse. Das Recht der Initiative steht beiden Kam-
mern, das Interpellationsrecht steht jedem Kammer-
mitglied zu. Das Petitionsrecht (Wünsche und
Anträge an den König auf Abstellung von in der
Landesverwaltung oder Rechtspflege wahrgenom-
menen Gebrechen) können beide Kammern nur
gemeinschaftlich ausüben, ebenso das Anklagerecht
gegen die Vorstände der Ministerien und bei Ver-
fassungsverletzung; über die Anklage und ebenso
über die Auslegung der Verfassung bei Meinungs-
verschiedenheiten zwischen Regierung und Ständen
entscheidet der Staatsgerichtshof (Gesetz vom
3. Febr. 1838), dessen Mitglieder teils vom König
ernannt teils von den Ständen gewählt werden.
Das Beschwerderecht (über die Anwendung der
Gesetze in der Landesverwaltung oder Rechtspflege)
kann jede Kammer allein ausüben. Petitionen und
Beschwerden einzelner Personen und von Körper-
schaften an die Stände müssen schriftlich eingereicht
werden; Beschwerden sind nur zulässig, wenn vor-
her beim Ministerium vergebens Abhilfe gesucht
wurde.
Der König beruftlängstens alle zwei Jahre einen
ordentlichen Landtag, ferner binnen vier Monaten
nach Eintritt eines Regierungswechsels und binnen
sechs Monaten nach Auflösung der Zweiten Kam-
mer, er beruft außerordentliche Landtage, so oft
es dringende Angelegenheiten erfordern. Vertagung
ist zulässig, länger als sechs Monate jedoch nur
mit ausdrücklicher Zustimmung der Stände. Mit
dem Schluß des Landtags verbindet sich der „Land-
tagsabschied“, eine königliche Urkunde, welche die
Ergebnisse des Landtags und die Stellungnahme
des Königs bzw. der Regierung zu den gefaßten
Beschlüssen enthält.
Im Bundesrat hat Sachsen vier Stimmen, in
den Reichstag entsendet es 23 Abgeordnete; in
den Wahlen von 1907 (Blockreichstag) wurden
gewählt: 8 Sozialdemokraten, 7 Konservative
und Agrarier, 6 Nationalliberale, 2 Freisinnige;
1903 wurden 22, 1898: 11, 1893: 9 Sozial-
demokraten gewählt.
Es bestehen 6 Ministerien, das der Justiz,
der Finanzen, des Innern, des Kriegs, des Kultus
Sachsen.
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und der auswärtigen Angelegenheiten. Inneres
und Außeres werden meist in einer Person ver-
einigt. Das Ministerium des königlichen Hauses
ist ein Hofamt, kein Staatsamt. Die Mi-
nister bilden in ihrer Gesamtheit das Gesamt-
ministerium (Verordnung vom 7. Nov. 1831),
das unter Vorsitz des vom König dafür bezeich-
neten Ministerpräsidenten die oberste kollegiale
Staatsbehörde bildet. Es erledigt Differenzen
zwischen den einzelnen Ministerien, beschließt über
den Bereich eines einzelnen Ministeriums hinaus-
gehende Angelegenheiten, begutachtet Gesetzesvor-
chläge und den Entwurf des Staatshaushalts-
plans, ebenso Beschwerden gegen einen Minister,
hat ferner noch gewisse eigne Zuständigkeiten und
ist mitverschiedenen Verwaltungsgeschäften (Hand-
habung des Staatsdienerrechts usw.) betraut. Un-
mittelbar unterstellt sind dem Gesamtministerium
die Oberrechnungskammer (Gesetz vom 30. Juni
1904), das Oberverwaltungsgericht (Gesetz vom
19. Juli 1900), das Hauptstaatsarchiv, die Ka-
binetts= und Ordenskanzlei usw. Eine Erweite-
rung des Gesamtministeriums bildet der Staats-
rat (Verordnung vom 16. Nov. 1831 und 29. Mai
1855), der sich außer den Ministern aus vom
König berufenen ordentlichen und außerordent-
lichen Mitgliedern, darunter auch den volljährigen
königlichen Prinzen, zusammensetzt.
Für die innere Verwaltung (Org.-Gesetz
vom 21. April 1873) ist das Königreich in die
fünf Kreishauptmannschaften Bautzen, Dresden,
Leipzig, Zwickau und (seit 1900) Chemnitz und
in 27 Amtshauptmannschaften eingeteilt. Die
Kreishauptmannschaft ist eine bureaukra-
tisch organisierte Behörde (Vorstand der Kreis-
hauptmann), nur in einzelnen Fällen (z. B. als
zweite Instanz über Beschwerden gegen Anord-
nungen der Amtshauptmannschaften) entscheidet
sie als Kollegium (Kreishauptmann und zwei ihm
beigegebene Beamte). Teils als entscheidendes
(Beschwerdeinstanz gegen bestimmte Entscheidungen
der Bezirksausschüsse, Erlaß gewerbepolizeilicher
Verfügungen, Gemeindeaussicht usw.) teils als be-
ratendes Organ ist daneben der Kreisausschuß
tätig, dessen ehrenamtliche Mitglieder von den
Bezirksverbänden (Bezirksversammlung) und den
unmittelbaren Städten gewählt werden. — Die
Amtshauptmannschaft (Vorstand der Amts-
hauptmann) bildet niemals ein Kollegium. Doch
können in deren Bezirk „abgezweigte Geschäfts-
stellen" (Delegationen) unter einem Hilfsarbeiter
des Amtshauptmanns für gewisse Geschäfte in un-
mittelbarer Berührung mit den örtlichen Verhält-
nissen errichtet werden. Für jede Amtshauptmann-
schaft besteht ein Bezirksausschuß, der aus dem
Amtshauptmann und acht von der Bezirksver-
sammlung gewählten ehrenamtlichen Mitgliedern
(barunter je zwei Vertreter der Hochbesteuerten,
der Stadt= und der Landgemeinden des Bezirks)
besteht. Er ist entscheidendes (in Sachen der Ge-
werbepolizei, in Wegesachen, Wahlstreitigkeiten, in
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