Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Zwischendeputationsmitgliedern, die über den 
Schluß des Landtags hinaus durch Geschäfte fest- 
gehalten werden. Alle Mitglieder haben ferner 
während der Tagung freie Bahnfahrt auf den 
sächsischen Staatsbahnen. Die beiden Präsidenten 
beziehen 900 M monatlich für außerordentlichen 
Aufwand. 
Kein Gesetz kann ohne Zustimmung der Stände 
erlassen, abgeändert oder authentisch interpretiert 
werden; der König erläßt und promulgiert die 
Gesetze, er erteilt ferner die zu deren Vollziehung 
und Handhabung erforderlichen sowie die aus dem 
Aufsichts= und Verwaltungsrecht fließenden Ver- 
ordnungen und Verfügungen. Die Stände be- 
siten ferner das Budgetbewilligungsrecht. Die 
Finanzperiode umfaßt zwei Jahre. Der Verwal- 
tung der Stände unterstellt ist die Staatsschulden- 
kasse. Das Recht der Initiative steht beiden Kam- 
mern, das Interpellationsrecht steht jedem Kammer- 
mitglied zu. Das Petitionsrecht (Wünsche und 
Anträge an den König auf Abstellung von in der 
Landesverwaltung oder Rechtspflege wahrgenom- 
menen Gebrechen) können beide Kammern nur 
gemeinschaftlich ausüben, ebenso das Anklagerecht 
gegen die Vorstände der Ministerien und bei Ver- 
fassungsverletzung; über die Anklage und ebenso 
über die Auslegung der Verfassung bei Meinungs- 
verschiedenheiten zwischen Regierung und Ständen 
entscheidet der Staatsgerichtshof (Gesetz vom 
3. Febr. 1838), dessen Mitglieder teils vom König 
ernannt teils von den Ständen gewählt werden. 
Das Beschwerderecht (über die Anwendung der 
Gesetze in der Landesverwaltung oder Rechtspflege) 
kann jede Kammer allein ausüben. Petitionen und 
Beschwerden einzelner Personen und von Körper- 
schaften an die Stände müssen schriftlich eingereicht 
werden; Beschwerden sind nur zulässig, wenn vor- 
her beim Ministerium vergebens Abhilfe gesucht 
wurde. 
Der König beruftlängstens alle zwei Jahre einen 
ordentlichen Landtag, ferner binnen vier Monaten 
nach Eintritt eines Regierungswechsels und binnen 
sechs Monaten nach Auflösung der Zweiten Kam- 
mer, er beruft außerordentliche Landtage, so oft 
es dringende Angelegenheiten erfordern. Vertagung 
ist zulässig, länger als sechs Monate jedoch nur 
mit ausdrücklicher Zustimmung der Stände. Mit 
dem Schluß des Landtags verbindet sich der „Land- 
tagsabschied“, eine königliche Urkunde, welche die 
Ergebnisse des Landtags und die Stellungnahme 
des Königs bzw. der Regierung zu den gefaßten 
Beschlüssen enthält. 
Im Bundesrat hat Sachsen vier Stimmen, in 
den Reichstag entsendet es 23 Abgeordnete; in 
den Wahlen von 1907 (Blockreichstag) wurden 
gewählt: 8 Sozialdemokraten, 7 Konservative 
und Agrarier, 6 Nationalliberale, 2 Freisinnige; 
1903 wurden 22, 1898: 11, 1893: 9 Sozial- 
demokraten gewählt. 
Es bestehen 6 Ministerien, das der Justiz, 
der Finanzen, des Innern, des Kriegs, des Kultus 
Sachsen. 
  
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und der auswärtigen Angelegenheiten. Inneres 
und Außeres werden meist in einer Person ver- 
einigt. Das Ministerium des königlichen Hauses 
ist ein Hofamt, kein Staatsamt. Die Mi- 
nister bilden in ihrer Gesamtheit das Gesamt- 
ministerium (Verordnung vom 7. Nov. 1831), 
das unter Vorsitz des vom König dafür bezeich- 
neten Ministerpräsidenten die oberste kollegiale 
Staatsbehörde bildet. Es erledigt Differenzen 
zwischen den einzelnen Ministerien, beschließt über 
den Bereich eines einzelnen Ministeriums hinaus- 
gehende Angelegenheiten, begutachtet Gesetzesvor- 
chläge und den Entwurf des Staatshaushalts- 
plans, ebenso Beschwerden gegen einen Minister, 
hat ferner noch gewisse eigne Zuständigkeiten und 
ist mitverschiedenen Verwaltungsgeschäften (Hand- 
habung des Staatsdienerrechts usw.) betraut. Un- 
mittelbar unterstellt sind dem Gesamtministerium 
die Oberrechnungskammer (Gesetz vom 30. Juni 
1904), das Oberverwaltungsgericht (Gesetz vom 
19. Juli 1900), das Hauptstaatsarchiv, die Ka- 
binetts= und Ordenskanzlei usw. Eine Erweite- 
rung des Gesamtministeriums bildet der Staats- 
rat (Verordnung vom 16. Nov. 1831 und 29. Mai 
1855), der sich außer den Ministern aus vom 
König berufenen ordentlichen und außerordent- 
lichen Mitgliedern, darunter auch den volljährigen 
königlichen Prinzen, zusammensetzt. 
Für die innere Verwaltung (Org.-Gesetz 
vom 21. April 1873) ist das Königreich in die 
fünf Kreishauptmannschaften Bautzen, Dresden, 
Leipzig, Zwickau und (seit 1900) Chemnitz und 
in 27 Amtshauptmannschaften eingeteilt. Die 
Kreishauptmannschaft ist eine bureaukra- 
tisch organisierte Behörde (Vorstand der Kreis- 
hauptmann), nur in einzelnen Fällen (z. B. als 
zweite Instanz über Beschwerden gegen Anord- 
nungen der Amtshauptmannschaften) entscheidet 
sie als Kollegium (Kreishauptmann und zwei ihm 
beigegebene Beamte). Teils als entscheidendes 
(Beschwerdeinstanz gegen bestimmte Entscheidungen 
der Bezirksausschüsse, Erlaß gewerbepolizeilicher 
Verfügungen, Gemeindeaussicht usw.) teils als be- 
ratendes Organ ist daneben der Kreisausschuß 
tätig, dessen ehrenamtliche Mitglieder von den 
Bezirksverbänden (Bezirksversammlung) und den 
unmittelbaren Städten gewählt werden. — Die 
Amtshauptmannschaft (Vorstand der Amts- 
hauptmann) bildet niemals ein Kollegium. Doch 
können in deren Bezirk „abgezweigte Geschäfts- 
stellen" (Delegationen) unter einem Hilfsarbeiter 
des Amtshauptmanns für gewisse Geschäfte in un- 
mittelbarer Berührung mit den örtlichen Verhält- 
nissen errichtet werden. Für jede Amtshauptmann- 
schaft besteht ein Bezirksausschuß, der aus dem 
Amtshauptmann und acht von der Bezirksver- 
sammlung gewählten ehrenamtlichen Mitgliedern 
(barunter je zwei Vertreter der Hochbesteuerten, 
der Stadt= und der Landgemeinden des Bezirks) 
besteht. Er ist entscheidendes (in Sachen der Ge- 
werbepolizei, in Wegesachen, Wahlstreitigkeiten, in 
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