IV. Die Zeit des Verfalls der Kaisermacht. 45
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3. Was die Fürsten an der Kaisergewalt gesündigt hatten, das
mußten sie im eigenen Lande wieder entgelten. Die Lehen, die sie
zu vergeben hatten, waren ebenfalls erblich geworden. Ihre großen
Landsafsen: die Grafen, Ritter und Abte, verweigerten ihnen nun auch
den Gehorsam. Nicht minder kämpften die Städte, in denen sich
Reichtum und Macht entwickelte, gegen die fürstliche Gewalt. Unter
vielen Kämpfen einigten sich schließlich die Fürsten und ihre großen
Lehensmänner dahin, daß Adelige, Geistliche und Städte dem Fürsten
als Landstände zur Seite stehen sollten. Auf den Landtagen, die der
Fürst berief, traten sie ihm in allen Regierungsangelegenheiten ratend
zur Seite.
44. Die freien Städte.
1. Zu den frühern, meist hörigen Bewohnern der Städte siedelten
in Zeiten der Gefahr freie Landsassen und Grundbesitzer aus den um-
liegenden Orten über, so daß auch in den Städten Hörige und Freie
nebeneinander wohnten. Anfangs hielten sich die hörigen Hand-
werker und Händler von den freien Bewohnern geschieden und wohnten
in besondern Gassen, wie man heute noch an den Straßennamen alter
Städte erkennen kann. Sie fingen aber auch bald an, für eigene
Rechnung zu arbeiten, wodurch der Einzelne selbständiger wurde.
Danach vereinigten sich alle, die ähnliches oder gleiches Handwerk
trieben, zu Zünften und Gilden, um gemeinschaftlich ihr Gewerbe zu
fördern und zu schützen. Das Handwerk vervollkommnete sich und
wurde vielfach zur Kunst; der Ackerbau lieferte durch Verbesserungen
reichere Erträge, und der Handel wurde selbständiger und ein-
träglicher. Wohlstaud und gemächliches Leben mehrte sich daher in
den Städten, und manche Altfreien und Adeligen vom Lande achteten
es als Vorteil, wenn sie ihren Wohnsitz in der Stadt nehmen konnten;
sie nannten sich dann nach den Dörfern, aus denen sie zugezogen.
waren. An vielen Eigennamen, die mit Ortsnamen gleichlautend find,
können wir diesen Vorgang heute noch erkennen.
2. Die Bürger wachten ängstlich über die Selbständigkeit ihrer
Stadt und führten jahrelange Kämpfe um ihre Freiheit. Daher mußten
die Städte eine stets kampfbereite Bürgerschaft haben und sich durch
besondere Einrichtungen vor feindlichem Uberfall schützen. Hohe, oft
doppelte Mauern umgürteten die Stadt. Wehrtürme krönten die
Mauern, und das ganze Weichbild war mit Graben und Buschwerk
umzogen; das war die Landwehr, deren Zugänge feste Warttürme be-
zeichneten. Aus ihnen lugten Wächter nach den Straßen und meldeten
durch Zeichen jede Gefahr. Ein Stadthauptmann führte die bewehrte
Bürgerschaft, die sich nach Gilden ordnete, in den Kampf. Gewappnete
und befoldete Knechte bildeten außerdem eine Truppe, die stets zur
Verteidigung der Stadt bereit stand. "· . «