Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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von wichtigen Vorgängen in der Finanzverwal- 
tung Kenntnis gegeben wird, die ferner Mit- 
glieder des Verwaltungsrats der staatlichen Landes- 
bank sind. 
Im Bundesrathat das Herzogtum eine Stimme, 
in den Reichstag entsendet es einen Abgeordneten. 
Die Verwaltungsorganisation beruht auf dem 
Gesetz vom 14. März 1866. Oberste Behörde ist 
das Ministerium, das entweder als Gesamtmini- 
sterium oder durch seine vier Abteilungen, 1) für ( 
die Angelegenheiten des herzoglichen Hauses, für 
Auswärtiges, Kultus und Militärsachen, 2) für 
die Justiz, 3) für das Innere, 4) für die Finanzen, 
wirksam ist. Jede Abteilung steht unter der Leitung 
eines Mitglieds des Ministeriums (bureaukrati- 
sches System). Das mit dem Vorsitz betraute Mit- 
glied führt den Titel Staatsminister; dieser führt 
die Oberaufsicht, ferner sind ihm das Revisions- 
bureau für das Staatsrechnungswesen, die Land- 
archive und die Oberleitung des Staatsbauwesens 
unterstellt. Das Gesamtministerium ist beratende 
Behörde für alle der Entschließung oder Genehmi- 
gung des Landesherrn vorbehaltenen Sachen, 
beschlußfassende Behörde bei Rekurs gegen die 
Entscheidungen und Verfügungen der einzelnen 
Abteilungen, als Kompetenzgerichtshof in Kom- 
petenzstreitigkeiten, bei Einführung von Kom- 
munalsteuern usw. Ihm sind unmittelbar unter- 
stellt die Generalkommission (für Ablösungen und. 
Grundstückszusammenlegungen), die Herzogliche 
Landesbank, die Generaldirektion des Thüringi- 
schen Zoll= und Steuervereins. — Dem Mini- 
sterium, Abteilung des Innern, unterstellt sind die 
Landräte, deren Tätigkeit sehr mannigfaltig ist. 
Es bestehen (Gesetz vom 13. Jan. 1900) drei 
Landratsämter, zwei im Ostkreis (Altenburg und 
Ronneburg), eins im Westkreis (Roda). Die Stadt 
Altenburg bildet daneben einen eignen Verwal- 
tungsbezirk. Die Landratsamtsbezirke sind (mit 
Ausschluß der Städte) für bestimmte Angelegen- 
heiten in Amtsbezirke unter Amtsvorstehern einge- 
teilt (Gesetz vom 13. Juni 1876), sie haben zur- 
zeit nur den Charakter staatlicher Verwaltungs- 
bezirke, nicht kommunaler Verbände. 
Selbstverwaltungskörper unter staatlicher Auf- 
sicht sind die Stadtgemeinden (Städteordnung 
vom 10. Juni 1897) und die Landgemeinden 
(Dorfordnung vom 13. Juni 1876). Innerhalb 
der Städte gibt es neben der Gemeindemitglied- 
schaft noch ein besonderes Bürgerrecht. Organe der 
Städte „mit voller Stadtverfassung“ sind der 
Stadtrat (Kollegium unter dem Vorsitz des Bürger- 
meisters) und die nach Steuerklassen (nähere Reg- 
lung Sache des Ortsstatuts) gewählten Stadtver- 
ordneten; bei kleineren Stadtgemeinden können 
beide Organe zu einem Organ, dem Stadtgemeinde- 
rat, verschmolzen werden. Die Dorfgemeinde wird 
vertreten durch den Gemeinderat (drei oder mehrere 
nach dem Dreiklassensystem gewählte Gemeinde- 
abgeordnete, dem Gemeindevorsteher, dessen Stell- 
vertreter und einem Beisitzer). Neben der politi- 
Sachsen-Altenburg. 
  
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schen Gemeinde besteht in einer Mehrzahl von 
Dörfern noch eine sog. Alt-, Groß= oder Klein- 
gemeinde als Eigentümerin von Grundstücken und 
Gerechtsamen, die aus der alten Markgenossen- 
schaft bzw. den Anteilen an der „gemeinen Mark“ 
entstanden ist, heute aber nur eine privatrechtliche 
Korporation darstellt. 
Die ordentlichen Gerichte des Herzoglums sind 
sieben Amtsgerichte, das Landgericht Altenburg 
Schwurgerichtsverhandlungen jedoch in Gera) 
und das gemeinschaftliche Thüringische Ober- 
landesgericht Jena (Staatsverträge von 1877, 
1878 und 27. Nov. 1903). Eine besondere Ver- 
waltungsrechtspflege besteht nicht, es entscheiden 
die Verwaltungsbehörden, eventuell die ordent- 
lichen Gerichte. 
Ein staatliches Finanzinstitut ist die Landes- 
bank (gegründet 1883). Für das Herzogtum be- 
steht eine Handelskammer (seit 1900) und eine 
Landwirtschaftskammer (seit 1902). Die Hand- 
werkskammer in Gera (seit 1900) ist gemeinsam 
für Sachsen-Altenburg und Reuß j. L. 
Die laufenden Einnahmen des Staats setzen 
sich zusammen aus den Nutzungen des Staatsver- 
mögens (Grundbesitz, namentlich Forsten, zins- 
tragenden Kapitalien usw.) und staatlicher Betriebs- 
anstalten (Landesbank), ferner aus Einnahmen 
aus Hoheitsrechten, aus Steuern und Abgaben 
usw. Das gesamte Domänenvermögen ist zwischen 
dem herzoglichen Haus und dem Land dergestalt 
verteilt worden (Gesetz vom 29. April 1874), daß 
davon zwei Dritteldas herzogliche Haus (Domänen= 
fideikommiß), ein Drittel das Land zum ausschließ- 
lichen Eigentum erhielt. Der Wirtschaftsplan des 
Landes ist ein dreijähriger. In dem Etat für die 
Jahre 1908/10 balancieren die jährlichen Ein- 
nahmen (darunter 1,2 Mill. Nutzungen des 
Staatsvermögens, 2,06 Mill. Steuern) und Aus- 
gaben mit 4,69 Mill. M. Einer Staatsschuld von 
0,88 Mill. M steht allein ein bewegliches Ver- 
mögen von 5,31 Mill. M gegenüber. 
Die altenburgischen Truppen bilden das 8. Thü- 
ringische Infanterieregiment Nr 153, das der 
8. Division des IV. Armeekorps zugewiesen ist 
(Militärkonvention mit Preußen von 1862, 1867 
und 15. Sept. 1873). 
Das Wappen ist geviert, im Mittelschild be- 
findet sich das gekrönte sächsische Rautenkranz- 
wappen, die vier Felder tragen die Wappen von 
Altenburg, Eisenberg, Orlamünde und Pleißen. 
Landesfarben sind Weiß, Grün. Die Orden sind 
gemeinschaftlich mit Sachsen-Coburg und Sachsen- 
Meiningen. 
4. Kirche und Schule. Kirche des Landes 
ist die „evangelisch-protestantische Kirche“, an ihrer 
Spitze steht der evangelisch-protestantische Regent. 
Als gleichzeitiges Staatsoberhaupt hat er das 
Recht der Oberaussicht und die Verpflichtung zum 
Schutzder Kirche. Sollte der Regent sein Glau- 
bensbekenntnis ändern, so werden die Kirchen- 
hoheitsrechte einem evangelisch-protestantischen
	        
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