Preußen und der norddeutsche Pund. 85
sammentreffen, daß der Hr. Botschafter, welcher schon acht Tage vorher die
Erlaubniß nachgesucht und erhalten hatte, Sr. Maj. dem König von Preußen
in Ems aufzuwarten, den folgenden Tag für seine Abreise bestimmt habe,
also im Stande sei, die Eindrücke, welche in Paris herrschten, aus frischer An-
schauung vortragen zu können, und ersuchte ihn, ihm etwaige Mittheilungen
auf telegraphischem Wege zugehen zu lassen. Der Hr. Botschafter konnte auf
diese Eröffnung nur erwiedern, daß ihm von der Angelegenheit gar nichts
bekannt sei; zugleich übernahm er es, die ihm gemachten Mittheilungen zur
Kenntniß Sr. Maj. des Königs zu bringen. Er trat am 5. die Reise nach
Ems an, welche er unter den obwaltenden Umständen unterlassen haben würde,
wenn er nicht geglaubt hätte, dem ihm kundgegebenen Wunsche nach rascher
Ertheilung von Information und rascher Zurückgabe von Aufklärungen ent-
sprechen zu sollen. Am Tage seiner Abreise brachte Hr. Cochery im Corps
16gislatif eine Interpellation über die spanische Frage ein. Schon am fol-
genden Tage, bevor es möglich war, daß der Hr. Botschafter irgend eine
Nachricht aus Ems hätte nach Paris gelangen lassen können, beantwortcte der
Hr. Duc de Gramont diese Interpellation. Seine Antwort, obgleich sie da-
von ausging, daß die Einzelheiten der Verhandlung noch nicht bekannt seien,
gipfelte in dem Satze: daß die französische Regierung nicht glaube, durch die
Achtung vor den Rechten eines Nachbarvolks verpflichtet zu sein, zu dulden,
daß „eine fremde Macht"“, indem sie ceinen ihrer Prinzen auf den Thron
Karls W. setze, zum Nachtheile Frankreichs das gegenwärtige Gleichgewicht der
Kräfte in Europa stören und das Interesse und die Ehre Frankreichs gefähr-
den dürfe. Nach einer solchen Erklärung war der Hr. Botschafter nicht mehr
in der Lage, Aufklärungen nach Paris gelangen zu lassen. Sein dasiger
Vertreter wurde am 9. d. Mts. von der Sachlage in Kenntniß gesetzt, wie sie
schon am 4. dem Hrn. Geschäftsträger Frankreichs hier bezeichnct war. Die An-
gelegenheit, wurde ihm gesagt, geht nicht Preußen und Deutschland, sondern nur
Spanien und dessen Throncandidaten etwas an. Die Verhandlungen mit dem
letztern hat der Marschall Prim ohne Betheiligung Preußens direct führen
lassen. Se. Maj. der König von Preußen hat aus Achtung für den Willen
Spaniens und des Prinzen eine Einwirkung auf diese Verhandlungen weder
üben wollen, noch geübt, und daher die Candidatur weder befördert noch vor-
bereitet. Inzwischen hatte die kais. französische Regierung ihren auf Urlaub
im Wildbad weilenden Botschafter bei Sr. Maj. und dem Bunde beauftragt,
sich nach Ems zu begeben. Hr. Graf Benedetti wurde am 9. Juli von Sr.
Maj. wohlwollend empfangen, obschon der Aufenthalt des Königs im Bad und die
Abwesenheit aller Minister geschäftliche Anforderungen an Se. M. auszuschließen
schienen. Die Mittheilungen des Botschafters stimmten mit den Eröffnungen
überein, welche Hr. Duc de Gramont dem Hrn. Frhrn. v. Werther gemacht
hatte; er appellirte an die Weisheit Sr. Maj., um durch ein an den Prinzen
zu richtendes Verbot das Wort zu sprechen, welches Europa die Nuhe wieder-
gebe. Es wurde ihm erwidert, daß die Unruhe, von welcher Europa erfüllt
sei, nicht von einer Handlung Preußens, sondern von den Erklärungen der
kaiserlichen Regierung im Corps lé6gislatif herrühre. Die Stellung, welche
Se. Maj. der König als Familienhaupt zu der Frage eingenommen, wurde
als eine außerhalb der Staatsgeschäfte liegende bezeichnet, und eine jede Ein-
wirkung auf den Fürsten und den Prinzen von Hohenzollern, als ein Eingriff
in deren berechtigte freie Selbstbestimmung, abgelehnt. So war es dann auch
ein Act freier Selbstbestimmung, daß der Erbprinz am 12. d. M., im Ge-
fühle der Verantwortlichkeit, welche er, der eingetretenen Sachlage gegenüber,
durch die Aufrechthaltung seiner Candidatur übernommen haben würde, dieser
Candidatur entsagte und der spanischen Nation die Freiheit ihrer Initiative
zurückgab. Die preußische Regierung erhielt die erste Nachricht von diesem
Schritt aus Paris. Der dortige spanische Gesandte überbrachte nämlich das
Telegramm des Fürsten dem Hrn. Duc de Gramont in dem Augenblick, als