Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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sona grata sei. Nach zustimmender Erklärung 
des Herzogs erhält der betreffende Geistliche die 
bischöfliche Institution, zugleich legt er vor der 
meiningischen Behörde ein eidliches Versprechen 
ab, daß er die Landesgesetze beobachten und 
seine Pflichten treu erfüllen werde. Wenn die ka- 
tholischen Geistlichen außerhalb ihres eigentlichen 
Amtsbezirks in den andern ihnen zugewiesenen 
Bezirken Amtshandlungen vornehmen, so ist vor- 
her dem evangelischen Geistlichen Anzeige zu ma- 
chen, bei Beerdigungen auch innerhalb ihres eigent- 
lichen Bezirks betreffs der Zeit dessen Genehmi- 
gung einzuholen. Die evangelischen Friedhöfe sind 
gesetzlich gehalten, katholischen Beerdigungen das 
Gastrecht zu gewähren. Der Staat leistet an 
Beiträgen zu den Besoldungen der katholischen 
Geistlichen zum Diözesanemeritenfonds und für 
das bischöfliche Klerikalseminar insgesamt 662 M. 
Seit 1908 erhält der katholische Pfarrer in Mei- 
ningen einen jährlichen Gehaltszuschuß von 200 M. 
Gesetzliche Bestimmungen über kirchliche Orden 
sind nicht vorhanden. Für die in Meiningen be- 
stehende Niederlassung von Krankenschwestern 
(Töchter vom göttlichen Erlöser aus dem Mutter- 
haus in Würzburg) für ambulante Krankenpflege 
war nur polizeiliche Meldung nötig. Das Edikt 
vom 21. Jan. 1829 sagt (Nr 3, Art. 3): „Inso- 
fern für die Bekenner des katholischen Glaubens 
besondere Einrichtungen nötig werden, wird in 
der Folge dafür gesorgt werden."“ 
Die Volksschulen (Gesetz vom 3. Jan. 1908 
und Nachtrag vom 6. Nov. 1908) sind evangelisch- 
lutherisch, wenn dies auch nicht gesetzlich ausge- 
sprochen ist. Für den Religionsunterricht der 
Minderheit ist in einer von der Vertretung der 
Religionsgesellschaft für ausreichend erachteten 
Weise zu sorgen (Art. 26 des Ges. vom 3. Jan. 
1908). Eine öffentliche katholische Volksschule 
(70 Kinder) besteht zu Wolfmannshausen, eine 
private katholische Volksschule ohne staatliche 
oder kommunale Unterstützung in Pößneck (seit 
1883; 1910: 31 Kinder). Das neue Volksschul- 
gesetz hat die Trennung von Kirche und Staat 
scharf durchgeführt, selbst das Aufsichtsrecht über 
den Religionsunterricht steht dem Ortsgeistlichen 
nicht zu. Untere Schulbehörde ist der Schulvor- 
stand (Gemeindevorstand, erste Lehrer, eine An- 
zahl Schulverordnete), mittlere das Schulamt 
(Landrat bzw. Bürgermeister und Kreisschul- 
inspektor), oberste das Staatsministerium. Seit 
1908 ist die Fortbildungsschulpflicht für Knaben 
und Mädchen eingeführt. 
Literatur. Schriften des Vereins für meining. 
Gesch. u. Landeskunde (1888 ff); Brückner, Landes- 
kunde des Herzogt. M. (2 Tle, 1851/53); Hertel, 
Kleine Landeskunde (1903); Kircher, Staatsrecht 
von S.-M., in Marquardsens Handbuch des öffentl. 
Rechts III (1884); Landesherrliche Verordnungen 
des Herzogt. S.-M.; Zusammenstellung der noch 
in Anwendung kommenden Gesetze u. Verordn, der 
Jahrg. 1829/90 (1902), Goeckel, Das Staatsrecht des 
Herzogt. S. M. (1904); Oberländer, Verfassung u. 
Sachsen-Weimar-Eisenach. 
  
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Verwaltung des Herzogt. S.-M. (1909); v. Eel- 
king, Gesch, des Kontingents von S.-M. (1863). 
Costabell, Entwicklung der Finanzen im Herzogt. 
S.-M. von 1831 bis zur Gegenwart (1908); Füß- 
lein, Amtshandbuch für Geistliche u. Lehrer des 
Herzogt. S.-M. (281903); Freisen, Der kathol. u. 
evang. Pfarrzwang (1906) 60 ff; Greiner, Gesetze 
betr. das Volksschulwesen im Herzogt. S.-M. (1908). 
LSacher.] 
Sachsen-Weimar-Eisenach. 1. Ge- 
chichte. Durch die Wittenberger Kapitulation 
vom 19. Mai 1547 waren der ernestinischen 
Linie des Hauses Wettin nur die Gebiete in 
Thüringen verblieben (ogl. d. Art. Sachsen, 
Sp. 823). Johann Friedrich der Großmütige, 
der ehemalige Kurfürst, erhielt im Naumburger 
Vertrag vom 24. Febr. 1554 vom Kurfürsten 
August von Sachsen noch einige Städte und 
Amter (darunter Altenburg), er erbte ferner beim 
Tod seines Stiefbruders Johann Ernst (1 1553) 
die sog. fränkischen Länder (Pflege Coburg), die 
seit 1353 dem wettinischen Hause, seit 1485 den 
Ernestinern gehörten und die Johann Friedrich 
selbst 1541 seinem Stiefbruder überlassen hatte. 
Im wesentlichen besaß Johann Friedrich bei seinem 
Tod (1554) die Gebiete, welche heute den Bestand 
der thüringischen Staaten ausmachen. Schon 
unter Johann Friedrichs Söhnen begann die 
Zersplitterung des Besitzes. Die erste Teilung 
war 1566 zwischen Johann Friedrich II. dem Mitt- 
leren (7 1595) und Johann Wilhelm (7 1573). 
Johann Wilhelm vereinigte zwar nochmals die 
gesamten ernestinischen Besitzungen unter seiner 
Herrschaft, als sein Bruder Johann Friedrich der 
Mittlere infolge der Beteiligung an den grum- 
bachischen Händeln der Reichsacht verfiel (1566). 
Als jedoch die Folgen der Reichsacht für die 
Söhne Johann Friedrichs des Mittleren auf- 
gehoben wurden, fand zwischen diesen und ihrem 
Oheim Johann Wilhelm die Teilung von 1572 
statt, in der Wilhelm Weimar, Altenburg usw. er- 
hielt, während seinen beiden Neffen die gothaischen, 
eisenachischen und coburgischen Gebiete zufielen 
(schon 1638 kamen alle diese Gebiete wieder an 
die Weimarer und die inzwischen entstandene 
Altenburger Linie zurück). Johann Wilhelms 
Söhne waren Friedrich Wilhelm I. (1 1602) und 
Johann (71605). Johann wurde der Stamm- 
vater der heute in den verschiedenen thüringischen 
Ländern regierenden Linien. Zwischen Johann 
und den Söhnen seines Bruders (Friedrich Wil- 
helm I.) hatte 1603 eine Teilung stattgefunden, 
in der Johann das Gebiet Weimar, seine Neffen 
Altenburg (diese Linie starb 1672 aus) erhielten. 
Bei dem Tod der kinderlosen Söhne Johann 
Friedrichs des Mittleren fielen 1638 an Weimar 
die Gothaer und Eisenacher Besitzungen, an Alten- 
burg die coburgischen Besitzungen. Herzog Jo- 
hann (71 1605) hatte acht Söhne (darunter Bern- 
hard von Weimar, der bekannte Feldherr des 
Dreißigjährigen Kriegs, 1 1639). Von diesen 
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