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kamen 947,7 (1871: 962,6) Protestanten, 46,2
(1871:32,9) Katholiken, 3,6 (1871:3,9) Juden.
Das Großherzogtum zählt 624 Gemeinden, dar-
unter 33 Städte; die größten sind Eisenach (1905:
33306 Einw.), die Hauptstadt Weimar (29 805
Einw.), Jena (26 360 Einw.), Apolda (21 262
Einw.), Ilmenau (11 222 Einw.). Von der Ge-
samtfläche entfallen auf Ackerland und Gärten
56,1 % ,auf Wiesen 8,7 %, auf Wald 25,7 %;
vom Wald sind 47,5% Staats-, 15,3 5% Ge-
meindeforste (Kronenforste sind nicht vorhanden).
Nach der Berufszählung von 1907 widmeten sich
(Berufszugehörige insgesamt) der Landwirtschaft
120 390, der Industrie 175 465, Handel und
Verkehr 45 780, dem häuslichen Dienst und
wechselnder Lohnarbeit 3784, dem öhffentlichen
Dienst und freien Berufen 21 390; ohne Beruf
waren 33 720. Die bedeutendsten Gewerbezweige
sind die Glas-, Porzellan-, Tonwaren= und
Zementfabrikation, die Erzeugung wissenschaft-
licher Instrumente (Jena), die Textilindustrie,
die Kleineisen-, Maschinen= und Pianoforte-
industrie, die Holzwaren= (namentlich Spiel-
waren-)Industrie usw. Wichtig ist auch der Kali-
bergbau (Allstedt, Werratal).
3. Verfassung und Verwaltung. Die
Staatsverfassung beruhtauf dem revidierten Grund-
gesetz vom 15. Okt. 1850 und dem Nachtrag vom
27. März 1878. Die Rechtsverhältnisse des
Großherzogs und des großherzoglichen Hauses
sind nur hausgesetzlich geregelt. Die Thronfolge
erfolgt im Mannesstamm nach dem Recht der
Erstgeburt, Volljährigkeit tritt mit Vollendung
des 18. Lebensjahres ein. Die Zivilliste beläuft
sich auf 1,02 Mill. M (vgl. jedoch Sp. 873). Der
Großherzog und der Erbgroßherzog führen den
Titel „Königliche Hoheit“, die Nachgebornen den
Titel Hoheit.
Der Landtag besteht aus einer Kammer.
Von den 38 auf 6 Jahre gewählten Abgeordneten
gehen 5 aus der Wahl der größeren Grundbesitzer
(wenigstens 3000 M Einkommen aus inländi-
schem Grundbesitz), 5 aus den übrigen Höchst-
besteuerten (wenigstens 3000 M Einkommen aus
andern Quellen), 5 aus den Kreisen der Uni-
versität Jena, der Handels-, Handwerks-, Land-
wirtschafts= und Arbeitskammer (die letzte gibt es
zurzeit noch nicht), 23 aus allgemeinen direkten
Wahlen hervor (Landtagswahlgesetz vom 10. April
1909). Das aktive Wahlrecht besitzt, abgesehen von
den allgemeinen Einschränkungen, jeder 25 Jahre
alte männliche Staatsangehörige, der das Bürger-
recht einer Gemeinde besitzt. Zur Wählbarkeit ist
das 30. Lebensjahr erforderlich. Der Präsident
und die beiden Vizepräsidenten werden vom Land-
tag gewählt. Im Fall mehrmaligen Wegbleibens
eines Abgeordneten von der Sitzung kann der
Landtag zum Besuch auffordern mit der Maß-
gabe, daß Außerachtlassung der Ladung als Aus-
trittserklärung gelten soll. Die Abgeordneten er-
halten Tagegelder (die in Weimar wohnenden
Sachsen-Weimar-Eisenach.
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10 M, die übrigen 12 M, die Vizepräsidenten
15 M. der Präsident 18 M) und Ersatz der Reise-
kosten. Die Rechte des Landtags sind Teilnahme
an der Gesetzgebung (einschließlich des Rechts der
Initiative), Mitwirkung bei der Finanzverwal-
tung und der Einführung bzw. Umgestaltung von
Steuern und andern Belastungen, Vortrag vor
dem Landesherrn über Mängel und Mißbräuche
in der Gesetzgebung oder Verwaltung mit gut-
achtlichen Vorschlägen, Beschwerde an den Groß-
herzog und Klage beim Staatsgerichtshof (in
Jena, Präsident des Oberlandesgerichts, 6 vom
Landesherrn ernannte, 6 vom Landtag gewählte
Räte) gegen das Staatsministerium oder dessen
einzelne Mitglieder usw. Ohne Einwilligung des
Landtags werden jedoch vom Landesherrn Gesetze
erlassen, die nur für einzelne Korporationen oder
bestimmte Orte (Ortsgesetze) gelten sollen (in
Übereinstimmung mit der Gemeinde bzw. Kor-
poration). — Auf Grund der Wahlen vom De-
zember 1909 setzt sich der Landtag zusammen
(außer den 15 Vertretern bestimmter Interessen)
aus 9 Konservativen, 6 Liberalen, 4 Sozial-
demokraten, 3 Nationalliberalen und 1 Zentrums-
mitglied.
Im Bundesrat hat das Land eine Stimme, in
den Reichstag sendet es drei Abgeordnete.
An der Spitze der Staatsverwaltung (Gesetze
über die Neugestaltung der Staatsbehörden vom
5., 18. und 23. März 1850) steht das Staats-
ministerium unter dem Staatsminister, der zugleich
Chef eines der drei Ministerialdepartements ist.
Diese sind 1) das des großherzoglichen Hauses,
des Kultus und der Justiz, 2) das der Finanzen,
3) das des Außern und Innern, doch ist die Ge-
schäftseinteilung keine feststehende. Als Gesamt-
ministerium treten die Chefs der einzelnen Mini-
sterialdepartements zusammen, wenn verfassungs-
gemäß die Entschließung des Staatsoberhaupts
einzuholen ist, wenn nach besonderer gesetzlicher
Bestimmung eine Entscheidung zu geben ist (so
z. B. eine höchstinstanzliche Entscheidung in Fragen
des Verwaltungsrechis), wenn das Staatsober-
haupt oder der betreffende Departementschef die
gemeinsame Beratung besonders bestimmen. —
Das Großherzogtum ist in fünf Verwaltungs-
bezirke (Weimar, Apolda, Eisenach, Dermbach,
Neustadt a. d. O.) geteilt, an deren Spitze ein Be-
zirksdirektor (bzw. als Stellvertreter der Bezirks-
kommissär) steht. Diesem zur Seite steht der
Bezirksausschuß (gewählte Mitglieder) mit wich-
tigen Entscheidungsrechten auf dem Gebiet der
innern Verwaltung, namentlich dem der Kom-
munalaufsicht (Sachsen-Weimar hat mit der Ein-
richtung der Bezirksausschüsse zuerst unter den
deutschen Staaten Elementen der Selbstverwal-
tung die Ausübung obrigkeitlicher Funktionen
übertragen).
Dem Gemeindewesen liegt die Gemeindeord-
nung vom 17. April 1895 zugrunde. Zwischen
Städten und Landgemeinden besteht nur ein tat-