Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

881 
Realen die Insel. Seither hat sich die Republik 
behauptet, doch ist das Land infolge der fast stän- 
digen innern Zwistigkeiten und der Aufstände 
ehrgeiziger Politiker gegen die herrschenden Präsi- 
denten selten zur Ruhe gekommen. Nur während 
der Regierungszeit des tatkräftigen Generals 
Ulisses Heureux, der seit den 1880er Jahren bis 
zu seinem Tod 1899 viermal zum Präsidenten 
gewählt wurde, herrschten leidlich geordnete Zu- 
stände. Sein Nachfolger Juan J. Jimenez, der 
1902 gestürzt wurde, erhob sich 1903 und 1904 
gegen den neuen Präsidenten Vasquez; als die 
Aufrührer die Hauptstadt belagerten, sahen sich 
die auf der Reede vor Anker liegenden fremden 
Kriegsschiffe veranlaßt, zum Schutz der Ange- 
hörigen ihres Staats Truppen zu landen. Die 
finanzielle Verwirrung des Staats stieg immer 
höher. Schon 1888 hatte die Regierung bei der 
Aufnahme einer Anleihe bei einem Amsterdamer 
Haus diesem die Verwaltung der Zölle überlassen 
müssen. Das Amsterdamer Haus, das 1890 
noch eine zweite Anleihe gewährte, verkaufte 1893 
die Zollverwaltung an eine amerikanische Gesell- 
schaft, die Iimprovement Company, die trotz der 
Konzessionen für Bahnbauten, Betrieb von Berg- 
werken und andern öffentlichen Arbeiten der Re- 
gierung nur 60 000 Dollar monatlich überließ. 
Die Unzufriedenheit der Gläubiger infolge des 
drohenden Staatsbankrotts schien eine Einmischung 
der europäischen Mächte nahe zu rücken; um diese 
zu verhindern, traf Roosevelt Anfang 1905 zur 
Sanierung der Finanzen ein Abkommen mit dem 
dominikanischen Präsidenten Morales, das aber 
vom Senat der Vereinigten Staaten nicht ge- 
nehmigt wurde. Inzwischen wurde Morales ge- 
stürzt und sein Nachfolger, der General Ramon 
Caceres (der 1908 wieder zum Präsidenten bis 
1914 gewählt wurde), schloß mit Roosevelt am 
8. Febr. 1907 einen neuen Vertrag, der inhalt- 
lich mit dem früheren fast ganz übereinstimmte 
und nach der Zustimmung des Senats der Ver- 
einigten Staaten und des dominikanischen Parla- 
ments am 24. Juni ratifiziert wurde. Gemäß 
diesem Vertrag, der Santo Domingo unter das 
finanzielle Protektorat der Union stellt, bekam die 
Republik zur Konsolidierung ihrer Schulden eine 
Anleihe von 20 Mill. Dollar Gold, überließ aber 
dafür die Verwaltung der Zölle einem von dem 
Präsidenten der Union ernannten Generalein- 
nehmer; dieser hat 55 % der Zolleinnahmen in 
einem Kreditinstitut niederzulegen zur Bildung 
einer Kapitalmasse, die zur Befriedigung der aus- 
wärtigen Gläubiger dient, er zahlt die Schuld- 
zinsen, sorgt für die Amortisation, bestimmt die 
Summe, die monatlich für die Bezahlung der 
Anleihe aufgewendet wird, und führt den elwa 
verbleibenden Rest, samt den übrigen 45 % der 
Zolleinnahmen, der Regierungskasse zu. Bis zur 
völligen Tilgung der amerikanischen Anleihe darf 
die Republik ohne Zustimmung der Vereinigten 
Staaten keine neue Anleihe aufnehmen und ihre 
  
Santo Domingo. 
  
882 
Zölle nicht ändern. Eine neue Konstitution wurde 
22. Febr. 1908 veröffentlicht. 
2. Die Bevölkerung des Staats, dessen 
Fläche 48 577 qkm beträgt, beläuft sich auf rund 
610,000 Seelen (12 auf 1 ckm) sie sind großen- 
teils spanischer Abkunft oder Mulatten (Nach- 
kommen spanischer Väter und schwarzer Mütter); 
in der Hauptstadt sind unter den 18 600 Ein- 
wohnern zahlreiche Türken und Syrer, die den 
Handel großenteils deherrschen. Landessprache ist 
das Spanische. Die größeren Provinzstädte sind 
Puerto Plata (15.000/16 000 Einwohner), San- 
tiago (12 000), Macoris (12000), Somanäd, 
Azua usw. (4000/5000. 
3. Nach der Verfassung vom 20. Juni 
1896, abgeändert 1908, ist die Regierung von 
Santo Domingo „durchaus bürgerlich, republi- 
kanisch, demokratisch, repräsentativ, abwechselnd, 
unverantwortlich“, ihre Verwaltung in die drei 
Gewalten der Gesetzgebung, Exekutive und Ge- 
richtsbarkeit geteilt. Die gesetzgebende Gewalt 
liegt beim Nationalkongreß, der aus Senat und 
Abgeordnetenkammer besteht. Die 12 Mitglieder 
des Senats (je 1 für jede Provinz und jeden 
Distrikt) werden auf 6 Jahre indirekt vom Volk 
gewählt und alle 2 Jahre zu einem Drittel er- 
neuert; die 24 Mitglieder der Abgeordneten- 
kammer (je 2 für jede Provinz und jeden Distrikt) 
werden indirekt auf 4 Jahre gewählt und alle 
2 Jahre zur Hälfte erneuert. Aktiv wahlberech- 
tigt ist jeder dominikanische volljährige Bürger, 
der im Genuß der bürgerlichen Ehrenrechte ist; 
zur Wählbarkeit ist außerdem einjähriger Wohnsitz 
in der Provinz oder in dem Distrikt, in welcher 
der Kandidat gewählt werden will, erforderlich. 
Nicht wählbar zu Deputierten sind die Chefs der 
Exekutivgewalt (Präsident, Staatssekretäre und 
Gouverneure), der Präsident und Generalproku- 
rator des obersten Gerichtshofs. Der Kongreß 
soll jedes Jahr am 27. Febr. zu einer ordentlichen 
Sitzung (bis zu 90 Tagen) zusammentreten; auf 
Wunsch der Exekutive oder Beschluß des Kon- 
gresses kann die Sessionsdauer um 30 Tage ver- 
längert werden. Der Kongreß hat die Wahl des 
Präsidenten und Vizepräsidenten zu beurteilen, 
die Wahl der gesamten Beamten kund zu tun, 
ihnen den Eid abzunehmen, die obersten Richter 
und Beisitzer des höchsten Gerichtshofs und die 
Richter der ersten Tribunale aus je 3 Namen, die 
ihm von den entsprechenden Wahlkollegien unter- 
breitet werden, auszuwählen, ihre Entlassung ent- 
gegenzunehmen; er hat das Recht, allgemeine 
Abgaben und Steuern aufzulegen, den jährlichen 
Hausalt festzusetzen, die Geschäftsführung und 
Maßnahmen der Exekutive bezüglich der öffent- 
lichen Mittel zu genehmigen oder zu mißbilligen, 
Gesetze zu erlassen, abzuändern und auszulegen, 
Verträge abzuschließen, Krieg und Frieden zu er- 
klären, die Stärke der Armee jährlich festzusetzen, 
Konzessionen zu gewähren oder zu verweigern, am 
Ende jeder Konstitutionalperiode alle Amtshand-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.