Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

883 
lungen der Exekutive zu billigen oder zu miß- 
billigen, zu beschließen, ob Mitglieder der Re- 
gierung in Anklagezustand zu versetzen sind usw. 
Die Gesetzesinitiative steht wie dem Kongreß auch 
der Exekutive und in gerichtlichen Angelegenheiten 
auch dem obersten Gerichtshof zu. 
Die Exekutivgewalt hat der Präsident in 
Verbindung mit den Staatssekretären. Der Präsi- 
dent muß Dominikaner von Geburt und über 
30 Jahre alt sein; die Wahl erfolgt indirekt auf 
6 Jahre. Hat bei der Wahl keiner der Kandidaten 
die Majorität der Stimmen für sich, so trifft der 
Kongreß die Wahl unter den 3 Bewerbern, welche 
die höchste Stimmenzahl erreicht haben. Zu gleicher 
Zeit und in gleicher Weise erfolgt die Wahl eines 
Vizepräsidenten. Beide können nach Ablauf ihres 
Amtstermins wieder gewählt werden. Wenn Prä- 
sident und Vizepräsident zu gleicher Zeit fehlen, 
so ist der Rat der Staatssekretäre als Exekutive 
tätig; er muß dann innerhalb 48 Stunden die 
Wahlkörper einberufen. Für die Erledigung der 
Verwaltungsgeschäfte stehen dem Präsidenten 
7 Staatssekretäre zur Seite, die Dominikaner 
von Geburt und 25 Jahre alt sein müssen. Alle 
Amtshandlungen der Exekutive müssen von dem 
betreffenden verantwortlichen Staatssekretär gegen- 
gezeichnet werden. Für die Verwaltung ist das 
Land in 6 Provinzen und 6 Seedistrikte einge- 
teilt, die unter einem von der Exekutive ernannten 
Zivil= und Militärgouverneur stehen. Von diesen 
werden die lokalen Obrigkeiten (in den Gemeinden 
Präfekten, in den Kantonen Subpräfekten) er- 
nannt; in den Städten gibt es gewählte Stadt- 
räte mit zweijähriger Amtsdauer. — Für die 
Rechtspflege besteht ein oberster Gerichtshof 
mit 1 Präsidenten und 4 Richtern, die vom Kon- 
greß gewählt werden, und einem Generalproku- 
rator (ministro fiscal), der von der Exekutive 
ernannt wird; die Wahl bzw. Ernennung erfolgt 
auf 4 Jahre, kann aber immer erneuert werden. 
Das Gebiet der Republik ist in 12 Gerichts- 
bezirke eingeteilt, jeder mit einem Zivil= und 
Kriminalgericht und einem Gericht erster Instanz; 
die Bezirke zerfallen wieder in Kommuney, jede 
mit einem Lokalrichter (Alkalde), einem Sekretär 
und einem Alguacil. Als zweite Instanz fun- 
gieren die 2 Appellhöfe in der Hauptstadt und in 
Santiago de los Caballeros. 
Die Religion des Staats ist die römisch- 
katholische; andere Konfessionen sind geduldet und 
können in ihren Gotteshäusern ausgeübt werden. 
Kirchlich bildet das Gebiet der Republik die Erz- 
diözese Santo Domingo, der als Suffraganat 
Porto Rico untersteht. Bei einer Sedisvakanz hat 
der Kongreß der Exekutive die Namen von 3 ge- 
eigneten Priestern, die Bürger von Santo Domingo 
sein und sich in der Republik aufhalten müssen, 
mitzuteilen, damit sie dem Heiligen Stuhl unter- 
breitet werden können. Die Verkündigung von 
päpstlichen Bullen und Breven kann nur mit dem 
Plazet der Exekutivgewalt erfolgen, sofern sie nicht 
  
Santo Domingo. 
  
884 
im Widerspruch mit der Verfassung, den Gesetzen 
und Vorrechten der Nation oder der derzeitigen 
Rechtspflege stehen. — Der Elementarunter- 
richt ist unentgeltlich und obligatorisch und fällt 
den (vom Staat Unterstützung genießenden) Ge- 
meinden zur Last. Die staatlichen Schulen (an 
300) sind elementare, höhere und technische Schulen, 
1 Lehrerseminar, 1 Gewerbeschule und 1 Schule 
für Künste und Wissenschaften; von den privaten 
Schulen ist die bedeutendste das Priesterseminar. 
Die Truppen, die nach einem Gesetzentwurf 
von 1901 neu geordnet wurden und aus aktiven 
Truppenteilen und Nationalmiliz bestehen sollen 
(2 Regionen mit je 1 Armeekorps zu 2 Divisionen, 
jede zu 2 Brigaden), sind hauptsächlich in den 
Provinzhauptstädten aufgestellt. Die Regierung 
hat etwa 1300 Mann unter Sold stehen. Die 
Marine zählt 1 Schraubenboot („Indepen- 
dencia“, 350 Tonnen, 7 Geschütze) und 4 Zoll- 
kutter mit je 2 Schnellfeuergeschützen. 
Die Flagge ist durch ein liegendes weißes 
Kreuz, dessen Mitte ein von Zweigen umgebenes, 
die Bibel mit dem Kreuz sowie Fahnen und 
Waffen zeigendes Emblem einnimmt, in 4 Felder 
geteilt, von denen das obere am Flaggstock und 
das diagonal liegende blau, die beiden andern rot 
sind; die Handelsflagge ist ebenso, doch ohne 
Mittelschild; Landesfarben sind Blau, Rot, Weiß. 
4. Wirtschaftliche Verhältnisse. Die 
wirtschaftliche Entwicklung befindet sich wegen der 
politischen Ruhe der letzten Jahre in aufsteigender 
Linie. Die Hauptprodukte des fruchtbaren Lan- 
des, von dem an ⅝ anbaufähig wären, sind 
Kakao, Zucker, Tabak, Bananen, Kaffee, Baum- 
wolle, Agaven, Orangen usw.; die Kaffeekultur 
hat in der letzten Zeit sich sehr ausgedehnt. Seit 
1905 wird Staatsland zu günstigen Bedingungen 
an Private abgegeben. Die Wälder sind reich an 
wertvollen Hölzern (Mahagoni-, Eben-, Blau-, 
Gelbholz usw.), können aber wegen ungenügender 
Verkehrswege wenig ausgenutzt werden. Die wich- 
tigsten vorkommenden Mineralien sind Gold, 
Silber, Eisen= und Kupfererz, Braunkohle, Salz 
und Petroleum, doch wird bisher nur Gold in 
erheblichem Umfang, hauptsächlich Flußgold, ge- 
wonnen. Mit der Land= und Forstwirtschaft 
hängen auch die bedeutenderen Industriezweige 
zusammen: Fabrikation von Zucker, Tabak, Zi- 
garren, Strohhüten, Seife, Zündhölzchen und 
Schokolade, Sägewerke, Strumpfwirkerei usw. 
Der Wert der Einfuhr (Baumwoll-, Eisen- und 
Stahlwaren, Lebensmittel) betrug 1908 21,5, 
die Ausfuhr 39,8 Mill. M (Kakao 17,9, Zucker 
13, Tabakblätter 4,1, Kaffee 1,4, Bananen 0,98 
Mill.); von jener kamen 56 % aus den Ver- 
einigten Staaten, 17 % aus Deutschland, 15% 
aus Großbritannien, von dieser gingen 45 % 
nach Deutschland, 44 % nach den Vereinigten 
Staaten, 9 % nach Frankreich. Im auswärtigen 
Handel liefen 1907 772 Schiffe mit 840 256 
Tonnen ein. 1908 kamen 57 % der Einfuhr
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.