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erwähnten weißen Reichsbankschecks, verfügen, son-
dern auch mittels des Uberweisungsformulars, des
sog. roten Schecks, der aber als bloßer Um-
schreibungsauftrag in Wirklichkeit kein Scheck ist,
an andere Girokunden der Bank seine Zahlungen
machen.
2. Der Abrechnungsverkehr ist nicht so
einfach wie der Giroverkehr, aber sehr interessant.
Gehen wir auch hier wieder vom Scheck aus. Der
Empfänger bringt den Scheck nicht immer selbst bei
der bezogenen Bank zur Einlösung, sondern gibt ihn
vielfach einer andern Bank, mit der er gerade ar-
beitet, zum Inkasso. An bedeutenden Plätzen mit
regem Scheckverkehr sammeln sich infolgedessen täg-
lich bei jeder größeren Bank zahlreiche Schecks an,
die auf eine der andern Banken gezogen sind. An
sich müßten diese Schecks nun immer alsbald —
man denke an die Vorlegungsfrist — bar eingelöst
werden. Wenn also auch für den Aussteller und
einen oder mehrere sonstige Scheckinhaber die Bar-
zahlung vermieden wäre, so würde sie doch im
letzten Stadium und gerade an den Stellen, wo
sich die Schecks ansammeln, nicht ausgeschaltet
sein. Und da tritt der Abrechnungsverkehr in seine
Rechte. Er ist in seiner heutigen Gestalt eine
Schöpfung der Engländer. Im Jahre 1775 trat
in London eine Anzahl dortiger bankers zu-
sammen und gründete das sog. Clearing-
House (Clearing = Klärung, in übertragenem
Sinn Abrechnung, Clearing-House Abrechnungs-
stelle). In diesem Londoner Clearing-House, bas
heute eine ganz gewaltige Bedeutung erlangt hat,
treffen sich die Vertreter der beteiligten Banken zu
bestimmten Zeiten, um ihre Forderungen aus
Schecks, Wechseln und sonstigen Papieren durch
Abrechnung in einer besondern Form gemeinsam
zur Erledigung zu bringen. Jede Bank stellt unter
Benutzung eines bestimmten Formulars, das die
Namen der am Clearing. Verkehr beteiligten
Banken enthält, fest, welche Beträge sie auf Grund
der betreffenden Papiere an die andern Banken zu
zahlen, und ebenso, welche Summen sie von den
andern zu fordern hat. Soweit sich nun die Ge-
samtbeträge decken, werden sie durch Verrechnung
ausgeglichen. Die darüber hinaus sich ergebenden
Differenzen, also die Salden, werden aber nicht
bar bezahlt, sondern durch Zu- und Abschreibung
auf dem Konto, das jede der Banken bei der Bank
von England hat, zur Erledigung gebracht. Da-
mit ist also für den großen, konzentrierten Geld-
verkehr die Barzahlung vollständig vermieden. Ge-
waltige Summen werden so umgesetzt, und ins-
besondere werden also auch unzählige Schecks
schließlich nicht bar, sondern im Weg dieser Ab-
rechnung eingelöst, so daß man den Abrechnungs-
verkehr als die Krone des Scheckverkehrs be-
zeichnen kann.
Das Londoner Clearing-House, die Verwirk-
lichung eines überaus glücklichen Gedankens,
mußte natürlich nicht allein in Großbritannien,
sondern auch in andern Ländern mit intensivem
Scheck usw.
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Geldverkehr Schule machen. So hat sich denn
auch in Amerika ein höchst bedeutender Clearing-
Verkehr entwickelt, ferner hat der Abrechnungs-
verkehr in Australien, Frankreich, Italien, Japan,
Osterreich-Ungarn und auch in Deutschland Ein-
gang gefunden. Die erste deutsche Ab-
rechnungsstelle wurde unter Führung der
Reichsbank im Jahr 1883 in Berlin gegründet.
Ende 1909 bestanden in Deutschland bei der
Reichsbank im ganzen 20 Abrechnungsstellen mit
220 Teilnehmern. Zu erwähnen ist hier auch die
am 1. Juni 1910 ins Leben getretene Berliner
Scheck-Austauschstelle für Schecks, die auf
Plätze außerhalb Berlins gezogen sind, aber eine
die Einziehung des Schecks besorgende Berliner
Zahlstelle besitzen. Diese Neueinrichtung ist zwar
keine eigentliche Abrechnungsstelle, steht aber mit
dem Abrechnungsverkehr in Verbindung.
V. Wirtschaftliche Bedenfung des Scheck-
wesens. Scheckverkehr, Giroverkehr und Ab-
rechnungsverkehr, die wir als Scheckwesen im wei-
testen Sinn zusammenfassen können, sind wirt-
schaftlich von großer Bedeutung. Letztere beruht
auf der diesen Zahlungsarten gemeinsamen Eigen-
tümlichkeit, daß sie den Umsatz baren Geldes ver-
meiden wollen.
Die bargeldlose Zahlung bietet zunächst dem
einzelnen bedeutende Vorteile gegenüber der Bar-
zahlung. Die Gefahren des Transports der
Münzen und Banknoten, des Verzählens, Ver-
rechnens, des Empfangs von falschen Geldstücken,
der Beschädigung des Metall= und Papiergeldes
sind vermieden oder wesentlich herabgemindert.
Die Zeit und Mühe des Geldzählens, des Ein-
und Auspackens der Geldsendungen, des lästigen
Wechselns ist erspart. Die Unbequemlichkeit und
Unsicherheit des Aufbewahrens größerer Beträge,
die sonst vor Diebstahl und Feuersgefahr nicht
geschützt sind, ist beseitigt. Mit einem Wort:
die ganze mühevolle Führung einer größeren
Kasse wird dem einzelnen abgenommen und be-
rufsmäßigen Kassenverwaltern, geschulten Bank-
beamten übertragen. Zudem gewähren die
Banken, trotzdem über das Scheckguthaben stünd-
lich verfügt werden kann, meist Zinsen, während
sonst die fraglichen Beträge zinslos in den Kassen
liegen würden (keine Verzinsung im Reichsbank-
giroverkehr und im deutschen Postscheckverkehr).
Ein in weiten Kreisen ausgebildetes Scheckwesen
ist aber auch für die Gesamtheit von nicht zu
unterschätzendem Wert. Infolge des Scheckverkehrs
sammelt sich das Geld in erhöhtem Maß bei den
Banken und ähnlichen Zentralstellen an. Viele
Millionen, die sonst zerstreut in den Kassenschränken
lieigen würden, werden so erst wirtschaftlich er-
schlossen, dem Geldmarkt zugänglich gemacht, um
als werbendes Kapital in der Volkswirtschaft zu
wirken. Der Bedarf an Metallgeld und Noten
wird vermindert, der allgemeine Zinsfuß günstig
beeinflußt. Wie Rießer (Finanzielle Kriegsbereit-
schaft und Kriegsführung, 1909) betont, ist ein