Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

923 
Zu den bedeutendsten deutschen Werften gehören 
die drei Kaiserl. Marinewerften in Wilhelms- 
haven, Kiel und Danzig, dann Schichau in Danzig 
und Elbing, Vulkan in Stettin und Hamburg, 
Blohm & Voß, Reiherstieg, Brandenburg und 
Stülcken in Hamburg, Weser in Bremen, Ger- 
mania und Howaldt in Kiel. Ferner sind noch 
mehrere Werften in Hamburg, dann in Bremen, 
Papenburg, Geestemünde, Flensburg, Lübeck, 
Stettin usw. vorhanden. 
Befähigungsnachweis. Schule. Ohne 
tüchtige Seeleute kein zuverlässiger Dienst an Bord; 
ohne zuverlässigen Dienst kein umfassender Betrieb; 
ohne umfassenden Betrieb keine höchste Entwick- 
lung in der Schiffahrt. Deshalb wird der Schulung 
und dem Fachunterricht des Personals — vor- 
nehmlich in Deutschland — stets eine besondere 
Fürsorge zugewendet. Durch die Gewerbe= und 
durch die Seemannsordnung sowie durch verschie- 
dene sonstige Verordnungen sind Vorschriften über 
die Ausbildung und über den Nachweis der Be- 
fähigung erlassen. Es bestehen besondere Fach- 
schulen, Navigationsschulen usw., in denen die 
Kenntnisse für die Kapitäns-, Steuermanns= und 
Maschinistenprüfungen usw. erworben werden 
können. Daneben muß eine bestimmte Fahrtdauer 
im praktischen Schiffsdienst nachgewiesen werden. 
Die Prüfungen werden unter der Aussicht von 
staatlichen Behörden abgehalten. Die Einführung 
der großen Schnelldampfer und die bedeutende 
Ausgestaltung ihrer maschinellen Anlagen haben 
vor einigen Jahren den Norddeutschen Lloyd und 
die Hamburg-Amerika-Linie zu dem Bestreben ver- 
anlaßt, dem in höheren Stellungen befindlichen 
Maschinenpersonal eine besondere Fortbildung zu 
verschaffen. Hierfür sind jetzt in Hamburg und 
Bremen staatliche Ingenieurschulen eingerichtet. 
Künftig sind nur Schiffsingenieure berechtigt, die 
maschinellen Anlagen der größten Dampfer jeder 
Art in allen Fahrten zu leiten. Nach den Vor- 
schriften des Bundesrats über die Besetzung der 
Schiffe mit Kapitänen usw. werden die Fahrten 
abgegrenzt nach: Nahfahrt, Küstenfahrt, kleiner, 
mittlerer und großer Fahrt. Je nach der nach- 
gewiesenen Ausbildung wird die staatliche Be- 
fähigung zum Dienst in den einzelnen Fahrten 
erteilt. Für die Besetzung der Seefischereifahrzeuge 
mit Führern und Maschinisten, für Lotsen sind 
Vorschriften erlassen. Der Norddeutsche Lloyd und 
der Schulschiffsverein haben eigne Schulschiffe, auf 
denen für den niederen und höheren Schiffsdienst 
schulmäßig und praktisch unterrichtet und vorgebil- 
det wird. In den andern Staaten wird der Aus- 
bildung eine gleiche Fürsorge gewidmet. 
Seemannsordnung. Vor der Einigung 
Deutschlands beruhten der Schutz des Seemanns 
und die Arbeitsverfassung an Bord auf zerstreuten 
Gesetzen und Verordnungen der einzelnen Ufer- 
staaten und auf Herkommen. Jetzt sind die Rechts- 
verhältnisse der Seeleute durch das vierte Buch des 
Handelsgesetzbuchs und durch die Seemannsord- 
Schiffahrt. 
  
924 
nung vom 2. Juni 1902 sowie durch verschiedene 
Verordnungen einheitlich geregelt. Näheres hier- 
über s. im Art. Seerecht. 
Nautik. Im Schiffahrtsbetrieb nimmt eine 
hohe Stelle die Navigation ein, d. h. die praktische 
Kunst, das Schiff über See, also von einem Ort 
zum andern zu bringen. Bereits die alten See- 
völker hatten eine den damaligen Verhältnissen 
entsprechend ausgebildete Nautik. Jetzt ist sie in 
hoher Blüte. Ihre Hilfsmittel, die nautischen, 
astronomischen und meteorologischen Instrumente, 
werden in größtmöglicher Vollkommenheit geboten. 
Zu dem zuverlässigsten Führer auf See, dem Kom- 
paß, gesellen sich die Sextanten, Chronometer und 
Seekarten. Bis vor kurzem war man auf das eng- 
lische Seekartenwerk (3000 Karten) angewiesen. 
Seit 1872 schreitet Deutschland auf dem Gebiet 
des Seekartenwesens rühmlich voran. Vom Reichs- 
Marineamt werden die deutschen Seekarten (Admi- 
ralitätskarten) der Ost= und Nordsee und der 
Nebenmeere herausgegeben. Seit 1902 hat es 
ein die ganze Erde umfassendes Seekartenwerk in 
Arbeit. (Am 1. April 1910 Bestand insgesamt 
363 Karten.) Von der Deutschen Seewarte in 
Hamburg werden Monatskarten für den Nord- 
atlantischen und Indischen Ozean veröffentlicht. 
Diese Karten enthalten eine graphische Darstel- 
lung der für die Schiffahrt wichtigen physikalischen 
Verhältnisse usw. (Winde, Sturmbahnen, Strö- 
mungen, Nebel, Eisgrenzen, Dampfer= und See- 
wege, Funkspruchstellen, Unterwasser-Schallsignal= 
stationen usw.). — Fast alle Seestaaten geben 
ebenfalls laufend Karten heraus. Ferner erscheinen 
Gezeitentafeln sowie Segel= und Dampferhand- 
bücher für verschiedene Ozeane mit Segelanwei- 
sungen (hrsg. vom Reichs-Marineamt und von 
der Deutschen Seewarte), Beschreibung der Küsten 
(der Pilote alte und neue Folge), Häfen, Untiefen. 
Notwendige Hilfsmittel sind auch das Lot, Log 
und Fernrohr. Zu den nautischen, meteorologi- 
schen und astronomischen Instrumenten und Appa- 
raten gehören Schiffskompaß, Luft= und Wasser- 
thermometer, Quecksilber= und Aneroid-Barometer, 
Sextanten, Oktanten, Chronometer, Schiffs= und 
Schiffspositionslaternen. Alle diese Instrumente 
und Apparate werden bei der Deutschen Seewarte 
und verschiedene von ihnen auch bei deren Agen- 
turen und Hauptagenturen geprüft. 
Sturmwarnungen. Delchiffahrt dienen 
auch die Sturmwarnungen. Sobald die Wetter- 
lage die Entwicklung stürmischer Winde befürchten 
läßt, werden von der Deutschen Seewarte den 
bedrohten Küstengebieten Sturmwarnungstele- 
gramme übermittelt. Zum Empfang und zur Be- 
kanntgabe der Telegramme sind an der deutschen 
Küste Signalstellen errichtet. Als Sturmsignale 
dienen am Tag der Signalball, 2 Kegel und 
2 rote Flaggen. Ihre Zusammensetzung und 
Verwendung erfolgt je nach der Art und Richtung 
der zu erwartenden Sturmwinde. Als Nacht- 
signal wird eine rote Laterne gehißt. In naher
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.