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Zu den bedeutendsten deutschen Werften gehören
die drei Kaiserl. Marinewerften in Wilhelms-
haven, Kiel und Danzig, dann Schichau in Danzig
und Elbing, Vulkan in Stettin und Hamburg,
Blohm & Voß, Reiherstieg, Brandenburg und
Stülcken in Hamburg, Weser in Bremen, Ger-
mania und Howaldt in Kiel. Ferner sind noch
mehrere Werften in Hamburg, dann in Bremen,
Papenburg, Geestemünde, Flensburg, Lübeck,
Stettin usw. vorhanden.
Befähigungsnachweis. Schule. Ohne
tüchtige Seeleute kein zuverlässiger Dienst an Bord;
ohne zuverlässigen Dienst kein umfassender Betrieb;
ohne umfassenden Betrieb keine höchste Entwick-
lung in der Schiffahrt. Deshalb wird der Schulung
und dem Fachunterricht des Personals — vor-
nehmlich in Deutschland — stets eine besondere
Fürsorge zugewendet. Durch die Gewerbe= und
durch die Seemannsordnung sowie durch verschie-
dene sonstige Verordnungen sind Vorschriften über
die Ausbildung und über den Nachweis der Be-
fähigung erlassen. Es bestehen besondere Fach-
schulen, Navigationsschulen usw., in denen die
Kenntnisse für die Kapitäns-, Steuermanns= und
Maschinistenprüfungen usw. erworben werden
können. Daneben muß eine bestimmte Fahrtdauer
im praktischen Schiffsdienst nachgewiesen werden.
Die Prüfungen werden unter der Aussicht von
staatlichen Behörden abgehalten. Die Einführung
der großen Schnelldampfer und die bedeutende
Ausgestaltung ihrer maschinellen Anlagen haben
vor einigen Jahren den Norddeutschen Lloyd und
die Hamburg-Amerika-Linie zu dem Bestreben ver-
anlaßt, dem in höheren Stellungen befindlichen
Maschinenpersonal eine besondere Fortbildung zu
verschaffen. Hierfür sind jetzt in Hamburg und
Bremen staatliche Ingenieurschulen eingerichtet.
Künftig sind nur Schiffsingenieure berechtigt, die
maschinellen Anlagen der größten Dampfer jeder
Art in allen Fahrten zu leiten. Nach den Vor-
schriften des Bundesrats über die Besetzung der
Schiffe mit Kapitänen usw. werden die Fahrten
abgegrenzt nach: Nahfahrt, Küstenfahrt, kleiner,
mittlerer und großer Fahrt. Je nach der nach-
gewiesenen Ausbildung wird die staatliche Be-
fähigung zum Dienst in den einzelnen Fahrten
erteilt. Für die Besetzung der Seefischereifahrzeuge
mit Führern und Maschinisten, für Lotsen sind
Vorschriften erlassen. Der Norddeutsche Lloyd und
der Schulschiffsverein haben eigne Schulschiffe, auf
denen für den niederen und höheren Schiffsdienst
schulmäßig und praktisch unterrichtet und vorgebil-
det wird. In den andern Staaten wird der Aus-
bildung eine gleiche Fürsorge gewidmet.
Seemannsordnung. Vor der Einigung
Deutschlands beruhten der Schutz des Seemanns
und die Arbeitsverfassung an Bord auf zerstreuten
Gesetzen und Verordnungen der einzelnen Ufer-
staaten und auf Herkommen. Jetzt sind die Rechts-
verhältnisse der Seeleute durch das vierte Buch des
Handelsgesetzbuchs und durch die Seemannsord-
Schiffahrt.
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nung vom 2. Juni 1902 sowie durch verschiedene
Verordnungen einheitlich geregelt. Näheres hier-
über s. im Art. Seerecht.
Nautik. Im Schiffahrtsbetrieb nimmt eine
hohe Stelle die Navigation ein, d. h. die praktische
Kunst, das Schiff über See, also von einem Ort
zum andern zu bringen. Bereits die alten See-
völker hatten eine den damaligen Verhältnissen
entsprechend ausgebildete Nautik. Jetzt ist sie in
hoher Blüte. Ihre Hilfsmittel, die nautischen,
astronomischen und meteorologischen Instrumente,
werden in größtmöglicher Vollkommenheit geboten.
Zu dem zuverlässigsten Führer auf See, dem Kom-
paß, gesellen sich die Sextanten, Chronometer und
Seekarten. Bis vor kurzem war man auf das eng-
lische Seekartenwerk (3000 Karten) angewiesen.
Seit 1872 schreitet Deutschland auf dem Gebiet
des Seekartenwesens rühmlich voran. Vom Reichs-
Marineamt werden die deutschen Seekarten (Admi-
ralitätskarten) der Ost= und Nordsee und der
Nebenmeere herausgegeben. Seit 1902 hat es
ein die ganze Erde umfassendes Seekartenwerk in
Arbeit. (Am 1. April 1910 Bestand insgesamt
363 Karten.) Von der Deutschen Seewarte in
Hamburg werden Monatskarten für den Nord-
atlantischen und Indischen Ozean veröffentlicht.
Diese Karten enthalten eine graphische Darstel-
lung der für die Schiffahrt wichtigen physikalischen
Verhältnisse usw. (Winde, Sturmbahnen, Strö-
mungen, Nebel, Eisgrenzen, Dampfer= und See-
wege, Funkspruchstellen, Unterwasser-Schallsignal=
stationen usw.). — Fast alle Seestaaten geben
ebenfalls laufend Karten heraus. Ferner erscheinen
Gezeitentafeln sowie Segel= und Dampferhand-
bücher für verschiedene Ozeane mit Segelanwei-
sungen (hrsg. vom Reichs-Marineamt und von
der Deutschen Seewarte), Beschreibung der Küsten
(der Pilote alte und neue Folge), Häfen, Untiefen.
Notwendige Hilfsmittel sind auch das Lot, Log
und Fernrohr. Zu den nautischen, meteorologi-
schen und astronomischen Instrumenten und Appa-
raten gehören Schiffskompaß, Luft= und Wasser-
thermometer, Quecksilber= und Aneroid-Barometer,
Sextanten, Oktanten, Chronometer, Schiffs= und
Schiffspositionslaternen. Alle diese Instrumente
und Apparate werden bei der Deutschen Seewarte
und verschiedene von ihnen auch bei deren Agen-
turen und Hauptagenturen geprüft.
Sturmwarnungen. Delchiffahrt dienen
auch die Sturmwarnungen. Sobald die Wetter-
lage die Entwicklung stürmischer Winde befürchten
läßt, werden von der Deutschen Seewarte den
bedrohten Küstengebieten Sturmwarnungstele-
gramme übermittelt. Zum Empfang und zur Be-
kanntgabe der Telegramme sind an der deutschen
Küste Signalstellen errichtet. Als Sturmsignale
dienen am Tag der Signalball, 2 Kegel und
2 rote Flaggen. Ihre Zusammensetzung und
Verwendung erfolgt je nach der Art und Richtung
der zu erwartenden Sturmwinde. Als Nacht-
signal wird eine rote Laterne gehißt. In naher