Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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einer Bordstation für die Funkentelegraphie aus- 
gerüstet. Mit der Zahl der Schiffe, die Stationen 
haben, wachsen auch die Erfolge. Zwischen zwei 
Stationen sind Entfernungen von 1000, 1200, 
2260, ja sogar von 3500 Seemeilen überbrückt wor- 
den. Als der Dampfer „Mantua“ der Peninsular 
and Oriental Navigation Comp. im Jahr 1909 
Malta verließ, hatte er eine Verbindung mit North 
Foreland hergestellt. So hatte er eine Strecke von 
etwa 2000 Seemeilen trotz der dazwischen liegen- 
den Alpen überspannt. Die Dampfer „Sheridan“ 
und „Massachusetts“ haben im Stillen Ozean auf 
9500 Seemeilen miteinander verkehrt. Durch die 
Vermittlung der Wellentelegraphie ist schon Hilfe 
in Seenot geleistet worden. In Zukunft ist dies 
in weiterem Maß zu erhoffen. Auch wird die Hei- 
mat über den Verlauf der Fahrt usw., über den 
Zustand des Schiffs und der ihm anvertrauten 
Menschen unterrichtet werden können. Die Reich- 
weite der Funkentelegraphenstati ist zur Nacht- 
zeit weit größer als am Tag. Man nimmt an, 
daß die Sonnenstrahlen auf die Ausbreitung der 
elektrischen Wellen hemmend einwirken. Auch im 
Binnenland und im internationalen Verkehr kann 
die Wellentelegraphie noch bedeutende Dienste 
leisten, vornehmlich da, wo die Landtelegraphen 
und die Kabelleitungen versagen. Einen Beweis 
liefert die jüngste Oktober-Revolution (1910) in 
Assabon. Durch Unterbrechung der Land= und 
Kabellinien wurde jeder Verkehr nach außen ab- 
geschnitten. Erst auf drahtlosem Weg hatte Deutsch- 
land die Gewißheit erhalten, daß Leben und 
Eigentum seiner Angehörigen dort nicht gefährdet 
seien. Nach Versuchen in der französischen Kriegs- 
marine scheint die drahtlose Telegraphie in der 
drahtlosen Telephonie eine Konkurrentin zu er- 
halten. Vgl. auch oben unter Sturmwarnungen. 
Seemannsschutz. Die Seemannzpolitik ge- 
hört in Deutschland zu den vornehmsten Aufgaben 
der Regierung. Ihre Reglung hat sie gefunden 
durch die Seemannsordnung und die Seemanns- 
versicherung. Die erste behandelt die persönlichen, 
die zweite die sozialen Verhältnisse des Scemanns. 
Die Seefahrtsbücher und die Musterung, das Ver- 
trags= und Arbeitsverhältnis, die dienstlichen und 
disziplinären Verhältnisse der Besatzung sind durch 
die Seemannsordnung festgelegt. Die Stellenver- 
mittlung ist gesetzlichgeordnet. Die Seemannsämter 
üben die Aufsicht über die Durchführung aller dieser 
Vorschriften aus. Die Seemannsversicherung ist 
in der Seeberufsgenossenschaft einheitlich zusam- 
mengefaßt. Die Wohltaten der fortgeschrittenen 
deutschen Arbeiterpolitik genießen auch die See- 
leute möglichst weitgehend. Eine Krankenver- 
sicherungspflicht besteht für den Seemannsstand 
nicht, da die Krankenfürsorge nach den Vorschriften 
der Seemannsordnung und des Handelsgesetzbuchs 
den Reedern aufgetragen ist. Dies gilt jedoch nur 
für die zum Erwerb durch die Seefahrt bestimmten 
Kauffahrteischiffe, die die Reichsflagge führen dür- 
fen. Durch das Seeunfall= und durch das In- 
Staatslexikon. IV. 3. u. 4. Aufl. 
Schiffahrt. 
  
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validitätsversicherungsgesetz, die sich eng an die 
Gewerbeunfallversicherungsgesetze anschließen, ist 
die Unfall= und Invaliditätsversicherung der See- 
leute geregelt. Damit ist die Witwen= und Waisen- 
versicherung verbunden. Die Organisation dieser 
Versicherung ist der Seeberufsgenossenschaft (Sitz 
Hamburg) für das ganze Reichsgebiet übertragen. 
Die Zahl der versicherungspflichtigen Seeleute 
betrug 1909: 67 682 Personen. Im ganzen wurden 
1909: 3102 Unfälle gemeldet, davon 2843 Ver- 
letzungen und 260 Todesfälle. Vom Jahr 1888 bis 
1909 sind gemeldet 56 520 Unfälle, davon 47376 
Verletzungen und 9144 Todesfälle. Im Jahr 1909 
wurden an Entschädigungen (Renten), an Hinter- 
bliebenengeldern, an Kurkosten usw. 1 117 100 M 
gezahlt. Im Kleinbetrieb der Schiffahrt sowie in 
der See- und Küstenfischerei mit 16 895 Personen 
sind 1909: 1681 Unfälle gemeldet worden und 
wurden 107 900 M Entschädigungen gezahlt. Da- 
neben bestehen einige private Einrichtungen, z. B. 
in Bremen (seit dem 16. Jahrh.) die Stiftung 
„Haus Seefahrt". 
Als Wohlfahrtseinrichtungen sind noch anzu- 
führen u. a.: Invaliden= usw. Kasse der Hamburg- 
Amerika-Linie mit 5225 000 M, Versorgungskasse 
Vereinigter Reedereien mit 3 145 000 M, die Wit- 
wen= usw. Kasse des Norddeutschen Lloyd mit 
3128 000 M und dessen Seemannzkasse mit 
3 852 000 M. 
Signalwesen. Zur Verständigung auf See 
zwischen den einzelnen Nationen wurde gewisser- 
maßen als eine allgemeine Seemannssprache das 
internationale Signalbuch eingeführt. Dieses be- 
steht aus 27 farbigen Flaggen, von denen 26 den 
Buchstaben A bis 2 entsprechen und die 27. als 
Anrufsignal dient. Mit einer Flagge lassen sich 
26 Signale herstellen, mit 2 (26 X 25) = 650, 
mit 3 (26 X 25 X 24) = 15600, mit 4 
(26 X 25 X 24 X 23) = 358 800. Neben 
diesen Nahsignalen bestehen Fernsignale. Diese 
sind immer daran erkenntlich, daß sie einen Ball 
haben. Als Fernsignale gelten auch Semaphore 
sowie Licht= und Tonsignale nach dem Morse- 
system. Dem Signalbuch ist als Anhang ein Ver- 
zeichnis der Schiffe aller seefahrenden Nationen 
beigefügt, in dem die näheren Angaben über jedes 
Schiff enthalten sind. So kann jedes Schiff, das 
seine Nationalflagge und das Signal zeigt, fest- 
gestellt werden. 
Verträge. Da sich manche die Schiffahrt 
fördernden Einrichtungen nur bei internationalem 
Einvernehmen zur vollen Wirksamkeit entwickeln 
können, ist deren Reglung durch internationale 
Verträge gesichert. Es sind dies z. B. die Ab- 
machungen über die Gebühren, über die Küsten- 
schiffahrt und Fischerei, über Telegraphenkabel, 
Branntweinhandel unter den Nordseefischern auf 
hoher See, Unterdrückung des Sklavenhandels zur 
See, der surtaxe de pavillon oder der Flaggen- 
steuer, der visite de partance, über Meßbriefe, 
Quarantäne, Unterstützung hilfsbedürftiger See- 
leute usw. Zurzeit strebt man auch nach einer ein- 
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