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heitlichen internationalen Abmachung über die
Tiefladelinie.
Schiffahrtspolitik. Die Schiffahrtspolitik
nimmt neben den Interessen der Schiffahrt auch
die des Handels wahr. Beide Interessen sind eng
verknüpft. Alle seefahrenden Nationen sind be-
strebt, durch besondere Gesetzgebungen und durch
Schutzmaßregeln ihre eigne Schiffahrt — selbst
zum Nachteil fremder — zu heben. Die neuen
Gesetzgebungen der Uferstaaten lassen immer deut-
licher die Absicht erkennen, Schiffe anderer Na-
tionen durch allerlei Betriebserschwernisse und Ab-
gaben von dem Transport der Ausfuhrgüter, haupt-
sächlich von der Auswandererbeförderung, nach
Mösglichkeit auszuschließen. So bestehen bei einigen
Staaten die Differentialabgaben, d.kh. beson-
dere Abgaben, durch die fremde Schiffe gegenüber
den einheimischen benachteiligt werden (in Form von
Tonnengeldern und Zuschlagszöllen). Durch die
Gegenseitigkeits= (Meistbegünstigungs-) Verträge
wird die Wirkung jener Maßregeln allerdings
immer mehr eingeengt. Es bestehen Beschränkungen
in der Küstenschiffahrt. Wie bei allen Seestaaten
für ihren Bereich ist auch in Deutschland für die
Küstenfahrt nur deutschen Schiffen das Recht zu-
gebilligt, Güter in einem deutschen Seehafen zu
laden, nach einem deutschen Hafen zu befördern
und sie dort auszuladen. Nur Schiffe solcher
Staaten, die auch Deutschland das Meistbegün-
stigungsrecht zuerkannt haben, haben das gleiche
Recht. Um wichtige Linien dem Verkehr zu erhalten,
um regelmäßigen Personen= und Postverkehr zu
ermöglichen, werden an Dampfschiffahrtsgesellschaf-
ten Subventionen gezahlt. Die Formen, in
die sie gekleidet werden, sind verschieden. Sie ver-
folgen aber alle denselben Zweck, der nationalen
Schiffahrt durch direkte oder indirekte Zuschüsse
der Regierung den ersten Platz zu sichern. Wir
begegnen hier u. a. Ausdrücken: Subvention, Be-
zahlung für Seepostbeförderung, Admiralitäts-
subvention, Navigations= und Bauprämien, Mei-
lengelder, Fischereiprämien. Alle diese Subven-
tionen belaufen sich auf etwa 47 Mill. Dollar
— 188 Mill. I jährlich. Es zahlen jährlich
etwa: Frankreich 53,696 Mill., England und
Kolonien 38,756 Mill., Japan 21,656 Mill.,
Italien 15,492 Mill., Spanien 12,6 Mill.,
Osterreich= Ungarn 11,58 Mill., Deutschland
9,204 Mill., Rußland 7,516 Mill., Vereinigte
Staaten von Amerika 5,868 Mill. M usw. In
Deutschland dienen die Subventionen in erster
Linie dem Interesse an der Erhaltung wich-
tiger Reichspostdampferlinien und der Postbeför-
derung.
In Spanien tritt zur Hebung der heimischen
Schiffahrt mit dem 1. Jan. 1911 ein Schiffahrts-
gesetz in Kraft, nach dem allen ausländischen Ge-
sellschaften besonders schwere Steuern und Lasten
auferlegt, hingegen den allerdings erst zu bildenden
spanischen Reedereien direkt staatliche Unter-
stützungen in Aussicht gestellt werden.
Schiffahrt.
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Auswandererpolitik. Einen wichtigen
Zweig der Schiffahrt bildet die Auswanderer-
politik. Die staatliche Fürsorge erstreckt sich nicht
allein auf die Besatzung der Schiffe, sondern auf
alle an Bord befindlichen Personen, auf die Passa-
giere in vielen Fällen, ohne daß sie sich dessen be-
wußt sind. Sie sind nicht der Willkür des Reeders
ausgesetzt. Im vierten Buch des Handelsgesetzbuchs
ist in den 88 664/678 das Frachtgeschäft zur Be-
förderung von Menschen geordnet. Die einzelnen
Bestimmungen sind bereits bei der Besprechung
der betreffenden Teile der Schiffahrt oben ange-
führt. Für die gewerbsmäßige Beförderung von
Auswanderern ist die behördliche Genehmigung
erforderlich. Nur auf Grund eines schriftlichen
Vertrages darf die Beförderung von Auswan-
derern erfolgen. Es ist Fürsorge getroffen, daß
sich nicht Wehrpflichtige zwischen 17 und 25 Jahren
oder gerichtlich Verfolgte durch Auswanderung
der Behörde entziehen. Das Auswandererwesen
hat im Lauf der Jahre einen ungewöhnlichen Um-
fang angenommen. Die Reedereien wetteifern in
dem Bestreben, die Überfahrt schnell, bequem und
sicher zu bewerkstelligen. Vgl. d. Art. Auswande-
rung Bd I, Sp. 471 ff.
Binnenschiffahrt. Flüsse und Ka-
näle. Nicht allein auf dem Meer, auch im Innern
der Länder sind in den stehenden und fließenden
Gewässern wichtige und bequeme Verkehrswege
vorhanden, wie ja wohl die Binnengewässer (z. B.
der Nil) die ersten Kulturträger der alten Zeiten
sind. Für die Volkswirtschaft sind die fließenden
Binnengewässer wichtiger als die stehenden. Häufig
sind beide vereinigt. Es sind natürliche und künst-
liche Binnenwasserstraßen vorhanden, Flüsse und
Kanäle. Hindernisse, die in sonst schiffbaren Flüssen
vorkommen, werden künstlich beseitigt. So werden
Flußläufe vertieft, kanalisiert, begradigt (kor-
rigiert).
In Europa, Asien und Amerika ist der Binnen-
schiffahrtsverkehr von großer Bedeutung. Er be-
wältigt ungeheure Mengen von Massengütern.
Denn gerade zur Beförderung dieser ist er das
geeignetste Mittel. Zur Vereinfachung des Trans-
ports, Verkürzung des Wegs, Erschließung neuer
bequemer Absatzgebiete werden getrennte Fluß-
straßen durch Kanäle verbunden. Am ausgedehn-
testen ist das Wassernetz Rußlands, Amazoniens
und der Union. Am dichtesten in den Niederlanden,
in Belgien und England. Der verkehrsreichste
Fluß ist der Rhein, es folgen Hudson, Sikiang
(Süd-China), Wolga. Südamerika hat hervor-
ragende Flußbecken für die Binnenschiffahrt;
Nordamerika das Mississippi-Missourigebiet;
Afrika den Kongo oberhalb der Hauptfälle.
Die Niederländer sind im Wasserbau die Lehr-
meister der Welt geworden. Über ihre Grundsätze
über den Kanal= und Strombau ist man heute
noch nicht hinausgekommen. Der Rhein als der
wassermächtigste Strom des atlantischen Europas
zwang die Uferbewohner seiner Mündung, den