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überreichen Segen seiner Fluten im Lauf der Zeiten
in geordnete Bahnen zu lenken. So entstand all-
mählich jenes engmaschige Netz von Flußmün-
dungen und Kanälen, das heute die Bewunderung
der Welt erregt. — Die Binnenwasserstraßen
dienen der Beförderung der Erzeugnisse des Lan-
des. Eine besondere wirtschaftliche Bedeutung
haben sie jedoch für den Transport der Kohle, die
einen hohen Prozentsatz (oft bis über die Hälfte)
des Gesamtverkehrs ausmacht. Die Beförderung
auf Flüssen geschah anfänglich durch Menschen-
kraft, dann durch Pferdeschleppzug und später
zum Teil durch Ketten= und Drahtseilschiffahrt.
Auf größeren Stromstraßen wird jetzt die Dampf-
kraft verwendet. Auch der Motor und die Elektri-
zität sind dienstbar gemacht.
Der Verkehr auf den deutschen Wasserstraßen
(Strömen, Flüssen, Kanälen) betrug 1908:
42273 000 t als Zu- und Abgang und 47 584000 t.
als Durchgang. Am stärksten ist der Verkehr auf
dem Rhein und auf der Elbe entwickelt. Am
1. Jan. 1908 betrug der Bestand der deutschen
Binnenschiffe 26 200.
Die künstlichen Schiffahrtstraßen betragen u. a.
in Rußland (ohne Finland) 56 700, Deutschland
15 300, Frankreich 13 800, England 9500, Öster-
reich-Ungarn 5900, Niederlande 4500, Italien
2600 und Belgien 2100 km.
Neben den schiffbaren großen Strömen zählen
zu den wichtigsten deutschen Binnenlandskanälen,
die in und um Berlin, der Finow= und Ihlekanal
mit den Havelkanälen, der Oder-Spree-Kanal,
der Brahe-Bromberger Kanal, der Dortmund-
Ems-Kanal, der Elbe-Trave-Kanal, der Rhein-
Marne-Kanal usw.
Auf den großen nordamerikanischen Seen, die
in ihrer Ausdehnung etwa Bayern oder Württem-
berg oder den Provinzen Sachsen oder West= und
Ostpreußen gleichen, ist der Schiffahrtsverkehr so
gewaltig, daß er an Umfang dem an vielen Plätzen
des Ozeans nichts nachgibt. Der Hauptverkehr
vollzieht sich auf dem Wellandkanal, der den
Oberen und den Huron-See verbindet.
Auf diesem Kanal 1909 beförderte Güter
57 895 000 t = 626 104 000 Dollar; bezahlte
Frachten 362920000 Dollar; paffierte Schiffe 1112;
beförderte Passagiere 59 900.
Seebehörden. Zur Förderung und Beauf-
sichtigung des Schiffahrtsverkehrs und des See-
wesens sind durch staatliche und private Fürsorge
eine Reihe wichtiger Veranstaltungen ins Leben
gerufen. Es sind dies die Seebehörden, Institute
und Vereine. In Deutschland und seinen Schutz-
gebieten stehen an der Spitze der Behörden das
Reichs-Marineamt und das Reichsamt des In-
nern; in den einzelnen Bundesstaaten die betref-
fenden obersten Behörden (Ministerien). Die
technische Kommission für die Schiffahrt soll der
deutschen Regierung technische Gutachten erstatten
und Vorschläge zur Verbesserung der Seeschiff-
fahrtseinrichtungen machen. Sieistnachdem Muster
Schiffahrt.
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der britischen Institution of Architects gebildet.
Für das Auswanderungswesen sind zwei Reichs-
kommissare eingesetzt. Das Prüfungswesen wird
durch vier Reichsprüfungsinspektoren für die See-
chiffer= und Steuermanns- sowie Seedampfschiffs-
und Maschinistenprüfungen geleitet. Es bestehen
78 Kommissionen für die Prüfung der Seeschiffer
usw. auf den einzelnen Fahrten; 56 Untersuchungs-
kommissionen und Stellen für die Untersuchung
der Seeleute auf Seh= und Farbenunterscheidungs-
vermögen; 16 Behörden zur Ausfertigung der
Befähigungszeugnisse für Seeschiffer. Unter der
Aufsicht des Reichsversicherungsamts sorgen für
die Durchführung der See-Unfallgesetzgebung die
Seeberufsgenossenschaft in Hamburg mit 6 Sek-
tionen und 20 Schiedsgerichten. Als Musterungs-
behörden dienen 110 Seemannsämter mitihren vor-
gesetzten Provinzialstellen. Für die Vermessung der
Kauffahrteischiffe und für die Ausstellung von Ver-
messungsbriefen sind das Schiffsvermessungsamt
mit 15 Schiffsvermessungs= und Ausfertigungs-
und 35 Registerbehörden eingesetzt. Die Unter-
suchung von Seeunfällen findet vor dem zustän-
digen der zwölf Seeämter in erster und vor dem
Oberseeamt in zweiter Instanz statt. Die Ver-
waltung der Strandungsangelegenheiten wird von
107 Strandämtern mit den untergeordneten
Strandvögten und mit den übergeordneten Auf-
sichtsbehörden geführt. Die deutsche Küste ist in
fünf Bezirke eingeteilt, die von Küstenbezirks-
ämtern verwaltet werden. Den Bezirksinspektoren,
die gleichzeitig als Kommissare für die Reichsauf-
sicht über das Seezeichenwesen eingesetzt sind,
untersteht das Marine-Nachrichten-, Seezeichen-
und Lotsenwesen der Kriegsmarine.
Ferner besitzen wir in Deutschland eine See-
warte in Hamburg. Diese hat die Kenntnis der
Naturverhältnisse des Meers, soweit sie für die
Schiffahrt von Interesse ist, sowie die Kenntnis
der Witterungserscheinungen an der deutschen
Küste zu fördern und zur Erleichterung und Si-
cherung des Schiffereibetriebs zu verwerten. Zum
Bereich der Deutschen Seewarte gehören 6 Haupt-
und 17Agenturen, 7 Normalbeobachtungsstationen,
57 Sturmwarnungsstellen, Semaphorstationen,
Eisbeobachtungsstellen, insgesamt 168 Neben-
stellen, die von Memel ab an der ganzen deutschen
Küste an den wichtigeren Orten liegen. Neben
ihrer Bedeutung für die Seeschiffahrt ist die See-
warte auch für das ganze Binnenland von hoher
Wichtigkeit durch ihre meteorologische Tätigkeit,
da sie für alle Berufskreise, besonders für die
Landwirtschaft, rechtzeitig Wetterberichte versendet.
Für die Seefischerei hat das Deutsche
Reich keine besondere Behörde. Zuständig ist in
allen Fischereiangelegenheiten das Reichsamt des
Innern. In Preußen gehört die Seefischerei zum
Geschäftsbereich der Regierungs- und Oberpräsi-
denten, in letzter Instanz des Landwirtschafts-
ministeriums. In Mecklenburg und Oldenburg
gehört sie zu den Ministerien, in Hamburg, Bre-
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