Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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eine selbständige Ackernahrung bilden, nach dem 
Tod des Besitzers auf einen Erben, den sog. 
„Anerben“, zu veranlassen; bei der Übergabe sollte 
der Ertragswert, nicht der Verkaufswert der Be- 
rechnung zugrunde gelegt werden. Bezüglich der 
Verschuldung hatte Schorlemer die sehr richtige 
Auffassung gewonnen, daß in sehr vielen Fällen 
die Überschuldung der ländlichen Besitzer daher 
rühre, daß im Erbgang die Übernahme der Höfe 
gegen eine zu hohe Taxe erfolgt, was besonders 
in sog. guten Jahren häufig der Fall war, bei dem 
Niedergang der Preise für landwirtschaftliche Er- 
zeugnisse aber seine Rückwirkung ausüben mußte. 
Zur Sicherung gegen die Folgen unvorher- 
gesehener Unglücksfälle schenkte Schorlemer dem 
Versicherungswesen große Aufmerksamkeit. 
Eswurden im Interesse der Mitglieder des Bauern- 
vereins besondere Verträge mit Versicherungs- 
gesellschaften abgeschlossen, und zwar gegen Feuers- 
gefahr, Hagelschäden und für Todesfall; für Haft- 
pflichtversicherung wurde ein besonderer Versiche- 
rungsverein gegen Haftpflicht für die Landwirte 
der Provinz Westfalen gegründet. Wohl zuerst 
war es in Westfalen der Fall, daß man in bäuer- 
lichen Kreisen auch der Lebensversicherung ein 
wirklich größeres Interesse entgegenbrachte, wenn- 
gleich Raiffeisen schon früher die Bedeutung der 
Lebensversicherung auch für die Landwirte sehr 
energisch betont hatte und bereits dem Gedanken 
näher getreten war, eine eigne Lebensversicherungs- 
gesellschaft für die landwirtschaftlichen Kreise zu 
gründen. Mehr Anklang fand die Sache erst in 
Westfalen in Verbindung mit dem dort geltenden 
Anerbenrecht, indem nur die Lebensversicherung 
die Mittel zur Abfindung der Nebenerben zu 
bieten imstande ist. Sowohl für Befriedigung 
des Real= wie auch des Personalkredits wurde 
Fürsorge getroffen und damit wucherischer Aus- 
beutung der Landwirte entgegengewirkt. 
Die erste Anregung zur Errichtung der „West- 
fälischen Landschaft“ ging von Schorlemer 
aus in Verbindung mit Landrat v. Borries. 
Beide sahen ein, daß nur durch ein Pfand- 
briefinstitut das landwirtschaftliche Realkredit- 
bedürfnis befriedigt werden könne. Auch die 
Schaffung dieses Instituts stieß auf Widerstand 
beim Oberpräsidenten v. Kühlwetter, der von der 
Ausgabe von Pfandbriefen seitens einer land- 
schaftlichen Anstalt zur Beleihung der Höfe eine 
Schädigung der Kreissparkassen befürchtete. Auf 
die persönlichen Vorstellungen Schorlemers im 
preußischen Ministerium kam jedoch der damalige 
Landwirtschaftsminister Friedenthal im April 1877 
selbst nach Münster und überzeugte sich, daß die 
erhobenen Bedenken gegenüber den außerordent- 
lichen Vorteilen des zu gründenden Instituts 
nicht ins Gewicht fallen könnten. So wurde zur 
Eründung der Westfälischen Landschaft geschritten. 
Zur Reglung des ländlichen Personalkredits sind 
unter der Agide des Westfälischen Bauernvereins 
in einer großen Anzahl Gemeinden örtliche Spar- 
Schorlemer-Alst. 
  
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und Darlehnskassenvereine auf Grundlage des Ge- 
setzes betreffend Erwerbs= und Wirtschaftsgenossen- 
schaften als gerichtlich eingetragene Genossenschaften 
errichtet worden. Sie haben in der „Länd- 
lichen Zentralkasse“ in Münster ihren Rück- 
halt für den Geldausgleich und besitzen in dem 
„Verband ländlicher Genossenschaf- 
ten der Provinz Westfalen“ eine geordnete Revi- 
sionsstelle. Für den Ankauf landwirtschaftlicher 
Bedarfsartikel, wie Dünger, Futtermittel, Saat- 
gut usw., sowie für den Absatz landwirtschaftlicher 
Erzeugnisse, wie Getreide, Vieh u. dgl., ist durch den 
Bauernverein eine Anzahl bäuerlicher Bezugs- 
und Absatzgenossenschaften gegründet 
worden, welche als ihren Mittelpunkt ein groß- 
kaufmännisches Unternehmen in der Westfälischen 
Zentralbezugs= und Absatzgenossenschaft besitzen. 
In Gemeinschaft mit dem landwirtschaftlichen 
Provinzialverein für Westfalen und Lippe hat der 
Bauernverein auch eine Prüfungsstation und An- 
kaufsstelle für landwirtschaftliche Maschinen und 
Geräte ins Leben gerufen, welche auch mit einer 
mechanischen Reparaturwerkstätte und einer Lehr- 
werkstätte für Landschmiede und -schlosser ver- 
bunden wurde. Weiter besitzt der Verein ein Bau- 
amt zur Beratung der Landwirte für zweckmäßige 
Anlage ihrer Baulichkeiten sowie ein Forstamt 
zur Erteilung von Rat für die Bewirtschaftung der 
Wälder, ein Rechtsbureau und Grundbuchamt zur 
Aufklärung in Rechtsfragen und zur Regulierung 
des Grundbuchs. Eine treffliche, ideal gedachte 
Einrichtung sind endlich die vom Verein ins Leben 
gerufenen Vergleichs- und Schiedsämter, welche 
im Fall von Streitigkeiten unter den Landwirten 
oder zwischen diesen und Außenstehenden die Ein- 
tracht wiederherzustellen und gerichtliche Prozesse 
mit ihren Unkosten, ihrem Zeitverlust und ihrer 
dauernden Feindschaft zu verhindern bestimmt 
sind. Wie Schorlemer sich für die Gründung der 
landwirtschaftlichen Mittelschulen in Lüdinghausen 
und Herford bemühte und durch frühzeitige Ein- 
richtung von Düngerkontrollen den Grund für die 
agrikultur-chemische Versuchsstation in Münster 
legte, so war sein Sinnen auch immer darauf ge- 
richtet, für die Söhne und Töchter der kleinen 
Landwirte geeignete Fortbildungsschulen zu 
schaffen, welche ohne Verbildung der jugendlichen 
Gemüter die für den späteren Lebensberuf nötigen 
Kenntnisse vermitteln sollten. Dieser Anschauung 
entsprechend war die Sorge des Bauernvereins 
auch dem niederen landwirtschaftlichen Bildungs- 
wesen zugewandt. 
Von großem Einfluß war Schorlemers Tätig- 
keit auch außer dem Bauernverein in andern Kör- 
perschaften, denen er angehörte. So wurde er 
schon 1863 in das preußische Landesökonomie- 
kollegium berufen, 1865 stellvertretender Vor- 
sitzender des landwirtschaftlichen Hauptvereins für 
den Regierungsbezirk Münster und 1867 erster 
Vorsitzender dieser Körperschaft, 1870 Direktor 
des landwirtschaftlichen Provinzialvereins für 
 
	        
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