Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Westfalen und Lippe; 1884 wurde er zum Mit- 
glied des preußischen Staatsrats, 1891 zum 
lebenslänglichen Mitglied des preußischen Herren- 
hauses berufen; 1887 bei Einführung der neuen 
Provinzialordnung wurde er zum Mitglied des 
westfälischen Provinziallandtags und in der Folge 
auch als Mitglied des Provinzialausschusses und 
des Provinzialrats gewählt. In allen diesen 
Körperschaften wurde seinen Ansichten große Be- 
deutung beigemessen und war sein Votum vielfach 
maßgebend für die Gestaltung der Beschlüsse. Im 
Jahr 1888 hatte er eine Audienz bei dem jungen 
Kaiser Wilhelm II., in welcher wichtige landwirt- 
schaftliche Fragen Erörterung fanden, und ebenso 
im Jahr 1895, kurze Zeit vor seinem Tod, hatte 
er noch eine mehrstündige Konferenz bei Sr Maje- 
stät, bei welcher Gelegenheit die Grundzüge für 
das dem Staatsrat zu unterbreitende landwirt- 
schaftliche Programm aufgestellt wurden. Das 
beabsichtigte Referat im Staatsrat zu halten, wurde 
Schorlemer durch den Tod verhindert, wie denn 
ja auch der Staatsrat niemals besondere Bedeu- 
tung gewonnen hat. 
Die Ausübung einer so vielseitigen Tätigkeit, 
wie wir sie bisher geschildert, würde die Arbeits- 
kraft der meisten Sterblichen nicht nur erschöpfen, 
sondern sogar übersteigen. Dabei haben wir aber 
der 20jährigen Wirksamkeit Schorlemers im Par- 
lament noch nicht gedacht. Im Jahr 1870 
wurde er zum Mitglied des preußischen Abgeord- 
netenhauses und bald nachher auch des deutschen 
Reichstags gewählt. Er blieb dann Mitglied beider 
Körperschaften, bis er im Jahr 1887 sein Man- 
dat zum Reichstag und 1889 auch dasjenige des 
Abgeordnetenhauses niederlegte. 1890 wurde er 
dann für Hamm und Seest und für Bochum gleich- 
zeitig wieder gewählt, nahm für Bochum auch das 
Mandat an, mußte es aber Ende desselben Jahrs 
bereits wegen der schon länger bemerkbaren Er- 
schütterung seiner Gesundheit wiederum nieder- 
legen. Als Parlamentarier gehörte er der Zen- 
trumspartei an und wurde in den schweren Zeiten 
des Kulturkampfs immer in Verbindung mit 
Windthorst, Mallinckrodt, Franckenstein und den 
beiden Reichensperger genannt. Im Abgeord- 
netenhaus wurde er schon bald zum ersten Vor- 
sitzenden der Zentrumsfraktion gewählt und blieb 
es bis zu seinem Austritt aus dem Landtag. 
Als bedeutungsvolle Reden aus dem ersten 
Jahrzehnt seiner parlamentarischen Tätigkeit sind 
folgende zu nennen: 1872 über den römisch-katho- 
lischen Religionsunterricht am Gymnasium zu 
Braunsberg; 1873 über Abänderung d. Art. 15 
und 18 der Verfassungsurkunde vom 31. Jan. 
1850, über die kirchliche Disziplinargewalt und 
die Errichtung des königlichen Gerichtshofs für 
kirchliche Angelegenheiten, die Grenzen des Rechts 
zum Gebrauch kirchlicher Straf= und Zuchtmittel, 
die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen; 
1874 über Beurkundung des Personenstandes und 
die Form der Eheschließung, über Vorbildung und 
Schorlemer-Alst. 
  
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Anstellung der Geistlichen; 1875 über Vermögens- 
verwaltung der katholischen Gemeinden, Rechte 
der altkatholischen Kirchengemeinden an dem 
Kirchenvermögen, Einstellung der Leistungen aus 
Staatsmitteln für die römisch-katholischen Bis- 
tümer und Geistlichen, Vollziehung der Gefängnis- 
strafe an solchen Gefangenen, welche wegen poli- 
tischen Vergehens verurteilt sind, über Orden und 
ordensähnliche Kongregationen der katholischen 
Kirche; 1876 über den Gerichtshof zur Entschei- 
dung der Kompetenzkonflikte, Dispositionsfonds 
für allgemeine politische Zwecke, Anspruch des 
Staats auf das Aufsichtsrecht bei der Vermögens- 
verwaltung in den katholischen Diözesen, Zuschuß 
für die Akademie Münster, Schulprämien und 
Volksschriften, Verfahren der Regierung gegenüber 
der Benutzung der von den Ordensgenossenschaften 
der Kapuziner und Franziskaner innegehabten Ge- 
bäude in Münster; 1877 über Leitung des Reli- 
gionsunterrichts in den Volksschulen, staatliche 
Ausübung von Zwang auf einen Geistlichen zur 
Erteilung der Absolution, Antrag auf Vorlegung 
des Entwurfs einer Landgemeinde-, Kreis= und 
Provinzialordnung, Verhältnisse der katholischen 
Parochie-Kosten; 1878 über Befugnisse der staat- 
lichen Kommissarien für die bischöfliche Ver- 
mögensverwaltung zur Anwendung von Zwangs- 
mitteln, über gesetzgeberische Maßnahmen gegen 
den Wucher; 1879 über Zolltarif und in den 
verschiedenen Jahren die Reden zum Etat des 
Kultusministeriums. 
Sein ausgezeichnetes Rednertalent hat Schor- 
lemer manchen Triumph im Parlament verschafft. 
Dabei kam ihm seine klare, durchdringende Stimme 
sehr zu statten; weiter wirkte sein schneidiges Auf- 
treten, seine stattliche Erscheinung, seine gewählte 
und knappe Ausdrucksweise, seine Schlagfertigkeit 
und sein offenes, entschiedenes Wesen auf die Zu- 
hörer in fesselnder Weise. Besonders fällt beim 
Lesen seiner Reden aus den Zeiten des Kultur- 
kampfs die Entschiedenheit und Schärfe auf, mit 
welcher er dem allgewaltigen Kanzler, dem Fürsten 
Bismarck, entgegentrat. Aber nicht Widerspruchs- 
geist. Aufsässigkeit oder Feindseligkeit waren es, 
welche ihn bei seinen Reden im Kulturkampf lei- 
teten, sondern die innigste Liebe zu seiner Kirche 
und zu seinem Vaterland, weil er einsah, daß bei 
jenem Kampf Kirche und Staat gleichmäßig 
Schaden litten. Im Jahr 1887 war es neben 
des Fuldaer Bischofs Kopp, jetzigen Kardinals 
und Fürstbischofs von Breslau, Bemühungen be- 
sonders auch Schorlemers Mitwirkung zu danken, 
daß damals das erste Friedensgesetz zur Beilegung 
des Kulturkampfs zustande kam. 
Bald trat aber ein unerwartetes Ereignis ein. 
Es brachte ihn sein Bestreben, der Landwirtschaft 
im Parlament größeren Einfluß zu verschaffen, im 
Jahr 1893 mit der großen Majorität der lange 
Jahre hindurch von ihm mit ausschlaggebendem 
Einfluß geleiteten Zentrumspartei Westfalens in 
scharfen Konflikt. Aus der Reihe der eignen
	        
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