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Tätigkeit (z. B. die andauernde sitzende Stellung),
bald die starke Anspannung der Muzkeltätigkeit,
bald die ungenügende oder schlechte Luft des Ar-
beitsraums, die Ausdünstung, der Staub und die
Giftigkeit des Materials und der sich bildenden
Gase, bald die Nässe, Kälte, übermäßige Hitze
oder schroffer Wechsel der Temperatur usw. Da-
zu kommen die Gefahren der Verletzung oder der
Verunglückung durch Fall, Stoß, Verbrennung
usw., durch Berührung mit gefährlichen Maschinen-
teilen usw. Auch in sittlicher Beziehung bietet das
Zusammenarbeiten der verschiedenen Geschlechter
und Lebensalter mannigfache Gefahren. Der ein-
zelne Arbeiter kann sich nicht gegen alle diese Ge-
fahren ausreichend schützen, vielmehr liegt dieser
Schutz wesentlich, soweit möglich, dem Arbeit-
geber ob. Alle Industriestaaten haben denn auch
in ihrer Gesetzgebung — wenn auch noch so un-
bestimmt und allgemein — gewisse Normen für
die Anlage und innere Einrichtung der Fabriken
und Werkstätten und den Betrieb vorgesehen. Bei
der Verschiedenheit und dem Wechsel der tech-
nischen Einrichtungen und der Betriebsweise
können diese Vorschriften naturgemäß nur sehr all-
gemeiner Art sein, und bleibt die konkrete Aus-
bildung derselben mehr den Ausführungsorganen
— Gewerbeinspektoren — vorbehalten.
Was die deutsche Gesetzgebung anbelangt, so
hat die Gewerbeordnung eine Reihe von Vor-
schriften für den Schutz von Gesundheit und Leben
erlassen. Zunächst ist bei genehmigungspflichtigen
Anlagen (§ 16) auch auf die Sicherheit und Ge-
sundheit der Arbeiter besonders Rücksicht zu neh-
men (§ 18). Weiterhin aber sind alle Gewerbe-
unternehmer verpflichtet (§ 120 a), die Arbeits-
räume, Betriebsvorrichtungen, Maschinen und Ge-
rätschaften so einzurichten und zu unterhalten
und den Betrieb so zu regeln, daß die Arbeiter
gegen Gefahren für Leben und Gesundheit so weit
geschützt sind, wie es die Natur des Betriebs ge-
stattet. Insbesondere ist für genügendes Licht,
ausreichenden Luftraum und Luftwechsel, Besei-
tigung des bei dem Betrieb entstehenden Staubs,
der dabei entwickelten Dünste und Gase sowie der
dabei entstehenden Abfälle Sorge zu tragen. Eben-
so sind diejenigen Vorrichtungen herzustellen,
welche zum Schutz der Arbeiter gegen gefährliche
Berührungen mit Maschinen oder Maschinenteilen
oder gegen andere in der Natur der Betriebsstätte
oder des Betriebs liegende Gefahren, namentlich
auch gegen die Gefahren, welche aus Fabrik-
bränden erwachsen können, erforderlich sind.
Endlich sind diejenigen Vorschriften über die
Ordnung des Betriebs und das Verhalten der
Arbeiter zu erlassen, welche zur Sicherung eines
gefahrlosen Betriebs erforderlich sind. Zum
Schutz der Sittlichkeit ist außerdem die Verpflich-
tung vorgesehen (§ 120b), diejenigen Einrich-
tungen zu treffen und zu unterhalten und die-
jenigen Vorschriften über das Verhalten der Ar-
beiter im Betrieb zu erlassen, welche erforderlich
Schutzgesetze,
gewerbliche. 956
sind, um die Aufrechterhaltung der guten Sitten
und des Anstands zu sichern. Insbesondere muß,
soweit es die Natur des Betriebs zuläßt, bei der
Arbeit die Trennung der Geschlechter durchgeführt
werden, sofern nicht die Aufrechterhaltung der
guten Sitten und des Anstands durch die Ein-
richtung des Betriebs ohnehin gesichert ist. In
Anlagen, deren Betrieb es mit sich bringt, daß
die Arbeiter sich umkleiden und nach der Arbeit
sich reinigen, müssen ausreichende, nach Geschlech-
tern getrennte Ankleide= und Waschräume vor-
handen sein. Die Bedürfnisanstalten müssen so
eingerichtet sein, daß sie für die Zahl der Arbeiter
ausreichen, daß den Anforderungen der Gesund-
heitspflege entsprochen wird und daß ihre Be-
nutzung ohne Verletzung von Sitte und Anstand
erfolgen kann. — Bei Beschäftigung von Ar-
beitern unter 18 Jahren ist „die durch das Alter
derselben gebotene besondere Rücksicht auf Gesund-
heit und Sittlichkeit“ zu wahren (§ 120c).
Diese Bestimmungen (88 120 a bis 120c)
gelten für alle Gewerbebetriebe, ob groß, ob klein.
Für offene Verkaufsgeschäfte sind ähnliche Be-
stimmungen in der Gew.O.-Novelle von 1900
vorgesehen (88 1398, 139h). So ist durch
Bundesratsverordnung (28. Nov. 1900) die Ge-
währung von Sitzgelegenheit für das Personal
vorgeschrieben. — Der Bundesrat (8 120), die
Landeszentralbehörden (§ 120e) und die Polizei-
behörde (§ 120 d) können genauere Vorschriften
zur Durchführung dieser Bestimmungen erlassen.
Solche Vorschriften sind vom Bundesrat ge-
troffen für Bleifarben= und Bleizuckerfabriken, für
Anfertigung von Zigarren, für Anlagen zur Her-
stellung von Alkalichromaten, für Buchdruckereien
und Schriftgießereien und Akkumulatorenfabriken,
für Roßhaarspinnereien und für Zinkhütten, für
Thomasschlackenmühlen, Glashütten, Stein-
brüchen und Steinhauereien, Bleihütten, für
Maler-, Anstreicher= und Lackiererarbeiten, end-
lich (zum Schutz der Sittlichkeit) für Gummi-
warenfabriken; von Landesregierungen z. B. für
Spiegelbeleganstalten. Polizeiverordnungen be-
stehen zahlreich. Die Herstellung von Phosphor-
zündhölzern, welche früher durch Bundesratsver-
ordnung geregelt wurde, ist durch ein besonderes
Gesetz (1903) gänzlich verboten. — Die Durch-
führung der Schutzbestimmungen liegt (neben den
ordentlichen Polizeiorganen) in erster Linie den
Gewerbeaussichtsbeamten ob (s. d. Art. Gewerbe-
aussicht). Für die Unfallverhütung sind außer-
dem die Berufsgenossenschaften der Unfallver-
sicherung tätig. Endlich sorgen noch Dampf-
kesselrevisionsvereine mit ihren Beamten für die
Verhütung von Dampftkesselexplosionen. — Für
die Bergwerke gelten die Landesgesetze der Einzel-
staaten.
Als weitere erstrebenswerte Reformziele
bezüglich des Betriebsstättenschutzes kommt vor
allem in Betracht, daß die allgemeinen gesetzlichen
Vorschriften durch detaillierte Anordnungen, sei es