Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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allgemeinen Schutzbestimmungen ohne Rücksicht auf 
die Zahl der Beschäftigten; jedoch kann der Bun- 
desrat für gewisse Arten von Betrieben Ausnahmen 
vorsehen (§ 154). Dieses ist geschehen durch die 
Bekanntmachung des Bundesrats vom 27. Febr. 
1907. Endlich hat der Bundesrat das Recht, auf 
alle Werkstätten diese Schutzbestimmungen aus- 
zudehnen (§ 154). Bis heute hat er von dieser 
Vollmacht nur bezüglich der Kleider= und Wäsche- 
konfektion (31. Mai 1907) und der Tabakindu- 
strie (21. Febr. 1907) Gebrauch gemacht. Außer- 
dem sind in den Verordnungen zur Reglung der 
Arbeitszeit auf Grund des § 120e der Gew.O., 
wie sie für Bäckereien, Gast= und Schankwirt- 
schaften, Getreidemühlen usw. erlassen sind (s. u. 
Normalarbeitstag, Abschn. V) auch besondere Be- 
stimmungen für die jugendlichen und weiblichen 
Personen vorgesehen. 
Die wichtigsten Bestimmungen sind: 1) Kinder 
unter 13 Jahren dürfen in den bezeichneten Be- 
trieben überhaupt nicht beschäftigt werden. 2) Kin- 
der von 13 bis 14 Jahren dürfen erst nach Entlas- 
sung aus der Volksschule und nicht länger als 
sechs Stunden täglich beschäftigt werden. 3) Für 
„junge Leute“ (14/16 Jahren) darf die Arbeits- 
zeit höchstens zehn Stunden täglich betragen. 
4) Für Kinder muß während der Arbeit eine halb- 
stündige Pause gewährt werden; für „junge 
Leute“ muß dieselbe mittags mindestens eine 
Stunde, morgens und nachmittags eine halbe 
Stunde betragen (§ 136). 5) Kindern wie jungen 
Leuten ist die Nachtarbeit (von abends 8 bis 
morgens 6 Uhr) sowie die Arbeit an Sonn= und 
Festtagen untersagt, ebenso während der von dem 
ordentlichen Seelsorger für Beicht= und Kommu- 
nionunterricht festgesetzten Stunden (8 130). 
Ferner ist noch vorgeschrieben, daß der Arbeit- 
geber vor der Annahme zur Beschäftigung sich ein 
(von der Ortspolizeibehörde ausgefertigtes) Ar- 
beitsbuch (Namen, Tag der Geburt, Religion usw.) 
einhändigen läßt und in Verwahrung nimmt; daß 
er der Ortspolizeibehörde Anzeige macht über die 
Zeit, die Art der Beschäftigung und die Pausen, 
und daß in der Betriebsstätte ein Verzeichnis der 
beschäftigten jugendlichen Arbeiter, der Art und 
Dauer der Beschäftigung sowie eine die gesetzlichen 
Bestimmungen bezüglich der jugendlichen Arbeiter 
enthaltende Tafel ausgehängt ist (8 138).— Aus- 
nahmen bezüglich der Arbeitszeit, der Pausen, der 
Nachtarbeit usw. sind sowohl vorübergehend (mit 
Erlaubnis der unteren oder höheren Verwaltungs- 
behörde) als auch dauernd (mit Genehmigung des 
Reichskanzlers oder Bundesrats), insbesondere für 
Betriebe mit ununterbrochener Feuerung, für 
Kampagne= und Saisonindustrien (88 138a bis 
139a) zugelassen. 6) Der Bundesrat hat das 
Recht, die Verwendung von jugendlichen Arbeitern 
(und Arbeiterinnen) für gewisse Fabrikations-= 
zweige, welche mit besondern Gefahren für Ge- 
sundheit und Sittlichkeit verbunden sind, gänzlich 
zu untersagen oder von besondern Bedingungen 
Schutzgesetze, 
  
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abhängig zu machen (§ 139a). Solche Beschrän- 
kungen sind meistens für dieselben Betriebe ge- 
troffen, für welche Ausnahmen bezüglich der Ar- 
beitszeit (Nacht- und Sonntagsarbeit) zugelassen 
sind: Glashütten, Drahtziehereien mit Wasser- 
betrieb, Walz= und Hammerwerke; Steinkohlen- 
bergwerke; außerdem für Bleifarben= und Blei- 
zuckeranlagen, Zichorienfabriken, Rohzuckerfabri- 
ken und Zuckerraffinerien, Hechelräume, Anferti- 
gung von Zigarren, für Ziegeleien, Zinkhütten 
und Gummiwarenfabriken bestimmter Art. (Die 
Verordnungen sind meistens in den Ausgaben der 
Gewerbeordnung abgedruckt.) 
Für die Handwerkslehrlinge können 
nach dem Handwerkerschutzgesetz von 1898 sowohl 
die Handwerkskammern als auch die Innungen 
Schutzbestimmungen treffen. 
Im Handelsgewerbe kommen die allge- 
meinen Bestimmungen für offene Verkaufs- 
geschäfte auch namentlich den jugendlichen Ar- 
beitern zugute. Bezüglich Mitgabe von Arbeit 
und Verwendungsschutz s. unten Abschn. „Schutz 
der Arbeiterinnen“. Vgl. die Art. Kinderschutz- 
gesetzgebung und Hausindustrie. 
Was den erziehlichen und sittlichen 
Schutz der Arbeiterjugend anbelangt, so ist zu- 
nächst der Arbeitgeber verpflichtet, bei Einrichtung 
eines Betriebs auf die Arbeiter unter 18 Jahren 
besondere Rücksicht zu nehmen (vgl. oben Abschn. 
Betriebsstättenschutz). Die Arbeitsordnung kann 
Vorschriften für das Verhalten minderjähriger 
Arbeiter auch außerhalb des Betriebs erlassen (s. 
unten Arbeitsordnung, Abschn. VI b). Die Be- 
fugnis zum Halten und Anleiten von Lehrlingen 
kann solchen Personen ganz oder auf Zeit entzogen 
werden, welche sich wiederholt grober Pflichtver- 
letzungen gegen die ihnen anvertrauten Lehrlinge 
schuldig gemacht haben oder gegen welche Tat- 
sachen vorliegen, die sie in sittlicher Beziehung 
zum Halten oder Anleiten von Lehrlingen unge- 
eignet erscheinen lassen, oder welche wegen geistiger 
oder körperlicher Gebrechen nicht geeignet sind 
§ 126 a). Personen, welche nicht im Besitz der 
bürgerlichen Ehrenrechte sind, sind überhaupt nicht 
berechtigt, Lehrlinge zu halten (§ 126). Die 
Pflichten des Lehrherrn sind sehr eingehend gere- 
gelt (68 126 b bis 132) zumal fürs Handwerk. Die 
Beschäftigung von Kindern beim Gewerbe im 
Umherziehen ist sehr beschränkt. — Minderjährige 
sollen nur dann zur Arbeit zugelassen werden, wenn 
sie ein Arbeitsbuch besitzen. Die Gemeinde- 
behörde stellt es aus. Das erste Arbeitsbuch kann 
nur auf Antrag oder mit Zustimmung des Vaters 
oder Vormunds ausgestellt werden. Der Arbeit- 
geber nimmt es in Verwahr. Bei Lösung des Ar- 
beitsvertrags darf der Arbeitgeber, solang der 
Arbeiter das 16. Lebensjahr noch nicht überschrit- 
ten hat, das Arbeitsbuch nur dem Vater oder Vor- 
mund aushändigen. Letztere können jederzeit ver- 
langen, daß ihnen das Arbeitsbuch übergeben wird, 
auch dann, wenn der Arbeiter über 16 Jahre alt ist. 
gewerbliche. 
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