Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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dem Ableben des jetzigen Fürsten die Regierung 
über. 
2. Fläche, Bevölkerung. Das Fürsten- 
tum Schwarzburg-Rudolstadt umfaßt 940,4 qhm 
und zählte 1905: 96 885 Einwohner. Das 
Staatsgebiet besteht aus zwei räumlich getrennten 
Hauptteilen, der sog. Oberherrschaft im Herzen 
des Thüringer Landes (733 ckm, 77712 Einw., 
Residenzstadt Rudolstadt, 1905: 12 495 Einw.) 
und der sog. Unterherrschaft südlich vom Unter- 
harz (207 qkm, 19123 Einw., Residenzstadt 
Frankenhausen, 1905: 6543 Einw.). Zur Ober- 
herrschaft gehören die Exklave Leutenberg und vier 
Parzellen. Auf 1 qkm kamen 1905: 103, 1871: 
80 Personen. Dem Bekenntnis nach waren 1905: 
95 641 Evangelische, 994 Katholiken, 82 Juden. 
Auf 1000 Einwohner kamen 987,7 (1871: 997) 
Protestanten, 10,3 (1871: 1,4) Katholiken, 0.8 
(1871: 1,6) Juden. Das Fürstentum zählt 
8 Städte und 155 Landgemeinden. Von der Ge- 
samtfläche entfallen auf Acker= und Gartenland 
47,7% auf Wiesen 7,8„,, auf Forsten 43,9%. 
Vom Wald sind 47% Staats-, 11% Gemeinde-, 
38% Privatforsten. Nach der Berufszählung von 
1907 widmeten sich (Berufszugehörige insgesamt) 
der Landwirtschaft 25,5% (1895: 36,3 % ), der 
Industrie 53,3% (1895: 47,3% ), Handel und 
Verkehr 9,5% (1895: 8,8 %). 
3. Verfassung und Verwaltung. Die 
Landesverfassung beruht auf dem Grundgesetz vom 
21. März 1854. Staatsoberhaupt ist der Fürst; 
er wird mit Abschluß des 18. Jahrs volljährig 
und führt das Prädikat Durchlaucht, ebenso die 
Prinzen und Prinzessinnen des Hauses. Die Re- 
gierung vererbt sich im Mannesstamm nach dem 
Recht der Erstgeburt und Linealerbfolge. Da der 
zurzeit regierende Fürst Günther Viktor kinder- 
los ist, würde im Fall des Ablebens des Fürsten 
zum Nachfolger berufen kraft der von sämtlichen 
Agnaten des fürstlich schwarzburgischen Gesamt- 
hauses am 21. April 1896 der Prinz Sizzo 
(vgl. Sp. 980) sowie dessen männliche Deszendenz. 
Nach gänzlichem Erlöschen des Mannesstamms 
im Gesamthaus Schwarzburg geht die Regierung 
auf die weibliche Linie über. ÜUber die Bezüge des 
Fürsten vgl. Sp. 983. 
Der Landtag (eine Kammer) besteht aus 16 auf 
drei Jahre gewählten Abgeordneten, von denen 4 
von den Höchstbesteuerten (jährlich mindestens 
120 M Staatssteuer), die übrigen 12 von den 
übrigen Wählern gewählt werden. Die Wahlen 
sind direkt und geheim. Das aktive Wahlrecht be- 
sitt jeder Mann, der das 25. Lebensjahr über- 
schritten, Staatssteuer zahlt und seinen Wohnsitz 
im Fürstentum hat. Wählbar ist jeder Wähler, 
der mindestens ein Jahr die Staatsangehörigkeit 
besitzt. Gewählte Beamte bedürfen keines Ur- 
laubs. Die Abgeordneten beziehen 9 M Tage- 
gelder und Ersatz der Reiseauslagen. Ein ordent- 
licher Landtag tagt alle drei Jahre, außerordent- 
liche werden bei Vorlagen dringlicher Natur ein- 
Schwarzburg-Rudolstadt. 
  
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berufen. Dem Landtag steht zu die Mitwirkung 
bei der Gesetzgebung, bei der Festsetzung des 
Staatshaushalts und bei der Veräußerung fürst- 
licher Domänen; er besitzt das Recht der Steuer- 
bewilligung, der Kontrolle der Finanzverwaltung, 
das Petitions- und Beschwerderecht. Mit einer 
Majorität von zwei Drittel der Abstimmenden 
(bei Anwesenheit von 11 Abgeordneten beschluß- 
fähig) kann der Landtag die Ministeranklage er- 
heben. Auch für Verfassungsänderungen ist Zwei- 
drittelmajorität erforderlich. Am Schluß jeder 
ordentlichen Tagung wird ein Landtagsausschuß 
(6 Mitglieder) bestellt; er hat weitgehende Be- 
fugnisse. So können z. B. Gesetze mit seiner ein- 
stimmigen Genehmigung aus bloßen Zweckmäßig- 
keitsgründen erlassen werden; auch steht ihm u. a. 
die Kontrolle über die Verfassungsmäßigkeit der 
Regierungshandlungen zu. Der Fürst kann seinen 
Rat und Gutachten über Regierungsfragen ein- 
fordern, ihm interimistisch auch dem Landtag zu- 
stehende Befugnisse übertragen. Der politischen 
Zusammensetzungnach besteht der Landtag 1909/11 
aus 5 Mitgliedern des Bundes der Landwirte, 
3 Nationalliberalen, 2 Freisinnigen und 6 Sozial- 
demokraten. — Um den sozialdemokratischen Ein- 
fluß zu brechen und das drohende Ubergehen wei- 
terer Wahlkreise in sozialistische Hände zu ver- 
hindern, erstrebt die Regierung schon seit längerer 
Zeit eine Anderung des Wahlrechts. Da die 
6 Sozialdemokraten den betreffenden Verhand- 
lungen stets fern blieben, war bisher eine Ab- 
stimmung unmöglich (verfassungsgemäß müssen 
mindestens drei Viertel der Abgeordneten an- 
wesend sein). 
Im Bundesrat hat das Fürstentum eine 
Stimme, in den Reichstag sendet es einen Ab- 
geordneten. 
An der Spitze der Verwaltung steht das Mini- 
sterium unter dem Minister (der derzeitige Mi- 
nister führt zugleich die Ministergeschäfte für 
Schwarzburg-Sondershausen). Diesem zur Seite 
stehen ein oder mehrere Abteilungsvorstände, die 
ebenso wie der Minister dem Land verantwort- 
lich sind. Zurzeit bestehen fünf Fachabteilungen, 
1) für die Angelegenheiten des fürstlichen Hauses, 
des Reichs, Militär und Eisenbahnen, 2) für die 
innere Verwaltung, 3) für Kirchen= und Schul- 
sachen, 4) für die Finanzen, 5) für die Justiz. 
Mittelbehörden der allgemeinen Verwaltung sind 
die drei Landratsämter (Rudolstadt, Königssee, 
Frankenhausen), unterste Organe sind die Ge- 
meindebehörden. 
Das Staatsgebiet zerfällt in Gemeinde= und 
Gutsbezirke. Ein rechtlicher Unterschied zwischen 
Stadt und Dorf besteht nicht (Gemeindeordnung 
vom 9. Juni 1876), doch können einzelne Städte 
durch landesherrliche Bestimmung der landrätlichen 
Aussicht entzogen und der Ministerialabteilung 
direkt unterstellt werden (zurzeit nur Rudolstadt). 
Für das Fürstentum bestehen sieben Amtsgerichte 
und das Landgericht zu Rudolstadt (zu dem auch
	        
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