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der sächsisch-meiningische Kreis Saalfeld und der
preußische Kreis Ziegenrück gehören). Im übrigen
ist das gemeinschaftliche thüringische Oberlandes=
gericht zu Jena zuständig. — Eine staatliche Bank
ist die Landeskreditkasse in Rudolstadt, die nament-
lich zur Förderung des Realkredits geschaffen ist.
Das Land hat eine besondere Handelskammer in
Rudolstadt (Gesetze vom 22. März 1901 und
25. März 1904) und mit Schwarzburg-Sonders-
hausen gemeinsam eine Handwerkskammer (in Arn-
stadt). Die Interessen der Landwirtschaft werden
vom landwirtschaftlichen Zentralverein vertreten.
— Die Dauer der Finanzperiode ist dreijährig.
Einen erheblichen Teil der ordentlichen Einnahmen
bilden die Einkünfte aus den Domänen (6992 ha)
und Forsten (21 513 ha). Das ganze Kammer=
oder Domanialvermögen ist zwar fideikommissa-
risches Eigentum des fürstlichen Hauses (es erbt
nach den Grundsätzen der Staatserbfolge), zur
Veräußerung selbst minder bedeutender Teile dieses
Vermögens (Ablösung von Rechten usw.) ist jedoch
die Zustimmung des Landtags erforderlich. Zum
Unterhalt des Fürsten und zur Deckung der Kosten
der Hofhaltung ist eine Jahresrente bestimmt (zur-
zeit 369 367 KM), die aus den Einkünften des
Domanialvermögens vorweg genommen wird. In
der Finanzperiode 1909/11 sind die jährlichen
Einkünfte aus dem Domänen= und Staatsgut mit
1,58 Mill. M veranschlagt (darunter 1,3 Mill. a1
aus Forsten), die aus den Steuern mit 842000 M.
Die jährlichen Einnahmen und Ausgaben im
ganzen sind veranschlagt mit je 2,95 Mill. M.
Die Staatsschuld betrug 1907: 4,56 Mill. M,
ihr standen 2,14 Mill. A1 Aktivkapitalien gegen-
über. — Das Militärkontingent bildet gemeinsam
mit dem der beiden Reuß das II. und III. Ba-
taillon des 7. Thüringischen Inf.-Reg. Nr 96,
das zur 8. Division des XI. Armeekorps gehört
(Militärkonvention vom 15. Sept. 1873).— Ge-
meinsam verleihen die beiden Schwarzburg ein
Ehrenkreuz (4 Klassen), außerdem jedes Land noch
verschiedene Verdienstmedaillen. Landesfarben sind
Weiß und Blau.
4. Kirche und Schule. Die Schwarzburger
Lande unterstanden vor der Glaubensspaltung dem
Erzbistum Mainz. Dauernder Stellvertreter des
Erzbischofs (vicarius generalis in pontificali-
bus et spiritualibus) war ein in Erfurt resi-
dierender Weihbischof. Des näheren gehörten die
Schwarzburger Länder zum Archidiakonat Jecha-
burg (südlich von Sondershausen), wo 1004 ein
reguliertes Chorherrnstift errichtet wurde (1552
erhielt es einen lutherischen Dekan, 1572 säkulari-
siert). Von der Blüte katholischen Lebens in der
vorreformatorischen Zeit geben, obgleich die
Bauernunruhen von 1525 hier sehr stark getobt
und unzählige Werte vernichtet haben, noch heute
altehrwürdige Baudenkmäler Zeugnis, so die Ruine
des Benediktinerdoppelklosters Paulinzella, die
Liebfrauenkirche in Arnstadt, die Stadtkirche in
Stadtilm und zahlreiche Dorfkirchen mit kostbaren
Schwarzburg-Rudolstadt.
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Skulpturen aus der berühmten Schnitzerschule des
Benediktinerklosters Saalfeld usw. Graf Hein-
rich XXXI. (1493/1526) leistete in seinem Teil
der Schwarzburger Herrschaft dem Eindrängen
der Reformation Widerstand, sein Sohn und
Nachfolger Günther XL. (1526/52) trat jedoch
1541 auf dem Reichstag zu Regensburg feierlich
zur Augsburger Konfession über. In dem übrigen
Schwarzburger Gebiet hatte Heinrich XXXII.,
„der Reformator“ (1531/38), der neuen Lehre
den Boden geebnet. Damit verschwand die katho-
lische Kirche aus diesen Gebieten.
Im Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt wurde
der erste katholische Gottesdienst erst 1771 wieder
gehalten. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrh.
waren katholische Edelleute aus Osterreich mit
Bergleuten nach Goldistal bei Katzhütte gekommen,
denen vom Fürsten Ludwig Günther durch Erlaß
vom 21. Aug. 1771 das exerecitium religionis
privatum zugestanden wurde. Wegen Nicht-
ergiebigkeit der Gruben verzogen die Ansiedler
jedoch wieder, der Gottesdienst hörte auf. In
Rudolstadt hatte ein zugewanderter italienischer
Kaufmann 1771 in seinem Haus eine Privat-
kapelle, für welche die gleichen Grundsätze wie
für die Goldistaler Einrichtung in Geltung kamen.
Infolge des Beitritts des Fürstentums zum Rhein-
bund und später zum Deutschen Bund erhielten die
Katholiken das Recht der öffentlichen Religions-
übung (Glocken usw.). Den periodischen Gottes-
dienst besorgten Geistliche aus Erfurt. Um die
Weiterentwicklung der katholischen Verhältnisse im
Fürstentum hat sich sehr große Verdienste erworben
Jakob Hermann v. Bertrab, der, obgleich Katholik,
1851 an die Spitze des Rudolstädter Ministeriums
berufen wurde, das er bis zu seinem Tod (1887)
leitete (Kirchen= und Schulangelegenheiten ge-
hörten nicht zu seinem Ressort). Durch Reskript
der Propaganda vom 27. Juni 1869 wurde die
kirchliche Jurisdiktion über die Katholiken der
beiden Fürstentümer Schwarzburg dem Bischof
von Paderborn übertragen. Damit wurde nur
die rechtliche Sanktion eines schon bestehenden
Zustandes geschaffen, dessen Widerrechtlichkeit aber
den Bischof an der Einführung einer geregelten
Seelsorge gehindert hatte. Durch fürstliche Verord-
nung vom 10. Nov. 1871 wurde die Jurisdiktion
des Paderborner Bischofs staatlich anerkannt und
die Anstellung eines ständigen Geistlichen (Mis-
sionspfarrers) in Rudolstadt (für die gesamte
Oberherrschaft) gestattet. Kirche und Pfarrhaus
wurde 1873/74 gebaut. Durch fürstliches Dekret
vom 10. Juli 1874 erhielt die Gemeinde die
Rechte einer juristischen Person (nicht aber den
Charakter einer öffentlich rechtlichen Korporation).
Trotz der dauernden Übertragung der kirchlichen
Jurisdiktion an den Bischof von Paderborn ist
das Rudolstädter Gebiet kirchenrechtlich Missions-
land geblieben. Die fürstliche Regierung sieht
von einem Oberaussichtsrecht über die kirchliche
Vermögensverwaltung gänzlich ab. Kirchensteuern