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Jetzt griff auch die junge Eidgenossenschaft er-
obernd über die Alpen. Nachdem Uri und Ob-
walden bereits ihre Hand auf Livinen gelegt
(1403), eroberten die eidgenössischen Orte 1410
das mailändische Eschental (Tal der Tosa), muß-
ten aber nach der Niederlage von Arbedo (1422)
alle ennetbirgischen Eroberungen wieder an Mai-
land abtreten.
Zur Zeit des Konstanzer Konzils gab die Ach-
tung des Herzogs Friedrich mit der leeren Tasche
von Osterreich den Eidgenossen willkommenen An-
laß, als Vollzieher der Reichsacht den Aargau
zu erobern (1415). Einzelne Teile davon be-
hielten die Orte Bern, Luzern und Zürich für sich
allein; die Grasschaft Baden und das Freiamt
wurden dagegen gemein-eidgenössische Untertanen-
lande.
Um das Erbe des kinderlos dahingeschiedenen
Grafen Friedrich VII. von Toggenburg
(gest. 1436), dessen Besitzungen sich vom Thur-
gau bis Graubünden und vom oberen Zürcher
See bis über den Rhein erstreckten, brach ein Krieg
aus zwischen Zürich und Schwyz. Zürich ver-
bündete sich, um nachdrückliche Hilfe gegen Schwyz
zu erlangen, mit König Friedrich III., während
die übrigen eidgenössischen Orte zu Schwyz hiel-
ten, erlitt aber bei St Jakob a. d. Sihl eine
Niederlage. Der deutsche König, außer stande,
der bedrängten Stadt selber beizuspringen, rief
den französischen Dauphin mit 40 000 Armag-
naken ins Land. Eine eidgenössische Streifschar
wurde bei St Jakob a. d. Birs fast vollständig
aufgerieben (1444), worauf der Dauphin mit den
Eidgenossen, die infolge der Niederlage die Be-
lagerung von Zürich aufgehoben hatten, Frieden
schloß. Ein eidgenössischer Schiedsspruch beendete
den alten Zürichkrieg. Ztrich erhielt den
Frieden gegen Aufhebung seines Bundes mit dem
deutschen König (1450).
Einer Aufforderung Papst Pius“ II. ge-
horchend, fielen die Eidgenossen in die Länder
des gebannten Herzogs Sigismund von Oster-
reich, eroberten den Thurgau und das Sar-
ganser Land (1460), die zu gemeinsamen
Herrschaften gemacht wurden, während die Stadt
Rapperswil in ein Schirmverhältnis zu vier
Orten trat. Im Lauf des 15. Jahrh. gingen auch
Stadt und Stift St Gallen ein Bündnis mit
den Eidgenossen ein, ebenso die Reichsstädte Schaff-
hausen, Mülhausen und Rottweil. Aus der
Hinterlassenschaft der Grafen von Toggenburg
war Uznach an die Orte Schwyz und Glarus ge-
kommen, während das Toggenburg durch Kauf
an das Stift St Gallen unter Abt Ulrich VIII.
gelangte; das Rheintal dagegen hatten die Appen-
zeller an sich gebracht. Neue Verwicklungen mit
Osterreich brachte der Waldshuter Krieg
(1468), der Herzog Sigismund veranlaßte, zur
Aufbringung der Kriegsentschädigung an die Eid-
genossen seine Besitzungen im Schwarzwald,
Sundgau, Elsaß und Breisgau um 50 000 Gul-
Schweiz.
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den an Herzog Karl den Kühnen von Bur-
gund zu verpfänden. Karl setzte den Pfandland-
schaften einen Vogt, Peter von Hagenbach, der
durch sein Willkürregiment einen Aufstand pro-
vozierte, der Hagenbach den Untergang brachte.
Die unter sich verbündeten Städte der Niederen
Vereinigung Basel, Kolmar, Schlettstadt und
Straßburg brachten die Pfandsumme auf und
hinterlegten sie zugunsten Karls: das Land fiel
wieder an Osterreich; aber Karl war nicht ge-
sonnen, sich dies gefallen zu lassen.
Durch den Abschluß einer „ewigen Richtung“
mit Osterreich hatte König Ludwig XI. von Frank-
reich die Eidgenossen mit Osterreich ausgesöhnt
und sich durch ein Bündnis ihrer Mitwirkung
zum Krieg gegen Burgund versichert. Im Namen
des Reichs und als Verbündete Frankreichs er-
klärten sie an Herzog Karl den Krieg (Okt. 1474),
nahmen der mit Burgund verbündeten Herzogin
Jolanda von Savoyen das Waadtland ab, wäh-
rend die mit ihnen verbündeten Oberwalliser
gleichzeitig das savoyische Unterwallis er-
oberten. Aber auch gegenüber Herzog Karl, der
sich durch einen Friedensschluß mit dem deutschen
wie mit dem französischen König freie Hand gegen
die Eidgenossen verschafft hatte, behaupteten sich
diese, einzig von der Niederen Vereinigung unter-
stützt, in den siegreichen Schlachten von Grandson
und Murten (1476).
Der nachfolgende Friedensschluß ließ den Eid-
genossen ihre Eroberungen: Murten, Grandson,
Orbe und Echallens wurden Untertanenlande von
Bern und Freiburg; letzteres und Unterwallis
wurde von der savoyischen Herrschaft abgelöst und
die übrigen eidgenössischen Orte durch Geld ent-
schädigt. Nach dem Fall Karls des Kühnen bei
Nanch (Jan. 1477) traten die Eidgenossen ihre
Ansprüche an die Grasschaft Burgund um 150000
Gulden an Frankreich ab. Trotz des Wider-
strebens der „Länder“ wurden Freiburg und
Solothurn zum Lohn für ihre Haltung im Bur-
gunder Krieg dank der Intervention des sel. Niko-
laus von der Flüe auf der Tagsatzung zu Stans
als 9. und 10. Ort in den Bund der Eidgenossen
aufgenommen (1481).
Weil die Eidgenossenschaft, seit dem Burgunder
Krieg französischem Einfluß unterworfen, sich wei-
gerte, das Reichskammergericht anzuerkennen und
den vom Reichstag ausgeschriebenen gemeinen
Pfennig zu entrichten, kam es zum sog. Schwa-
ben-(Schweizer-krieg (1499), der zunächst
in Graubünden, dann längs der ganzen Rhein-
grenze bis Basel entbrannte. Die Schweizer
blieben siegreich in dem beiderseits mit größter Er-
bitterung geführten Krieg, so daß der deutsche
König Maximilian im Frieden von Basel still-
schweigend die Unabhängigkeit der Schweiz an-
erkennen mußte. Eine andere Folge des Kriegs
war die zur Sicherung der Grenzen erwünschte
Aufnahme von Basel und Schaffhausen in
den Bund der Eidgenossen (1501), der durch den